Veröffentlicht inRegion

Lüner Arzt ist zurück vom Einsatz im Gaza-Streifen

Lüner Arzt ist zurück vom Einsatz im Gaza-Streifen

Zehn Tage arbeitete der Lüner Neurochirurg Dr. Samir Kazkaz im Gaza-Streifen. Er erlebte Raketenbeschuss aus der Nähe, sah das Ausmaß der Zerstörung und versuchte, so vielen Menschen wie möglich zu helfen. Uns hat er seine Eindrücke geschildert und uns private Bilder zur Verfügung gestellt.

Lünen. 

Der Lüner Neurochirurg Dr. Samir Kazkaz war zehn Tage lang ehrenamtlich im Gaza-Streifen tätig und erlebte den Krieg hautnah. Kazkaz reiste über die jordanische Hauptstadt Amman und Israel in den Gaza-Streifen ein. Unterwegs war er für das Hammer Forum, das vor Ort mit der US-amerikanischen Organisation „Palestine Children’s Relief Fund“ (PCRF) kooperiert.

Kazkaz hatte sich eigentlich darauf eingestellt, einige Stunden an der Grenze des Gaza-Streifens warten zu müssen. Doch dann ging alles ganz schnell: Sein Koffer wurde gar nicht kontrolliert, und dann wurde der 65-Jährige auch schon von einem Mann mit einem Golf Cart abgeholt. Dieser kannte Kazkaz, wie der Lüner erzählt: „Er sagte: ‚Sie kennen mich nicht, aber ich kenne Sie. Sie haben vor zehn Jahren meine Mutter operiert.'“

Kazkaz wurde zunächst ins Zentralkrankenhaus von Gaza, das Al-Shifa Hospital, gebracht. Doch wenig später wurde seine Hilfe schon aus dem „Europäischen Krankenhaus“ in Khan Yunis angefordert: Gleich am ersten Abend im Gaza-Streifen operierte Kazkaz dort bis 2 Uhr morgens.

Viele schlimme Bilder

Insgesamt habe er wohl über 200 Menschen untersucht, erzählt Kazkaz am Montag. Erst am Sonntag war er nach Lünen zurückgekehrt. Im „Europäischen Krankenhaus“ in Khan Yunis im Süden des Gaza-Streifens führte Kazkaz 20 Operationen durch. Deutlich weniger zwar, als bei seinen vorherigen Aufenthalten in Gaza – die größte Zeit während Kazkaz‘ Einsatz galt die Feuerpause.

Nichtsdestotrotz gab es viel Arbeit für den Lüner Arzt – und er sah viele schlimme Bilder. Er operierte Menschen mit Granatsplittern, Kopf- und Schussverletzungen sowie Wirbelsäulenfrakturen, darunter viele Kinder. „Viele Kinder, die verletzt sind, sind noch so klein“, schildert Kazkaz sichtlich betroffen. Einem Dreijährigen mit Wirbelsäulenfraktur habe er nicht helfen können, weil es schlichtweg keine derart kleinen Schrauben gibt.

Zerstörung so weit das Auge reicht

Ein anderes kleines Kind hatte „Splitter von Kopf bis Fuß“, berichtet der 65-Jährige. Und es hatte ein Auge verloren. Als Kazkaz das am Telefon seiner Frau und seiner Tochter schildert, fängt er, der schon vieles gesehen hat, an zu weinen. „Das ist so traurig“, sagt Kazkaz. Drei Menschen, die er operiert, sind so schlimm verletzt, dass er ihnen nicht helfen kann.

Neben seiner Arbeit im Krankenhaus hat Kazkaz aufgrund der Feuerpause auch Zeit, einige umliegende Städte zu besuchen. Aus dem Auto heraus sieht er Zerstörung, so weit das Auge reicht. „Alles rechts und links der Straße ist kaputt, viele Häuser sind komplett zerstört“, erzählt der Lüner. Und: „Das Volk ist richtig sauer auf Israel.“

Kazkaz besucht UNO-Schulen, in die sich viele Menschen im Gaza-Streifen geflüchtet haben. Etwa 60 Leute lebten dort in jedem der Klassenzimmer. Kazkaz selbst wohnte mit anderen Ärzten aus dem Ausland zusammen im „Europäischen Krankenhaus“. In einer Nacht, als geschossen wurde, habe er 50 Raketeneinschläge gezählt, sagt Kazkaz. Irgendwann habe er aufgehört zu zählen.

Einmal schlug morgens eine Rakete in etwa einem Kilometer Entfernung vom Krankenhaus ein. Die Erschütterung war deutlich zu spüren, ein Fenster ging zu Bruch. „Klar hat man dann Angst“, sagt Kazkaz. Jetzt ist Kazkaz – zur Erleichterung seiner Frau und seiner Tochter – erst einmal zurück in Lünen. Schon seit Montag ist er im Lüner St.-Marien-Hospital wieder im Dienst. Im Oktober, das hat Kazkaz den Leuten vor Ort versprochen, will er erneut in den Gaza-Streifen und Menschen helfen.