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Der harte Kampf der Großeltern um ihre Enkelkinder

Der harte Kampf der Großeltern um ihre Enkelkinder

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149260000E4CC05C.jpg Foto: dpa-tmn
Wegen der großen Zahl von Patchwork-Familien streiten immer mehr Großeltern über Besuchsrechte. Viele definieren sich über ihre Enkel.

Berlin. 

Bisher waren es oft die Väter, die nach einer Trennung darum kämpfen mussten, ihr Kind zu sehen. Doch aufgrund der wachsenden Zahl von Patchwork-Familien trifft die Sorge nun einen weiteren Personenkreis: Immer mehr Großeltern streiten über das Besuchsrecht, das längst nicht mehr selbstverständlich ist.

Ihre Konkurrenz sind die Großeltern, die durch die Partnerschaften hinzugewonnen wurden. Im besten Fall können die Eltern durch zusätzliche Kinderbetreuungsmöglichkeiten profitieren. Häufig entbrennt allerdings der Konkurrenzkampf unter den Großeltern um die Gunst des Enkels.

Herabgestuft zu Teilzeit-Großeltern

In der Familie Hartmann war Pauls fünfter Geburtstag zum Beispiel der Anlass für einen solchen, denn statt der Kinderparty stand plötzlich ein riesiger Familienkrach im Vordergrund. Weil Pauls Mutter Annika gerne nicht nur seinen Papa Leonard, sondern auch ihren neuen Lebensgefährten samt seiner Eltern dabeihaben wollte; und weil dann plötzlich für Leonards Eltern rein rechnerisch kein goldenes Tellerchen und Platz auf der Couch übrig bleiben würde.

Darauf folgten die Diskussionen zwischen den Geschiedenen, nach deren Ende niemand mehr auf Patchwork-Harmonie angesprochen werden wollte. Die Verlierer: Alle, am meisten allerdings die echten Großeltern, die als nur noch Teilzeit-Opa-und-Oma funktionieren dürfen.

Drei von zehn Kindern in Patchwork-Familien

Und tatsächlich gibt es in vielen deutschen Familien Probleme, die das Patchwork-Leben mit sich bringt. In Zeiten, in denen laut Statistischem Bundesamt jede zweite Ehe scheitert und in denen bei der Hälfte aller Scheidungen Kinder involviert sind, haben neben den Kindern oft die mitgeschiedenen Großeltern das Leid mitzutragen, weil sie ihre Enkel dank geteiltem Sorgerecht seltener sehen.

Nach Schätzungen erleben drei von zehn Kindern bis zu ihrem 18. Lebensjahr mindestens eine Patchwork-Konstellation. Im Extremfall vier rotierende Großelternpaare. Da ist der Kampf um die durchschnittlich 1,5 Kinder pro Familie heutzutage programmiert. Und die besseren Großeltern sein zu wollen, das ist ein großer Konfliktpunkt.

Viele Großeltern definieren sich über Enkel

Hinter einem solchen Verhalten steckt vor allem der Wunsch nach Aufmerksamkeit, erklärt Winfried Schmidt vom Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen. Dabei geht es nicht nur um die der Enkel selbst: „Die Großeltern sind oft nicht mehr berufstätig, vielen fehlt eine Betätigung“, erklärt der Diplom-Psychologe mit Praxis in Arpshagen in Mecklenburg-Vorpommern. „Die Enkel sind gegenüber Freunden, Bekannten oder Nachbarn etwas, davon kann man erzählen.“

Nicht selten geht das aber noch weiter: „Viele Großeltern definieren sich über ihre Enkel. Und dann wird es kritisch.“ Das sieht Ursula Lenz von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen mit Sitz in Bonn ähnlich: „Manchmal sind Großeltern so fixiert auf das Enkelkind und betrachten jeden mit Argusaugen, der den Kontakt schmälern könnte.“ Auch die anderen Großeltern.

Körperlich aktiver, seelisch aufgeschlossener

Und Oma und Opa, das sind eben nicht mehr die Großmutter mit der Kittelschürze und der Großvater im Schaukelstuhl, um die eine Enkelschar sich reiht wie in den Erzählungen von Astrid Lindgren. Im Gegenteil: Dem demografischen Wandel sei Dank sind die Großeltern in dieser Generation körperlich aktiver, seelisch aufgeschlossener als je zuvor.

Die Wissenschaftler Oliver Arránz Becker und Anja Steinbach beschreiben in ihrer Studie über Enkel und Großeltern die Ausdehnung der Zeitspanne von Mehr-Generationen-Beziehungen. „Insbesondere hat der medizinisch-technische Fortschritt dazu geführt, dass Großeltern auch im hohen Alter zunehmend gesundheitlich in der Lage sind, ihre Kinder und Enkelkinder aktiv und auf vielfältige Weise zu unterstützen“, stellen Becker und Steinbach in ihrer Studie fest.

Sprich: Großeltern und Enkel stehen sich heute näher als je zuvor. Sie verbringen mehr Zeit miteinander und stehen sich in Zeiten, in denen der wirtschaftliche Druck auf die Eltern immer größer wird, näher. Für ihre Enkelkinder sind Oma und Opa oft Eltern-Ersatz und Vertraute.

Gespräche können im Streit enden, sind aber essenziell

Ist die Konkurrenz zu den anderen Großeltern aber erst mal im Gange, hilft nur Kommunikation. Wer das Verhalten bei den anderen Großeltern bemerkt, spricht das am besten an. „Die Großeltern sollten miteinander und mit den Eltern reden“, erklärt Schmidt.

Natürlich müssen sie damit rechnen, dass ein solches Gespräch auch erst einmal im Streit enden kann. „Aber manchmal kann ein klärendes Gewitter helfen.“ Am besten trifft man sich für ein solches Gespräch ohne die Enkel.

Im Falle der Familie Hartmann hat sich Annika am Ende dann entschieden, die Geburtstagsfeier ausfallen zu lassen – und einen Trip mit ihrem Sohn nach Disneyland gebucht. Ohne Großeltern.