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„Der Kommissar und das Meer“: Wenn Familie zum Drama wird

„Der Kommissar und das Meer“ überraschend gut

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Foto: ZDF/Stefan Erhard
Die Schweden-Krimis mit Walter Sittler bieten in der Regel Bullerbü für Erwachsene. Diesmal überrascht die Episode mit stimmiger Psychologie.

Mainz. 

„Der Kommissar und das Meer“ bietet Pippi-Langstrumpf-Krimis. Der Schauplatz Gotland wirkt wie Bullerbü für Erwachsene: so gemütlich, so entspannt wie das Schweden, das wir in den Büchern von Astrid Lindgren lieben gelernt haben. Dazu passen das grundsympathische Fahnder-Duo Walter Sittler und Andy Gätjen als Kommissar und sein Assistent perfekt. Die Reihe fährt inzwischen so gute Quoten wie der sonntägliche „Polizeiruf 110“ im Ersten ein – nach 17 Folgen ist sie so verlässlich wie ein VW Käfer. Kann da eine Episode noch überraschen?

Bei dem Krimi „Das Mädchen und der Tod“ von Regisseur Miguel Alexandre, der das Drehbuch gemeinsam mit Harald Göckeritz schrieb, überrascht die Qualität der Bilder. Dem Grimme-dekorierten Mehrteiler-Spezialist stand offenkundig ein so großes Budget zur Verfügung, dass er Perspektiven wählen könnte, die im Routine-Fernsehen selten zu sehen sind. Er setzt die herbe Schönheit der winterlichen Ostsee-Insel so in Szene, dass sie die Atmosphäre die vereisten Beziehungen der Hauptdarsteller nachfühlbar spiegelt.

Am Ende wird es eher verwirrend als packend

Die Handlung zeichnet sich nicht in erster Linie durch packende Spannung aus. Im Gegenteil: Die Kriminalgeschichte ist, wie so oft im deutschen Fernsehen, zum Ende hin eher verwirrend als packend. Dass der Krimi dennoch im buchstäblichen Sinne ansehnlich ist, liegt an dem großen Thema unterhalb des Offensichtlichen. Miguel Alexandre erzählt von familiären Strukturen, die Menschen ins Unglück stürzen.

Aber zunächst einmal zeigt der Regisseur ein positives, modernes Gegenbild. Kommissar Anders ist mimt den Anti-Wallander. Walter Sittler gibt den Fernsehfahnder eben nicht als einsamen Depri-Fahnder, der an sich und der Welt verzweifelt. Im Gegenteil: Der Film führt nicht nur einen immer freundlichen, immer feinfühligen TV-Ermittler vor, der von einer funktionierenden Familie aufgefangen wird. Er zeigt graumelierten Sozialarbeiter unter den Kommissaren obendrein als Vertreter der neuen Generation der alten Väter – Spiegelbild einer Gesellschaft, die in der Regel mit 60 noch so fit ist wie keine zuvor. Der Kommissar hat eine junge Frau (die fantastische Frida Hallgren wird leider unter Wert verkauft) und zwei Kindern.

Sie lernte ihren Vater nie kennen

Die eigentliche Handlung wird von der zwölfjährigen Fippa (Hanna Westerberg zwischen Kindlichkeit und frühreifer Abgezocktheit) getrieben. Mutter und Tochter streiten sich, obendrein kommt ein seltsamer Tierarzt dazu – offensichtlich Vater des Mädchens, den sie niemals kennenlernen durfte. Entstand Fippa durch Vergewaltigung?

Am Beispiel des Tierarztes und seiner Partnerin diskutiert der Regisseur das Thema Leihmutterschaft. Miguel Alexandre führt eine weitere Männer-Figur ein, um Sucht in der Ehe und Sorgerecht für Kinder zu problematisieren. So wirkt der Krimi wie eine Studie des Systems Familie, ohne je zu langweilen. Folge: Der überraschend erwachsene Film bleibt länger im Gedächtnis, als es die Reihe gewöhnlich befürchten lässt.

Fazit. Der gut fotografierte Krimi überzeugt mit stimmiger Psychologie.

Samstag, 29. August, ZDF, 20.15 Uhr