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Berliner zeigt, wie eine Sowjet-Raumfähre heimlich verrottet

Berliner zeigt, wie eine Sowjet-Raumfähre heimlich verrottet

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2016-buran-vor-tor~8377a1d4-ad0b-4b4f-9900-58b0a1c23ac5.jpg Foto: Dietmar Eckell
In einer Halle in der Wüste verfällt das teuerste Weltraum-Projekt der UdSSR: Ein Berliner fotografierte heimlich im Grab der „Buran“.

Berlin. 

40 Kilometer ohne Auto bei Vollmond durch die Wüste, immer in Sorge vor Entdeckung, wenn das Bellen von Hunden der Wachmannschaften durch die Nachtluft wehte. Dann hatte Dietmar Eckell es dorthin geschafft, wo das teuerste Projekt der sowjetischen Raumfahrtgeschichte in den Märchenschlaf ohne Erwachen gefallen ist. Der Berliner hat aus verfallenden Hallen auf dem Weltraumbahnhof Baikonur spektakuläre Fotos der „Buran“ mitgebracht. In Berlin stellt er sie nun aus.

39 Grad Tagestemperatur herrschte bei Eckells Visite inmitten der Wüste, wo der „Schneesturm“, was Buran übersetzt heißt, darauf wartet, dass die Halle über ihm zusammenstürzt. „Wenn das passiert“, sagt Eckell unserer Redaktion, „das wäre ein Drama.“ Er wollte das Projekt deshalb unbedingt dokumentieren.

Nur ein einziger Flug ins All

Verfall und Verschwinden zu dokumentieren ist Eckells Spezialität. Für sein Buch „Happy End“ fotografierte er bereits verlassene Flugzeugwracks in aller Welt, deren Crashs keine Opfer gefordert hatten. In Baikonur in Kasachstan stürzte ganz ohne Unfall das teuerste Projekt der sowjetischen Raumfahrtgeschichte ab. 30.000 Menschen hatten zeitweilig an dem Programm gearbeitet, einen Raumgleiter wie die Nasa-Space Shuttle zu bauen. 1993 wurde das Vorhaben eingestellt. Buran 1.01 war der einzige Raumgleiter, der nur ein einziges Mal und dazu unbemannt bis ins All geflogen war.

Das Schicksal von Buran 1.01 untermauert Eckells Befürchtungen um die Raumgleiter in der Halle. Er wurde 2002 zermalmt, als eine Montagehalle einstürzte. Eckell stand in einer anderen Halle Nase an Nase mit Buran 1.02, intern „Vögelchen“ genannt, damals nur zu 95 Prozent fertig geworden. Der „kleine Vogel“, mehr als 36 Meter lang, durfte nie fliegen.

„An der Decke darüber hängen 400-Tonnen-Kräne, und du fragst dich schon, wie lange die Halle das noch trägt.“ Bei Eckell dominierten aber andere Gefühle. „Es sind gewaltige Bauwerke, die Halle der Trägerrakete ist 170 Meter hoch und hat die Raumhöhe des Kölner Doms. Da bekommst du Ehrfurcht.“

Ein Buran-Prototyp seit 2008 in Deutschland

Ehrfurcht, die die Vögel nicht haben, die durch zerbrochene Fenster ein- und ausfliegen und deren Kot auf dem Raumschiff mit Staub verbacken ist. Von der Faszination Raumfahrt ist in der Halle nichts zu spüren. Wer die bei der „Buran“ sucht, war 2008 in Deutschland richtig. Tausende standen am Rhein Spalier, als ein Prototyp auf dem Fluss seine mutmaßlich letzte Reise ins Technikmuseum in Speyer antrat. Es waren eindrucksvolle Bilder. Die Speyrer „Buran“ diente aber lediglich zur Erprobung von Gleitflug und Landesystem.

Um die fürs All gedachte Fähre auf dem abgeschirmten Gelände sehen zu können, war Eckell bereits im Oktober 2015 einmal nach Kasachstan gereist, hatte dort beobachtet, Gespräche geführt und notiert. Im August schien der Zeitpunkt perfekt: Wochenlang keine Starts auf dem Weltraumbahnhof, eine Nacht mit Vollmond. Wie er es letztlich anstellte, in die Hallen zu gelangen, lässt er offen. Er wolle nicht, dass lokale Partner Probleme bekommen. „Ich rate aber niemandem, es nachzumachen. Es ist wirklich gefährlich.“

Russischer Blogger hatte Existenz bestätigt

Dass die Überbleibsel des „Buran“-Programms tatsächlich in Baikonur noch existieren, war 2015 öffentlich geworden durch Fotos des russischen Bloggers Ralph Mirebs. Mirebs hatte auch kein Geheimnis daraus gemacht, dass er ohne Genehmigung unterwegs gewesen war.

Eckells Ausstellung „Restwert“ ist vom 30. September bis 9. Oktober täglich von 14 bis 18 Uhr in der Galerie erstererster in Berlin zu sehen, jeden Samstag um 16 Uhr führt er auf Deutsch durch die Ausstellung, sonntags um 16 Uhr auf Englisch. Vernissage am 29. September ab 18.30 Uhr, der Eintritt ist frei.