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Saisonarbeiter bei den Schönen und Reichen in St. Tropez

Saisonarbeiter bei den Schönen und Reichen in St. Tropez

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Foto: Helge Sobik
An der Côte d’Azur kostet die Flasche Champagner im Beach Club gerne mal 3000 Euro. Hohe Summen können Parkwächter auch an Trinkgeldern verdienen.

St. Tropez.. 

Für Marie Mouret ist am Strand von St.Tropez immer ein Platz reserviert – sogar für ihr Auto, selbst im Hochsommer, sogar bei größtem Andrang und, wenn auf dem öffentlichen Stellplatz hinter den Dünen zehn Schritte vom Beach-Club „Key West“ seit Stunden gar nichts mehr geht. In erster Reihe, sogar mit Meerblick, gleich neben der Einfahrt. Das ist der von Marie Mouret. Mit einem Absperrband ist der kostbare Parkplatz gesichert, damit ja kein anderer mal eben seinen Porsche Cayenne abstellt

Marie kommt jeden Tag und parkt ihren silbernen Toyota Yaris mit Schwung ein. Seit 15 Jahren geht das schon so, immer von Ostern bis Mitte Oktober. Marie Mouret arbeitet als Parkwächterin an der Plage de Ramatuelle, hockt im Kassenhäuschen an der Schranke, sammelt 4,40 Euro Parkgebühr fürs Tagesticket ein – egal, ob vom Millionär mit Lamborghini oder vom ewigen Studenten mit Uralt-Renault. Was für Autos hier abgestellt werden? „Keine Ahnung“, sagt sie und lacht. „Dafür habe ich mich nur den ersten Sommer interessiert.“

„Ablöse? Nie gehört“

Was ihren Job von dem all der anderen Saisonarbeiter an Frankreichs exklusivstem Sandstrand, an gut fünf Kilometern Küste unterscheidet? Dass es kaum Trinkgeld gibt! „Die Leute finden Parkgebühren lästig, irgendwie ärgerlich. Sie zahlen passend oder lassen sich korrekt herausgeben – obwohl manche von ihnen dann im Beach Club eine Flasche Champagner für 3000 Euro ordern.“

Ganz anders ist das schräg gegenüber bei Christopher Ferreira, der seit 20 Jahren die Fahrzeuge der Gäste des „Club 55“ einparkt – in der Saison so eng, dass kaum noch ein Blatt Papier dazwischen passt: „Ich habe einfach Glück gehabt mit diesem Job. Ein Freund hatte mir damals erzählt, dass die Stelle zu haben ist.“ Ob er seinerzeit Ablöse an seinen Vorgänger zahlen musste? Er schaut überrascht, sagt schließlich: „Nie davon gehört.“

Neureiche ohne Ahnung von gutem Stil

Tatsächlich halten sich hartnäckig Gerüchte, wonach bis zu sechsstellige Ablösesummen für die trinkgeldintensivsten Strandjobs geboten werden – immer vorausgesetzt, der Arbeitgeber ist bereit, den Alten ziehen zu lassen und den Neuen einzustellen. Warum so viel Geld fließt? Weil es sich lohnt. Weil schnell zehn, 20 Euro fürs Ein- und Ausparken den Besitzer wechseln. Und weil es Neureiche gibt, die keine Ahnung von gutem Stil haben und einem Parkwächter dafür auch mal einen Hunderter in die Hand drücken oder einen Strandkellner mit einem 50-Euro-Schein für die Drinks danken. Die wirklich Berühmten sind nicht geizig, aber deutlich bescheidener im Auftritt – und die Indiskreten kommen ohnehin eher von der Wasserseite: per Boot, falls man bei einer 50-Meter-Jacht noch von „Boot“ sprechen kann. Sie lassen ihre Schiffe so nah wie möglich ans Ufer heranmanövrieren und steigen unter den Augen aller, die unbedingt hinschauen wollen, für die letzten 30, 40 Meter in ein Beiboot mit Außenborder um.

Besonders begehrt sind Stellen als sogenannter „Plagist“, ein Beruf, der nicht mit einem Wort zu übersetzen ist. Jeder Beach Club beschäftigt so jemanden: meistens ein Schrank von einem Kerl, immer ein ausgebildeter Rettungsschwimmer. Plagisten sind morgens die ersten am Strand, bauen die Liegen auf, rücken Polster zurecht, klappen die Sonnenschirme auf – und sie stellen sicher, dass ihre Stammgäste auch den jeweiligen Lieblingsplatz bekommen.

Mathieu Lany fährt Roller, Gerard Bartolo geht zu Fuß

Mathieu Lany ist durch Zufall an diesen Job im „Key West“ geraten: „Du musst ein paar Mal da gewesen sein, das geht über die persönliche Ebene. Da gibt es keine Muster-Laufbahn.“ Lany hat erst mit acht Jahren Schwimmen gelernt, hat längst das Rettungsschwimmer-Diplom in der Tasche und ist seit sechs Jahren Plagist. Er lacht. „Dabei war ich anfangs ein richtig schlechter Schwimmer.“ So einer wie die, die er heute aus dem Wasser ziehen oder zumindest ständig im Blick behalten würde. Und das Trinkgeld? „Wir hier schmeißen nach Feierabend zusammen, was jeder bekommen hat, und teilen es dann auf. Da ist egal, ob Du Plagist bist oder Kellner oder Koch.“ Einen Nachteil hat der Job übrigens auch: „Bei schönem Wetter hast Du an diesem Strand ein echtes Parkplatzproblem. Außer du machst Marie Mourets Job.“ Lany kommt mit dem Roller.

Jung zu sein, ist hier nicht Pflicht. Schön zu sein, wird gern gesehen, aber ist kein Muss. Und hip ist, wer sich dazu erklärt. Jeder darf so sein, wie er will. Sogar der schwarze Strandhändler, der sich Sergio nennt, hat graue Locken – und anders als anderswo in der Welt keine falschen Rolex im Sortiment. Die Leute hier haben echte, da macht man sich mit einer falschen vom Strandhändler am Handgelenk schnell lächerlich. Und deren Anbieter ebenso.

Sich selbst an der See in Szene setzen

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Gerard Bartolo ist seit über 30 Jahren Plagist und hat so ziemlich alles erlebt, was einem dieser Job bescheren kann. Diesen Nachmittag lehnt er nun am Tresen des Plagisten-Bereichs, hat das Fernglas griffbereit, daneben eine Halbliterflasche Mineralwasser. Er schaut aufs Wasser, die Wellen, die Jachten, auch auf die Leute auf den Liegen. Er ist braun gebrannt, trägt mit Absicht ein viel zu enges rotes T-Shirt, genießt die Rolle als Sonnyboy. Bartolo dürfte Anfang oder Mitte 50 sein, hat sich gut gehalten und scheint es zu genießen, sich gänzlich unaufdringlich als Gesamtkunstwerk an der See in Szene zu setzen.

Ob es Frauen gibt, die ihn nach seiner Handy-Nummer fragen? Jetzt grinst er. „Ist schon mal vorgekommen“, sagt er. „Aber in der letzten Zeit ein bisschen weniger geworden.“ Was für ein Auto Bartolo fährt? Wie er am Feierabend nach Hause kommt? Er geht zu Fuß, läuft über den Strand. Das ist am Schönsten. Und gut für den Teint.