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MSC Deutschland-Geschäftsführer Michael Zengerle im Interview

Michael Zengerle über MSC als „mediterrane Reederei“

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„Die Kreuzfahrt ist einst mit einem einzigen Standard-Produkt gestartet, heute gibt es die maximale Vielfalt“, freut sich MSC Deutschland-Geschäftsführer Michael Zengerle. Im Interview spricht er über die Folgen des Costa Concordia Unglücks und die Entwicklungen in der Kreuzfahrt-Branche.

Essen. 

Die Reederei MSC, die größte konzernunabhängige Kreuzfahrtgesellschaft der Welt, begibt sich auf neues Terrain. Mit einer massiven Angebotserweiterung von Nordland- und Ostseefahrten ab Hamburg und Kiel will sie ihren Anteil an deutschen Gästen erheblich steigern. Wir sprachen mit Deutschland-Geschäftsführer Michael Zengerle.

Seit einem halben Jahr leiten Sie die Deutschland-Geschäfte von MSC Kreuzfahrten, zuvor waren Sie als Geschäftsführer von Norwegian aktiv. In welchem Zustand haben Sie die Reederei angetroffen, als Sie die Stelle angetreten haben?

Michael

Zengerle:

Ich habe ein sehr engagiertes Team übernommen, welches bereits eine enorme Aufbauarbeit geleistet und MSC als führenden Anbieter von Kreuzfahrten im deutschen Markt etablieren konnte. Meine Aufgabe besteht nun darin, das Bewährte beizubehalten und neue Entwicklungen aufzugreifen.

Konkret?

Zengerle:

Wir haben beispielsweise gerade unsere Webseite so umgestellt, dass ab sofort auch bei uns die Online-Buchungen möglich sind. Bislang war MSC ausschließlich über Reisebüros buchbar.

Bieten Sie künftig also günstigere Reisen an als die Reisebüros?

Zengerle:

Nein. Wir haben über alle Buchungskanäle Preisparität. Aber unabhängig davon wollen viele Endverbraucher direkt bei uns buchen.

Als Geschäftsführer von NCL waren Sie Teil eines internationalen Kreuzfahrtkonzerns. MSC ist nach wie vor ein Familienunternehmen. Welches Modell ist aus Ihrer Sicht erfolgreicher?

Zengerle:

Hier bei MSC verfügen wir über kurze und sehr schnelle Entscheidungswege, was ich als sehr positiv erachte. Ebenso wie die Tatsache, dass sich die Leidenschaft und auch das know-how der Inhaberfamilie auf die Mitarbeiter überträgt. Welches Modell aber letztlich das bessere oder schlechtere ist, vermag ich nicht zu sagen. Am Ende entscheidet, glaube ich, die Produktqualität.

Stichwort Positionierung. MSC ist hierzulande bislang als italienische Reederei bekannt. Nach der Costa-Havarie nicht gerade ein Prädikat, mit dem man in Deutschland punkten kann.

Zengerle:

Da muss ich widersprechen. Das Unglück hatte für uns keine Negativfolgen bezogen auf die Buchungsentwicklung. Unabhängig davon sind wir aber schon länger dabei, unser mediterranes Bordleben in den Mittelpunkt zu stellen. Natürlich finden Sie bei uns auch italienische Elemente wie einen Cappuccino oder Pastaspezialitäten. Aber die richtige Klammer ist für uns das mediterrane Lebensgefühl im Allgemeinen und weniger die italienische Kreuzfahrtkultur im Speziellen.

„Es ist eine Mär, dass der Deutsche ausschließlich auf ein rein deutschsprachiges Schiff will“ 

Und damit treffen Sie die Bedürfnisse der deutschen Kundschaft?

