Veröffentlicht inPanorama

Die silberne Legende „Tante Ju“ feiert ihren Geburtstag

Die silberne Legende „Tante Ju“ feiert ihren Geburtstag

10~75a5fed8-416d-46be-9b8e-bf087f890b86.jpg
10~75a5fed8-416d-46be-9b8e-bf087f890b86.jpg Foto: Gregor Schlaeger/DLBS
Die „Tante Ju“ – eine der ältesten noch fliegenden Maschinen der Welt und eine Legende – feiert mittlerweile ihr 80. Betriebsjahr.

Hamburg. 

Sie ist eine Legende. Die „Tante Ju“. Schon seit 80 Jahren ist das Oldtimer-Flugzeug unterwegs. Am Mittwoch wurde ihr Geburtstag in Hamburg gefeiert. Seit September steht die „Tante Ju“ in einer Wartungshalle bei der Lufthansa Technik AG neben dem Hamburger Flughafen. Die drei Motoren sind abgeschraubt und auf einem Ständer platziert. Die Flügel liegen auf Holzpaletten. Der karge Rumpf ist aufgebockt. Die alte Dame hat „Rücken“. Ein Mittelholm im Flügel ist gebrochen und muss ersetzt werden. Eine 250.000 Euro teure und aufwendige Reparatur.

Eigentümerin der „Ju“ ist die Deutsche Lufthansa Berlin-Stiftung (DLBS). „80 wird man schließlich nicht alle Tage. Vor allem als fliegendes Flugzeug“, sagt der DLBS-Vorstandsvorsitzende Bernhard Conrad. Bis die Junkers Ju 52/3 m aber wieder startet, wird es dauern. Conrad: „Im Sommer wird sie wieder topfit abheben.“

Um „Tante Ju“ ranken sich Legenden: Zwei Flugzeuge stoßen auf einem Probeflug zusammen – eines stürzt ab, das andere, eine Ju 52, soll noch mit halb weggebrochenem linkem Flügel sicher auf dem Boden gelandet sein. Das habe in den 30er-Jahren den Ausschlag für die Vorgängerfirma der Lufthansa gegeben, den Flugzeugtyp zur Standardmaschine zu machen.

Schließlich war sie am 6. April 1936 selbst ein Geburtstagsgeschenk; für die damals zehn Jahre alt werdende Deutsche Luft Hansa Aktiengesellschaft, wie der heutige Dax-Konzern damals geschrieben wurde. Die „Tante Ju“ ist eine von nur noch neun flugfähigen Ju-52-Maschinen weltweit.

Die „Ju“ soll ein Wasserflugzeug gewesen sein

Die Geschichte der „Ju“ begann in den Werken des Flugzeugingenieurs Hugo Junkers (1859–1935) in Dessau, dort wurde die Maschine gebaut. Sie flog ein paar Monate für die Lufthansa, bis sie nach Norwegen verkauft wurde. Erst soll sie sogar ein Wasserflugzeug gewesen sein. 1940 kaperte die deutsche Luftwaffe die Maschine und entschied sich, sie an die Lufthansa für Versorgungsflüge zu übergeben. Nach dem Zweiten Weltkrieg flog sie für skandinavische Airlines, bevor sie von 1957 an in Ecuador Ölbohrcamps im Amazonasgebiet versorgte. 1962 wurde das Flugzeug am Rande des Flughafens in Quito abgestellt und geriet in Vergessenheit.

Nach acht Jahren fand ein US-amerikanischer Flugzeugfan die desolate Maschine, die fast mit dem Bauch auf dem Boden hing. Nach einer sechsmonatigen Überholung flog sie nach Nordamerika. Hier wechselte sie noch einmal den Besitzer und tingelte unter dem Namen „Iron Annie“ etliche Jahre von einer Flugshow zur nächsten.

Nach weiteren Besitzerwechseln entdeckten Lufthansa-Piloten die verfallene Propellermaschine Anfang der 80er-Jahre in Florida. Der Kranich-Konzern kaufte den Flieger zurück und brachte ihn nach einem strapaziösen 16 Tage dauernden Flug mit zahlreichen Zwischenstationen wie in Grönland und Island am 28. Dezember 1984 wieder nach Deutschland.

Höchstgeschwindigkeit 250 Stundenkilometer

In einer zweijährigen Verjüngungskur schenkten ihr die Mechaniker von Lufthansa Technik ein „zweites Leben“. Im April 1986 startete sie zum Erstflug über Hamburg und erlebte die Taufe auf den Namen ihres einstigen Heimatflughafens „Berlin-Tempelhof“. Am 30. Oktober 2008 machte sie dort auch das Licht aus. Kurz vor Mitternacht startete sie zusammen mit einem Rosinenbomber als letztes Flugzeug offiziell von dem seitdem geschlossenen Airport.

Im vergangenen Jahr erhielt sie die Anerkennung „bewegliches Denkmal“ – als weltweit erstes und einziges für den Flugbetrieb zugelassenes historisches Verkehrsflugzeug. Mit Platz für 16 Passagiere und einer Höchstgeschwindigkeit von rund 250 Stundenkilometern ist sie im Vergleich zu den modernen Großmaschinen jedoch eher eine langsame Hummel neben einem Kolibri.

Uwe Wendt freut sich schon, wieder an Bord zu gehen. Der 48 Jahre alte Pilot fliegt eigentlich für die Kranich-Linie einen Airbus A340. Rio, Mexiko-Stadt, Bangkok sind die üblichen Ziele in seinem Flugplan. Seine Leidenschaft gehört aber „Tante Ju“. „Das ist das ursprüngliche Fliegen. Wenn wir die Steuerräder betätigen, brauchen wir noch richtig Muskelkraft“, sagt er. Bei Tempo 120 hebt die Maschine ab, die Reisegeschwindigkeit liegt bei 180 Kilometern pro Stunde. Mit ihren 1000 Litern Sprit sind 500 Kilometer am Stück drin. Wendt und seine derzeit 20 Pilotenkollegen opfern für die alte Dame sogar ihre Freizeit. „Es ist eine große Ehre, die Ju fliegen zu dürfen.“ Das nächste Etappenziel ist der 100. Geburtstag. (mit dpa)