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Warum das Baden in Nord- und Ostsee so gefährlich ist

Warum das Baden in Nord- und Ostsee so gefährlich ist

Binnen einer Woche sind in der Ostsee beim Baden acht Menschen ertrunken. Starke Winde und hohe Wellen gepaart mit einer sehr starken Strömung machen das Schwimmen in den deutschen Meeren aktuell lebensgefährlich. Die DLRG kritisiert indes das Verhalten vieler Badegäste, die Warnhinweise ignorieren.

Es sind schlimme Nachrichten, die sich wie dunkle Wolken vor das Badevergnügen an Deutschlands Küsten geschoben haben: In Nord- und Ostsee ist Schwimmengefährlich, an der Ostsee ertranken binnen einer Woche acht Menschen – vor Rügen, Scharbeutz oder Hiddensee. Die teils starken Winde, die hohen Wellen und die starke Strömung – die übrigens auch die Nordsee betreffen – sind die eine Seite der Medaille. Die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) übte zuletzt gegenüber dem Hamburger Abendblatt aber auch scharfe Kritik am Verhalten der Badegäste. Wir sprachen mit Gerd Korditzke, Vorstandsmitglied der DLRG Westfalen, über die aktuellen Vorkommnisse an der Ostsee.

Herr Korditzke, warum unterschätzen denn offensichtlich so viele Menschen die Kraft des Wassers?

Gerd Korditzke: Weil vieles, was im Meer passiert, für den Menschen nicht auf den ersten Blick zu erkennen ist.

Was macht das Meer denn manchmal so gefährlich?

Korditzke: Es sind ja nicht allein die Wellen, die für die Urlaubsgäste eine Gefahr darstellen. Vielmehr ist es die Unterströmung unter der Wasseroberfläche, die so problematisch ist. Die Rückströmung der hohen Wellen zieht einem oft genug einfach die Beine weg. Durch sie wird man raus auf das offene Meer gezogen, und das ist sehr gefährlich, wenn man sich nicht richtig verhält.

Was kann ich denn tun, wenn mich doch eine Strömung gepackt hat?

Korditzke: In jedem Fall die Ruhe bewahren und nicht dagegen ankämpfen. Das Gebiet, in dem Strömungen auftreten, ist meist nicht sehr groß. Im Zweifel lassen Sie sich ein paar Meter raus treiben oder schwimmen aus der Strömung, um an anderer Stelle zurück zu schwimmen. Sollte dies nicht gehen, warten Sie auf Hilfe. Wahrscheinlich wird man Sie nicht hören, deswegen machen Sie sich am besten durch Winken bemerkbar.

Ist es vor allem jugendlicher Leichtsinn, der eben eher Heranwachsende in Gefahr bringt, oder schützt auch Alter vor falschem Verhalten nicht?

Korditzke: Es war ja im Zusammenhang mit den Vorkommnissen an Nord- und Ostsee zu lesen, dass sogar Familien mit Kindern trotz der Warnungen schwimmen gegangen sind. Allgemein gesprochen lässt sich sagen, dass hinsichtlich der Badeunfälle ältere Männer ab 50 Jahren betroffen sind, weil hier oft auch gesundheitliche Probleme mit eine Rolle spielen. Die Stichworte Überanstrengung und Herzinfarkt sind da zu nennen. Gerade diese Gruppe sollte eigentlich also besonders aufpassen und sich zurückhalten, wenn vor den Verhältnissen gewarnt wird, beispielsweise durch rote Flaggen, die eine erhöhte Gefahr durch Witterung und Wasser und somit eine Gefährdung des Menschen signalisieren.

Sie sprechen die roten Flaggen an: Die scheinen niemanden zu stören. Das Beispiel Ostsee am vergangenen Wochenende hat gezeigt, dass man trotzdem einfach ins Wasser geht.

Korditzke: Das ist leider so, sie werden teilweise ignoriert. Natürlich ist es ärgerlich, wenn ich meinen Sommerurlaub am Meer verbringe und ich darf dann nicht schwimmen. Da wird dann schnell gesagt: Mein Gott, das bisschen Wind.

Oder auch: Mein Gott, ich habe hier meine Kurtaxe bezahlt, also wird das hier auch sicher sein?

Korditzke: Mag sein, aber davon darf man natürlich nicht ausgehen. Die DLRG macht zwar das Schwimmen sicherer, kann aber nicht ausschließen, dass nicht auch der schlimmste Fall eintreten kann. Und gerade bei auflandigem Wind, wie er in diesen Tagen an Nord- und Ostsee geherrscht hat, passiert schnell etwas, weil die Wellen schnell hintereinander kommen.

Mal ganz abgesehen davon, dass ich natürlich auf gehisste Flaggen achten kann: Wenn ich vorsichtig ins Meer hineinlaufe – verrät das Meer auch mir, dem Laien, ob ich aufpassen muss?

Korditzke: Ja, auf jeden Fall. Gehen Sie langsam ins Meer, bis zu den Knöcheln oder den Knien, und bleiben Sie auf der Stelle stehen. Dann werden Sie merken, ob das Wasser unruhig ist. Und Sie werden merken, wie der Sand aufgrund der Unterströmung weggezogen wird. In den vergangenen Tagen war es eben sehr extrem. Und wo wir gerade dabei sind: Abkühlen vor dem Gang ins Wasser nicht vergessen, wegen des Temperaturunterschieds von Sonne und Wasser.

Täuscht der Eindruck, dass das Fehlverhalten der Menschen im Badeurlaub zunimmt und mehr Menschen ertrinken?

Korditzke: Das ist schwer zu sagen. Die vermehrten Unfälle jetzt sind sicher dem Wetter geschuldet. Es ist heiß, da häufen sie sich eben, weil es viele Menschen ans Wasser zieht. Wir hatten im vergangenen Jahr auch eine Phase von, ich glaube 14 Tagen, wo es vermehrt zu Unfällen gekommen ist. Leider muss man davon ausgehen, dass, wenn die Wetterlage so bleibt, es weitere traurige Nachrichten dieser Art geben wird.

Wie lässt sich das verhindern? Rote Fahnen, Lautsprecherdurchsagen – und trotzdem gehen die Leute schwimmen. Nur ist ja nicht verboten, sich selbst in Gefahr zu begeben.

Korditzke: Aber meistens werden ja auch andere Menschen in Gefahr gebracht, die vielleicht helfen wollen. Die DLRG fährt mit Rettungsbooten raus und holt die Leute aus dem Wasser. Wenn wir dies allein nicht mehr leisten können, oder wenn keine Boote vor Ort sind, fordern wir überregionale Hilfe an.