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Bestseller „Shades of Grey“ beflügelt Sado-Maso-Trend in den USA

Bestseller „Shades of Grey“ beflügelt Sado-Maso-Trend

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Foto: Getty Images
Seit dem erotischen Bestseller „Shades of Grey“ verkaufen sich Fesseln und Peitschen in den USA so gut wie nie. Und Hotels bereiten inzwischen sogar Suiten für Sado-Maso-Spielchen vor.

Washington. 

Die Taschenbücher der erotischen Trilogie verkaufen sich schneller als der aufregende Milliardär Christian Grey seine unschuldige Gespielin Anastasia Steel fesseln kann. In den USA und Kanada gingen seit Erscheinen des ersten Buches von E.L. James alias Erica Leonard Anfang April mehr als 15 Millionen Exemplare über die Theke. Der lausig geschriebene Schmuddel-Stoff führt seit Monaten die Bestsellerlisten an. Das Boulevard-Blatt „New York Post“ findet, der ganze „Big Apple“ „fühlt sich in diesem Sommer ein bisschen wie Anastasia: eine bebende Masse rasender weiblicher Hormone“.

Tatsächlich zieht „Shades of Grey“ Frauen im Allgemeinen und darunter verheiratete Mütter über 35 ganz besonders an. Weshalb die Medien ein wenig abfällig von „Mutti-Porno“ sprechen. Dank elektronischer Lesegeräte können die kitschigen Sadomaso-Abenteuer unauffällig in der U-Bahn, am Strand oder im Cafe verschlungen werden. „Liest Du es?“, raunen sich gefesselte Leserinnen in den Büros zu, die von dem dominanten Milliardär Grey angemacht fühlen.

Apropos Fesseln. Erotik-Händler und Baumärkte sehen ihre Verkaufszahlen für alles, was zu Fessel- und Peitschenspielen gehört nach oben schnellen. Besonders gefragt Krawatten, Seile und Handschellen – die Utensilien, die Milliardär Grey für seine Bondage-Abenteuer mit der 21-jährigen Studentin einsetzt. Ein lokaler Händler in Washington erzählt, es gebe klare Anzeichen, was seine Kundinnen im Schilde führten, wenn sie „nach weicheren Stricken“ fragten. Er empfehle stets dickes Nylon, weil alles andere zu Verletzungen führe.

Erotisches Hintern-Klatschen ausgebucht

In New York machen die „Babeland“-Geschäfte Kasse mit „Fifty Shades“-Workshops, die regelmäßig überbucht sind. Zu dem Kurs „Fifty Shades of Spanking“ im trendigen SoHo tauchten 150 Teilnehmer(innen) auf. Hundert weitere mussten auf die nächste Anleitung zum erotischen Hintern-Klatschen warten.

Auch die Designer der Sommer-Garderobe sprangen auf den Trend und machen Fesselmode zu einem Bestseller. Zum Beispiel der einteilige Nylon-Badeanzug mit Strapsen von „American Apparel“ für 45 Dollar, der an den Stränden von New Jerseys ebenso ein Hit ist wie unter den Palmen in Florida.

Auf der anderen Seite an der West-Küste bieten Hotels „Fifty Shades“-Erlebnisaufenthalte an. Etwa im hippen „Hotel Max“ der Westküsten-Metropole Seattle, das Suiten auf dem achten Stockwerk für Sado-Maso-Spielchen vorbereitet hat. Zu dem Arrangement im „King of Artists“- Zimmer gehören Limo mit Chauffeur, eine Segeltour durch den Pudget-Sound, ein Hubschrauber-Rundflug in Greys „Charlie Tango“ und eine Flasche seines Lieblings-Champagner der Marke Bollinger. Alles zusammen für knapp unter 2000 Dollar und einem Mindestaufenthalt von zwei Tagen.

Sehnsucht nach Unterordnung

Für ganz harten Fans ist ein Abstecher im benachbarten Portland ein Muss, wo das Heathman Hotel, in dem es die beiden „Helden“ der Trilogie erstmals treiben, ein „Charlie Tango“-Paket anbieten.

Feminist(inn)en zeigen sich ratlos angesichts des Fessel-Fiebers und versuchen zu ergründen, was ihre Geschlechts-Genossinen an dem Rollenbild, das die Autorin propagiert, eigentlich so toll finden. Die 82-jährige Star-Journalistin Barbara Walters lieferte in der Frauen-Talksendung „The View“ eine Fährte. Die Alpha-Frau, die in Beruf und Familie den Ton angebe, sehne sich nach Unterordnung, weil ihr im Alltag alles zu viel werde. „Wenn Sie nach Hause kommen, wollen Sie, dass der Kerl die Hosen an hat. Und mehr als das: sehr perverse Sachen macht.“

Wirklich? Sex-Forscherin Debbie Herbenick vom renommierten Kinsey Institute bezweifelt, dass der Sommer 2012 das wird, was der „Sommer der Liebe“ 1967 auslöste. „Ich erwarte keine massiven Änderungen in den Schlafzimmern Amerikas.“ Für die meisten bleibe es bei der Fantasie.

Ein Massenphänomen allemal, das dem Vorurteil über die ach so puritanischen Amerikaner gewiss einen Grauton hinzufügt.