Zengerle:

Richtig. Es ist eine Mär, dass der Deutsche ausschließlich auf ein rein deutschsprachiges Schiff will. Gerade die jüngeren Gäste mögen das internationale und mediterrane Flair, was wir bieten. Und auf Routen, auf denen wir viele deutsche Gäste an Bord haben, gehen wir ja schon gesondert auf die nationalen Wünsche ein. Auf unseren Abfahrten ab Deutschland sind eine ganze Reihe deutscher Biersorten, Vollkornbrot, deutschsprachige Ausflüge und deutsche TV-Sender selbstverständlich.

Aktuell liegt Ihr Anteil deutscher Gäste auf den Kurzkreuzfahrten ab Hamburg bei über 90 Prozent. Warum trauen Sie sich nicht zu, ein MSC-Schiff komplett für den deutschen Markt abzustellen?

Zengerle:

Natürlich könnten wir. Aber wir sind derzeit nicht davon überzeugt, dass es der richtige Schritt wäre. Wir haben schließlich eine enorme Kompetenz, die verschiedenen Kulturen und die Bedürfnisse unserer Gäste gleichzeitig an Bord zu befriedigen. Da unterscheiden wir uns von den rein deutschen Reedereien.

Immerhin sind Sie die erste Reederei, die Helgoland als regelmäßigen Anlaufpunkt aufgenommen hat. Was versprechen Sie sich davon?

Zengerle:

Helgoland laufen wir in diesem Sommer insgesamt elf Mal an, darauf sind wir sehr stolz. Wir wollen uns damit vom Wettbewerb abheben und etwas Besonderes bieten. Insgesamt sind es sogar 21 neue Routen, die wir in dieser Saison neu ab Deutschland anbieten, etwa nach Spitzbergen, Island oder Irland. Auch 2013 werden wir ein ähnlich starkes Deutschland-Programm bieten, dann mit unserem ganz neuen und noch größeren Schiff, der MSC Magnifica.

Aida-Chef Michael Thamm bereitet gerade alles vor, um schon in naher Zukunft ganzjährige Abfahrten von deutschen Häfen aus anbieten zu können. Ist dafür die Zeit schon reif?

Zengerle:

Ich finde es sehr gut, wenn mit solchen Innovationen und Ideen unser Markt wichtige Entwicklungsimpulse erhält. Und prinzipiell kann ich es mir vorstellen, dass es funktioniert, auch im November Kreuzfahrten ab Hamburg anzubieten. MSC Kreuzfahrten hat es ja auch geschafft, das Mittelmeer zu einer Ganzjahresdestination zu entwickeln.

In Deutschland überlassen Sie diesen Schritt aber Aida?

Zengerle:

Wir schauen uns die Entwicklung zunächst an. Für einen erfolgreichen Wintereinsatz werden ja auch die richtigen Schiffe benötigt. Prinzipiell verfügen wir mit den Schiffen der Fantasia-Klasse, die einen komplett überdachten Poolbereich bieten, über diese Hardware.

Wie stehen Sie zur laufenden Umweltdebatte? Ab 2020 soll der Einsatz von Schweröl nicht mehr gestattet sein.

Zengerle:

Wir erfüllen die aktuellen gesetzlichen Vorgaben. Was die künftigen Anforderungen angeht, müssen die Vorläufe gegeben sein, um die erforderlichen Umrüstungen vornehmen zu können.

Sind Sie also vorbereitet?

Zengerle:

Gehen Sie davon aus, dass wir alles tun, was wirtschaftlich sinnvoll und technisch möglich ist.

Die ganze Branche ist auf Wachstum ausgelegt. Ihr Mittel zum Erfolg?

Zengerle:

Über Differenzierung, Innovation, einer guten Hardware und einer starken Marke. Die Kreuzfahrt ist einst mit einem einzigen Standard-Produkt gestartet, heute gibt es die maximale Vielfalt. Wir möchten mit unseren Angeboten möglichst viele Zielgruppen auf einmal erreichen. So bieten wir auf den Schiffen der Fantasia-Klasse den exklusiven MSC Yacht Club, der innerhalb eines Schiffes ein zusätzliches Bordkonzept mit Suiten, Butler-Service und Spezialitätenrestaurants bietet.

Interview:

PASCAL BRÜCKMANN