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Nostalgie und Kulinarik – im Oldtimerbus durchs Mittelrheintal

Nostalgie und Kulinarik – im Oldtimer durchs Mittelrheintal

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Am Mittelrhein zwischen Bingen und Koblenz fühlt man sich um Jahrzehnte zurück versetzt. Passend dazu lässt sich die Region im Oldtimerbus erkunden.

Bacharach. 

Busfahrer Guido Kelders nimmt den Steckschlüssel, steigt aus dem 1953er Setra, läuft um den Bus herum und öffnet die Heckklappe auf der Fahrerseite. Er beugt sich hinein und drückt das Werkzeug an einen bestimmten Punkt in der Karosserie. Es klickt einmal kaum hörbar, dann läuft er zurück, steigt wieder ein und setzt sich hinters Lenkrad. Im Bus läuft bereits der Schlager „Marina” in der Version von 1959, gesungen von Will Brandes; der Kurzschluss hat auch das Autoradio in Gang gesetzt. Die Mittagssonne brennt unerbittlich auf das unklimatisierte Fahrzeug, während Guido Kelders langsam auf die Fähre nach Rüdesheim rollt. Die Busgäste benutzen die Speisekarten der „Kulinarisch-vinologischen Reise im Oldtimerbus durch das Welterbetal” als Fächer. Es bringt nicht wirklich was. Die Luft steht trotzdem. Nostalgie kann ganz schön anstrengend sein. „Marina, Marina, Marina…”

Die Tour im Oldtimerbus ist Teil der Initiative „Mittelrhein-Momente” und führt einmal durch die ganze Welterberegion. Unterwegs servieren regionale Gastronomen und Winzer ihre Spezialitäten. Sie sollen zeigen, dass die Region zwischen Bingen und Koblenz mehr zu bieten hat, als vermeintlichen Billigtourismus. Seit 2002 gehört das Obere Mittelrheintal zum Unesco-Weltkulturerbe. Doch das Erbe wiegt anscheinend schwer. Einst rheinromantische Orte wie Bacharach wirken aus der Zeit gefallen. Und dann ist da noch Rüdesheim. Der Weinort im Rheingau kämpft mit dem „Drosselgassen”-Image, das auf die ganze Region ausstrahlt.

Gute Küche ist nicht schwer zu finden

Auch Guido Kelders und sein Setra streifen den vermeintlichen Hort des Asbach getränkten Sauftourismus um Reifenbreite. Station wird hier gar nicht gemacht. Dass er diesen Umweg über Rüdesheim machen muss, wo am Feiertagswochenende mächtig was los ist, schmeckt Kelders darum auch nicht. Auf der Fähre nähert sich ein älterer Herr mit leuchtenden Augen und Enkelchen auf dem Arm dem alten Bus, der natürlich ein Blickfang ist. „Guck mal”, sagt der von Nostalgie überwältigte Senior zu dem irritierten Kleinkind. „Opa hat auch noch so einen alten Käfer zu Hause.” Kelders verdreht genervt die Augen. „Wer auf einmal alles noch einen alten VW-Käfer hat, ich kann es nicht mehr hören”, brummt er missmutig.

Der Busunternehmer hat mehr als ein Dutzend der alten Fahrzeuge auf seinem Betriebshof stehen. Sie in Schuss zu halten ist ein anstrengender Fulltime-Job, nicht zu vergleichen mit Opas Garagenschrauberei. Jedes andere Fahrzeug auf der Straße ist eine potenzielle Gefahr für den aufwändig restaurierten Bus. Dementsprechend steht Kelders unter Stress, als sich Autos, Motorräder und Fahrradfahrer von dem Schiff drängeln und scheinbar keine Rücksicht mehr auf den Oldtimer nehmen. Erst als sich die Tour dem rechtsrheinischen Kaub nähert, stellt sich langsam Entspannung ein. Im Restaurant „Zum Turm” wartet „Chartreuse von Edelfischen und Hummer an Riesling-Tester-Schaum”. Das könnten viele Rüdesheim-Touristen wahrscheinlich nicht mal richtig aussprechen.

Die zehnstündige Rundfahrt kann anstrengend werden

Tatsächlich ist gute Küche am Mittelrhein gar nicht schwer zu finden. Leute wie Andreas Stüber vom gleichnamigen Rheinhotel in Bacharach haben darum keine Lust mehr auf die alte Mär von der kulinarischen Diaspora. Lieber preist er sein „Mediterrheines Vitello Tonnato” an, für das er Frischlingsrücken sieben Stunden lang auf Niedertemperatur gart und es dann mit einer Crème von Forelle aus dem nahen Wispertal garniert. Mit der gleichen Begeisterung erzählt er vom Surfen auf dem Rhein vor Bacharach. Ja, es weht durchaus frischer Wind am Mittelrhein, wo die schweren Balken der dunklen Fachwerkhäuser, die massigen Burgen und die allgegenwärtige altdeutsche Schrift viel Leichtigkeit genommen haben.

Auch die Nostalgie-Busfahrt soll davon etwas zurückbringen und moderne Gastronomie mit dem Charme der 50er-Jahre mischen. Insgesamt zehn Stunden dauert die ganze Rundtour, die bei warmem Wetter schnell anstrengend werden kann. Dafür entschädigen das sehr gute Essen und die Weine aus der Region, die von den Winzern persönlich vorgestellt werden. Und wer sich davon mal ein Gläschen mehr einschenken lässt, summt irgendwann auch beschwingt bei „Marina” mit.