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60 Gründe, warum Maddie nicht entführt wurde

60 Gründe, warum Maddie nicht entführt wurde

Das rätselhafte Verschwinden von Madeleine McCann 2007 beschäftigt die Briten bis heute. Die Eltern des Mädchens stellen heute ihr neues Buch vor. Soll man ihnen glauben oder nicht? Ein Interview mit Anthony Bennett, der nicht an eine Entführung, sondern an eine Verschwörung glaubt.

London. 

Am Fall der verschwundenen Madeleine teilen sich die Sympathien: Kurz bevor die Eltern am Donnerstag in Großbritannien ein Tagebuch ihres Leids veröffentlichen, flammt die Diskussion um die McCanns neu auf. Dass sie ihr Kind allein im Hotelzimmer gelassen haben, kreiden viele ihnen an. Andere, wie Rechtsbeistand Anthony Bennett, zweifeln an Maddies Entführung. Er fordert, dass der mysteriöse Fall neu aufgerollt wird.

Was erwarten Sie von Kate McCanns Buch?

Bennett: Vor allem Klarheit. Mein eigenes Buch mit 60 Gründen, die dafür sprechen, dass Madeleine nicht entführt worden ist, darf auf Initiative der McCanns nicht mehr in Großbritannien vertrieben werden. Doch viele Fragen und Ungereimtheiten bleiben – ich werde ihr Werk also sehr genau studieren.

Warum bezweifeln Sie, dass Madeleine 2007 aus der Ferienwohnung der McCanns in Portugal entführt worden ist?

Bennett: Es hieß damals, dass der Entführer die Rollladen von außen aufgebrochen hätte; in Wahrheit gab es keine Einbruchsspuren. Die Eltern hatten an jedem Abend außerdem die Schiebetür direkt neben dem Fenster offen gelassen. Wieso würde ein Kidnapper durch ein Fenster klettern, wenn er einfach durch die Tür gehen kann? Und würde man – abgesehen von drei kleinen Kindern allein im Zimmer – stundenlang alle Türen einer Ferienwohnung offen lassen, wenn dort auch Pässe und Schmuck liegen?

Aber können sich nicht alle Erwachsenen an Situationen in ihrer Kindheit erinnern, die sie ohne Aufsicht der Eltern verbracht haben?

Bennett: Kate McCann ist, als sie das Fehlen ihrer Tochter entdeckt haben will, zurück ins Restaurant zu ihren Freunden gelaufen, um sie zu alarmieren – ihre beiden Babys ließ sie im Zimmer liegen. Das würde doch keiner tun, der wirklich glaubt, seine Tochter sei soeben gekidnappt worden. Ihre und die Aussagen ihrer Freunde, mit denen sie den Abend im Restaurant verbracht haben, widersprechen sich in vielen Details. Kurzum: Es gibt keinen einzigen Beweis für die These, dass Madeleine entführt worden ist. Ich glaube, dass das Kind in der Ferienwohnung starb.

Alle anderen Szenarien sind tabu


Für Ihre Annahme gibt es aber auch keinen einzigen Beweis.

Bennett: Der Knackpunkt ist, dass allein die Kidnapper-These erlaubt ist und verbreitet wird. Alle anderen Szenarien sind tabu, ganz so, als müsste etwas vertuscht werden.

Wie hätten die McCanns die Fassade verzweifelt suchender Eltern so lange aufrecht halten können, wenn sie wüssten, dass Maddie tot ist?

Bennett: Weil sie von der britischen Regierung und den Medien unterstützt werden. Als die portugiesischen Ermittler sie zu Verdächtigen erklärten, übernahm der ehemalige Blair-Vertraute Clarence Mitchell die Pressearbeit für sie. Warum sollte ein solcher Spitzenmann sich für eines von vielen vermissten Kindern einsetzen? Danach heuerte er bei einer PR-Agentur an, die von Rupert Murdochs Schwiegersohn geleitet wird. Murdoch gehört das Boulevardblatt „The Sun“, das nun das Buch der McCanns in Serie druckt. Da frage ich mich, ob der Fall Madeleine nicht irgendein Geheimnis birgt, das für die britische Regierung sehr peinlich werden könnte.

„Bösartig, pervers, gefühllos“


Wie viel Hasspost bekommen Sie eigentlich?

Bennett: Oh, eine Menge. Ich bin schon als bösartig, pervers und gefühllos bezeichnet worden. Aber Antworten auf all die offenen Fragen, die gibt es bis heute nicht. In der „Madeleine Stiftung“ arbeiten wir allerdings jede Woche viele Stunden an dem Fall. Mittlerweile sind ja auch drei Viertel der Akten öffentlich zugänglich. Ermittler sind wir aber natürlich nicht.

Natascha Kampusch wurde entführt und konnte sich nach vielen Jahren selbst befreien. Was würden Sie sagen, wenn Maddie entgegen Ihrer Theorie in ein paar Jahren wieder auftaucht?

Bennett: Ich würde mich bei den McCanns entschuldigen. Meine Glaubwürdigkeit wäre dann offensichtlich ruiniert. Aber ich bin mir sicher: Irgendwann zeigt der Lack Risse; irgendwann schert jemand aus der Reihe und wird auspacken. Am Ende des Tages erfahren wir die Wahrheit.