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Als Elizabeth die Etikette vergaß

Als Elizabeth die Etikette vergaß

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Foto: ullstein bild
Ein Tanz im Ritz, ausgelassenes Feiern auf der Straße: Die heutige Queen schlüpfte bei Kriegsende unerkannt aus dem Buckingham-Palast und feierte freudig gemeinsam mit ihren Untertanen.

London. 

Es klingt wie ein Märchenstück aus Tausendundeiner Nacht, aber es hat sich wirklich zugetragen. Die Queen, als sie noch Prinzessin Elizabeth war, mischte sich unters Volk, als die Briten vor siebzig Jahren am achten Mai 1945 das Ende des Zweiten Weltkriegs feierten. Begleitet von ihrer Schwester Prinzessin Margaret und einer Gruppe von Freunden schlüpfte Elizabeth unerkannt aus dem Buckingham Palast und schloss sich ihren künftigen Untertanen an, die vor dem Palast jubelten. Für einige wenige Stunden konnten die Prinzessinnen alle höfische Etikette vergessen und einmal wirklich frei sein. Es war eine Nacht, die die Queen niemals vergessen hat.

Ein Dokumentarfilm des Fernsehsenders Channel Four hat die Ereignisse jetzt nachgezeichnet. Darüberhinaus wird pünktlich zum achten Mai ein Hollywood-Film „A Royal Night Out“ herauskommen, der allerdings eine etwas übertriebene Darstellung bietet – so sollen die Prinzessinnen am Ende des Abends in einem Bordell gelandet sein.

Mehr als eine halbe Millionen Menschen kamen zur Starßenparty

Das habe sich niemals zugetragen, unterstreicht Margaret Rhodes, langjährige Freundin der Queen und außer ihr die einzige noch überlebende Person, die damals mit dabei war. Man sei durch die Straßen gezogen, habe Conga im Hotel Ritz getanzt, vielleicht ein paar Zärtlichkeiten mit Unbekannten ausgetauscht. „Jeder hat jeden geküsst und Hüte geschnappt, um sie in die Luft zu werfen“, erinnert sich Margaret Rhodes. „Es war eine Euphorie, wie sie euphorischer nicht sein konnte.“

Mehr als eine halbe Million Menschen waren damals zu der Straßenparty des Jahrhunderts nach London gekommen. Sechs Jahre Kriegszeiten lagen hinter ihnen, jetzt wollte man die Entbehrungen vergessen und ausgelassen feiern. Die damals 19-jährige Elizabeth wollte sich das Fest nicht entgehen lassen und bestürmte ihren Vater König George VI., ihr die Teilnahme zu erlauben. „Es war so clever von ihren Eltern, die Mädchen in dieser Nacht ausgehen zu lassen“, sagt Rhodes. „Diesen einen Moment im Leben zu erfahren, diese Nacht, wo der Krieg vorbei war. Sie wussten, das war etwas, was die Prinzessinen niemals vergessen würden.“

Eine einzigartige Nacht

Wie wahr. In einem der seltenen Interviews, die die Queen gegeben hat, erinnert sie sich freudig an die Ereignisse der Nacht. „Einer in unserer Gruppe“, lachte sie, „stahl die Mütze eines Matrosen. Der arme Mann musste uns nachrennen, um sie wiederzubekommen.“ Diese Nacht, sagte sie, wäre einzigartg gewesen: „Jeder von uns wurde mitgerissen von einer Welle des Glücks und der Erleichterung.“

Wenn die Briten heuer den 70sten Jahrestag des „Victory in Europe-Day“ feiern, dann wird es diesmal drei Tage dauern. Beginnend mit einer Schweigeminute um 15 Uhr am Freitag, den achten Mai, dem Moment, wo Winston Churchill in einer Radioansprache das Kriegsende verkündet hatte, werden abends Freudenfeuer entfacht, tags darauf die Glocken geläutet und Straßenpartys gefeiert und am Sonntag den Gefallenen und Opfern in einem Gottesdienst in der Westminster Abbey gedacht. Die Queen wird wieder mit dabei sein, aber diesmal sicher nicht inkognito.