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TTC Hagen ist der Anti-Gigant der Tischtennis-Bundesliga

TTC Hagen ist der Anti-Gigant der Tischtennis-Bundesliga

Rekordmeister Borussia Düsseldorf sammelt im Tischtennis Titel wie kleine Kinder Muscheln am Strand. Den kompletten Gegenentwurf stellt der TTC Hagen. Mit der Unterstützung von Ehrenamtlichen, wenig Geld und einem Spielertrainer startet er in seine zweite Bundesliga-Saison.

Hagen. 

Den Tischtennis-Bundesligisten TTC Hagen beim gemeinsamen Training zu besuchen, ist schwierig. Sogar unmöglich. Zusammen kommt das Team nur bei Meisterschaftsspielen. Neuzugang Ricardo Walther trainiert im Leistungszentrum von Borussia Düsseldorf, der Rumäne Ovidiu Ionescu, der seine zweite Saison in Hagen spielt, lebt in Bremen und trainiert bei Werder. Die neue Nummer eins, der Taiwanese Chiang Hung-Chieh, sitzt sogar noch in Asien fest. Erst brauchte ihn sein Verband, dann gab es Probleme mit dem Visum.

Beim ersten Heimspiel seines neuen Klubs gegen den PSV Mühlhausen wird der Mannschafts-WM-Dritte heute (19 Uhr) fehlen – genauso wie zuvor gegen den TTF Liebherr Ochsenhausen. Für ihn stellt sich Trainer Andreas Fejer-Konnert an den Tisch. Weil der TTC Hagen sich einen Ersatzspieler genauso wenig leisten kann wie ein Trainingszentrum, setzt der Bundesligist auf das Prinzip Spielertrainer. Seit sechs Jahren coacht der 50-jährige Sportlehrer den TTC, früher war er rumänischer Meister und Bundesliga-Spieler, zuletzt beim TTF Bad Honnef.

Den Verein findet man in der Bundesliga schon lange nicht mehr. Und auch den Profi-Spieler Fejer-Konnert sollte es nicht mehr geben. Nach einer Operation am Fußgelenk lautete das Urteil: Sportinvalide. „Ich sollte froh sein, überhaupt wieder laufen zu können“, erzählt er, „aber ich habe nicht aufgegeben.“ Mühsam arbeitete er sich zurück: Oberliga, Regionalliga, zweite Liga. In der vergangenen Saison gab er sein Bundesliga-Comeback. Nach 15 Jahren. „Ich bin wieder da, wo ich damals aufgehört habe. Das habe ich mir erträumt“, sagt er. Auch vor zwei Wochen gegen Ochsenhausen stand er am Tisch – allerdings erfolglos, Hagen verlor 0:3. „Es ist schwierig für mich. Ich bin immer sehr nervös. Die Jungs sind auf einem anderen Level, also muss ich kämpfen.“

Überraschungen wie gegen Borussia Düsseldorf sollen häufiger gelingen

Anders geht es in Hagen eben nicht. Der TTC lebt vom Ehrenamt. Zahlen nennt Manager Horst Bartelmeß zwar nicht, aber er ist sich sicher: „Wir haben deutlich weniger Geld als andere Bundesligisten.“ Ein Vergleich mit Branchenprimus Borussia Düsseldorf? „Nein, das ist wie Äpfel und Birnen.“

2013 schaffte Hagen den Sprung in die Bundesliga. Von Anfang an galt der Verein als Außenseiter. Kein zahlender Sponsor im Namen wie etwa bei Ochsenhausen, kein Publikumsmagnet wie Düsseldorfs Top-Star Timo Boll im Team. Zu einem Heimspiel kommen durchschnittlich 180 Fans. Beim Eröffnungsspiel der Borussia waren es zuletzt 1100 Zuschauer. Die Spielstätte, die Enervie-Arena, teilt sich der TTC mit dem Basketball-Bundesligisten Phoenix Hagen.

Nicht selten erhält der bei der Spielplangestaltung Vorrang. So auch heute: Der TTC empfängt Mühlhausen in der Stadthalle. Trotz allem schaffte der Klub den Klassenerhalt, sicherte sich den letzten Nicht-Abstiegs-Platz und spielt seine zweite Bundesliga-Saison. Diesmal soll es nicht so knapp werden. Das Team hofft, häufiger komplett antreten zu können, der Coach soll sich auf seine Kernkompetenz beschränken können. Seine Hauptaufgabe ist es, aus den flüchtigen Bekannten eine Mannschaft zu formen, ihnen „Teamspirit“ mitzugeben. Nur so, sagt er, gelingen Überraschungen.

Wie etwa das 3:1 in der vergangenen Hinrunde gegen Rekordmeister Borussia Düsseldorf. Bei dem Gedanken an das Spiel wird das Grinsen von Ovidiu Ionescu (25) so breit wie sein Tischtennisschläger. Neckisch sticht er Ricardo Walther in die Seite. Der spielte damals noch für die Borussia.

Ricardo Walther in Hagen kurz vor dem Durchbruch

„Es ist falsch, Hagen immer zu den Abstiegskandidaten zu zählen“, findet der, „wenn wir komplett spielen, haben wir in jedem Spiel Chancen.“ Der 22-jährige B-Nationalspieler kam im Düsseldorfer Topteam nur selten zum Einsatz, in Hagen ist er gesetzt. „Er wird hier den Durchbruch schaffen“, sagt Fejer-Konnert. Wo er dafür trainiert, sei zweitrangig. „Tischtennis ist am Ende Einzelsport“, sagt Walther. Dass die Jungs sich trotzdem gut verstehen werden, da hat Ionescu keine Zweifel: „Wir werden zusammenfinden, spätestens beim Playstation-Spielen“, sagt er und lacht. Wenn einer das Geheimnis des Hagener Teamspirits kennt, dann er.