Veröffentlicht inWirtschaft

Plastiktütengebühr: Auch die Alternativen haben ihre Tücken

Plastiktütengebühr: Auch die Alternativen haben ihre Tücken

14913000183DBF62.jpg
14913000183DBF62.jpg Foto: dpa
Die Gebühr für viele Plastiktüten kommt auf breiter Front: Wann Geld fällig wird – und wieso auch Alternativen ihre Schwächen haben.

Berlin. 

Knapp zwei Drittel der Plastiktüten im deutschen Einzelhandel werden ab dem 1. Juli 2016 kostenpflichtig. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) und der Präsident des Handelsverbands Deutschland (HDE), Josef Sanktjohanser, unterzeichneten am Dienstag in Berlin eine Vereinbarung, nach der innerhalb von zwei Jahren sogar 80 Prozent der Kunststofftüten im Einzelhandel nicht mehr umsonst über die Ladentheke gehen sollen. Mit der Vereinbarung soll einer EU-Richtlinie nachgekommen werden, die eine Reduzierung auf jährlich 40 Tüten pro Einwohner bis Ende 2025 vorsieht.

Die von der Bundesregierung und dem Handel getroffene Vereinbarung unterscheidet vier Tüten-Typen, für die unterschiedliche Regeln gelten sollen:

  1. Standard-Tüten: Die Vereinbarung bezieht sich auf Tragetaschen – mit oder ohne Griff – aus Kunststoff, „die den Verbrauchern in der Verkaufsstelle der Waren oder Produkte angeboten werden.“
  2. Tiefkühl-Tragetaschen: Darin bleiben Eis, Fleisch und Pizza länger kalt. Sie sind für die mehrmalige Verwendung konstruiert und kosten in aller Regel etwas – Teil der Vereinbarung sind sie nicht.
  3. Permanent-Tragetaschen: Damit sind hochwertige Taschen gemeint, die Kunden mehrmals verwenden können und sollen. Sie kosten sowieso fast immer etwas, sind von der Vereinbarung aber nicht abgedeckt.
  4. Besonders leichte Tüten: Man kennt sie zum Beispiel aus der Obst- und Gemüseabteilung im Supermarkt. Sie dienen laut einer EU-Richtlinie zur „Erstverpackung von losen Lebensmitteln“ unter anderem aus Hygienegründen. Sie sind nicht Teil der Vereinbarung und bleiben gratis.

Alternativen sind nicht unbedingt umweltfreundlich

Doch welche Alternativen gibt es dann für die (noch) handelsübliche Plastiktüte? Eine klingt auf den ersten Blick gut, aber ihre Verwertung hat einen großen Haken: Tüten aus kompostierbarem oder biologisch abbaubarem Plastik werden als Ersatz zur klassischen Plastiktüte bereits in vielen Läden angeboten. Die Idee: Die Produkte aus etwa Cellulose und Stärke sollen als Biomüll in der entsprechenden Tonne oder auf dem Kompost landen können und nach ein paar Wochen verrottet sein. Doch es gibt drei Probleme bei der Entsorgung. Und auch Papiertüten sind nicht unbedingt umweltschonender als solche aus Plastik.

• Die Alternativen sind von anderen Plastikprodukten kaum zu unterscheiden. Landet diese Tüte in der Biotonne, wird sie von den Kompostieranlagen oder biologischen Verwertungsanlagen aussortiert als Störstoff, erläutert der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Denn die Systeme unterscheiden das Bioplastik nicht von den normalen PE-Plastiktüten. Die Folge: Die Bio-Alternative landet in der Müllverbrennung.

• Verwechselt man die Tüte zu Hause selbst mit der klassischen Plastiktüte und wirft sie in den Gelben Sack oder die Gelbe Tonne, wird die Tüte den Stoffkreislauf in der Verpackungsmüllsammlung stören. Denn die Materialien, die etwa auch für Biomülltüten verwendet werden, lösen sich laut Verbraucherzentrale Hamburg zum Beispiel in der Weiterverarbeitung auf und legen sich als dünner Film auf die restlichen Stoffe.

• Es bleibt die Entsorgung auf dem eigenen Kompost. Zwar fällt die Ökobilanz von kompostierbaren Alternativen aus Cellulose und Stärke besser aus als eben der üblichen Tüten, erläutert BUND. Aber sie enthalten auch einen geringen Anteil sogenannter einfacher Polymere. Sie bleiben im Kompost als gefährliche Kleinstbestandteile zurück – und gelangen über die Verwertung der gewonnenen Komposterde etwa ins Gemüsebeet.

• Häufig werden auch Papiertüten als umweltschonende Alternative gehandelt. Doch das trifft nicht zu. Denn laut Umweltexperten werden auch für die Herstellung der Papiertüten eine Menge Chemikalien, Zellstoff, Energie und Wasser aufgewandt. Und ein entscheidender Nachteil der Papiertüten: Die Kunden benutzen sie oft nur ein einziges Mal, während Plastiktüten mehrmals verwendet werden.

Preise bei den Ketten unterscheiden sich

Zu der Abschaffung der Plastiktüte haben sich laut Umweltministerium in Deutschland rund 260 Handelsunternehmen verpflichtet. Den meisten Bundesbürgern fällt der Abschied nicht schwer. Das zeigen die Erfahrungen von Textil-, Buch- und Elektronikhändlern, die bereits auf Plastiktüten als kostenlose Zugabe zum Einkauf verzichten. Ein Überblick.

Bei der

Textilhandelskette C&A

kosten Plastiktüten seit dem 1. April 20 Cent pro Stück – egal ob klein oder groß. „Wir treffen auf eine erstaunlich hohe Akzeptanz“, meint Unternehmenssprecher Thorsten Rolfes. Und die Neuerung erreiche ihr Ziel. Bereits in den ersten Wochen sei die Nachfrage nach Plastiktüten um über 50 Prozent gesunken.

Bei der

Elektronikketten Media Markt und Saturn

müssen die Kunden seit Jahresanfang für Plastiktüten bezahlen. Je nach Größe variieren die Preise zwischen fünf und 50 Cent. Bevor Deutschlands größte Elektronikmärkte den Schritt wagten, gab es allerdings Testläufe in einigen ausgewählten Märkten. „Das Ergebnis war mehr als beeindruckend. Der Tüten-Verbrauch hat sich um mehr als 80 Prozent reduziert“, sagt eine Unternehmenssprecherin.

Auch die

Mayersche Buchhandlung

wagte zum 1. April den Schritt und erntete dafür auf ihrer Facebook-Seite durchweg Lob. „Ich glaube, ich warte schon seit über 15 Jahren darauf, dass sich auch der Buchhandel traut, für Tüten Geld zu nehmen… Endlich!“, schrieb eine Kommentatorin.

Der

Textildiscounter KiK

hat seit Oktober 2015 keine klassischen Plastiktüten mehr im Angebot. Bringt der Kunde keinen eigenen Beutel zum Einkaufen mit, hat er lediglich die Wahl zwischen Baumwollbeuteln zu Preisen ab 75 Cent und sogenannten Permanenttaschen aus PET zum Preis von einem Euro, um seine Einkäufe nach Hause zu tragen.

Die

Drogeriemarktkette dm

bietet ihren Kunden die Wahl zwischen Bio-Taschen aus 100 Prozent Baumwolle, Papiertaschen überwiegend aus Altpapier, Plastiktüten aus 90 Prozent Recycling-Kunststoff oder Permanenttaschen, die zu 80 Prozent aus ausgedienten PET-Flaschen hergestellt sind. Doch alle müssen bezahlt werden. (dpa/epd/les)