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Kalabrien zum Mitnehmen im Düsseldorfer Feinkostladen

Kalabrien zum Mitnehmen im Düsseldorfer Feinkostladen

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Foto: Privat
Gianni Sammarro führt einen kalabrischen Feinkostladen. Er ist jeden Sommer in Kalabrien und kann von Begegnungen und Besonderheiten erzählen.

Essen. 

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eine Mutter ist Niederländerin, sein Vater Italiener, seine Frau Lai hat asiatische Wurzeln: In Gianni Sammarros Familie sind die Kulturen bunt gemischt. Das setzt sich auch im „Gattogiallo“ fort, dem kalabrischen Feinkostladen, den Lai Sammarro-Leung in Düsseldorf betreibt. Ein Gespräch über Stilmus mit Salsiccia, abenteuerliche Begegnungen mit süditalienischen Schäfern und warum Rückständigkeit manchmal ein Vorteil ist.

Herr Sammarro, das Gattogiallo hatte gerade vier Wochen Betriebsferien. Richtigen Urlaub hatten Sie aber nicht, oder?

Gianni Sammarro: Ja und nein. Wir fahren jeden Sommer nach Kalabrien, um Kontakt zu den Betrieben zu halten, mit denen wir zusammenarbeiten, schauen uns an, wie sie arbeiten oder stöbern neue Betriebe auf. Das ist natürlich Arbeit. Andererseits wohnen meine Eltern und mein Bruder dort. Einen Teil unserer Zeit verbringen wir also auch damit, Freunde und Verwandte zu besuchen.

Sie arbeiten als Lehrer, Ihre Frau ist gelernte Architektin. Wie kam sie darauf, sich mit italienischer Feinkost selbstständig zu machen?

Sammarro: Die Idee hatte sie schon lange, weil sie seit Jahren mit dem Thema konfrontiert wird. Meine Eltern wohnen mitten auf dem Land, hinterm Zaun werden Schafe gehütet. Als ich jünger war, habe ich geholfen, Auberginen fürs ganze Jahr einzumachen. Man war einfach immer von so tollen Sachen umgeben, dass meine Frau irgendwann dachte, daraus müsste man doch was machen.

Bei der Fülle an guten Zutaten fällt die Entscheidung sicher schwer. Worauf achten Sie bei der Auswahl Ihrer Produkte?

Sammarro: Auf Italienisch nennen wir das „Chilometro zero“, also 0 Kilometer. Das sind Betriebe, die ausschließlich lokal arbeiten, ihr eigenes Vieh haben. Worauf wir keine Lust haben, sind zum Beispiel Wurstbetriebe, die zwar tolle Sachen herstellen, wo wir aber nicht sehen können, wie die Schweine gehalten werden.

Diese Einstellung teilen immer mehr Verbraucher. Ein bisschen scheint es aber auch schick geworden zu sein, „Bio“ zu kaufen.

Sammarro: Witzigerweise ist das, was hier irgendwie auch Mode ist, in Kalabrien ganz normal. Man musste sich nicht erst zum artgerechten Wirtschaften hinentwickeln, weil man dort immer noch nach althergebrachten Landbaumethoden arbeitet. Die Rückständigkeit ist jetzt ein Vorteil. Auch Bio wird dort von vielen als genuine Produktqualität verstanden. Man will wissen, was drin ist, was man seinem Körper zuführt.

Wie finden Sie eigentlich die Betriebe, die genau diesen Anforderungen entsprechen?

Sammarro: Weil mein Bruder Luca vor Ort den Einkauf organisiert, haben wir inzwischen ein relativ großes Netzwerk. Als wir vor zweieinhalb Jahren angefangen haben, funktionierte das aber vor allem per Trial and Error: einfach durch die Gegend fahren, an einem Feldweg abbiegen und schauen, was es gibt.

Und was entdeckt man dann so hinter dem nächsten Busch?

Sammarro: Ein Schweinezüchter hat uns zum Beispiel mal erklärt, woher er seinen Käse bezieht. Wir haben uns auf den Weg gemacht und sind bei einer echten Klitsche gelandet. Der Schäfer und seine Familie haben noch per Hand in den Eimer gemolken. Allen war klar, dass wir nicht ins Geschäft kommen konnten, aber er hat uns trotzdem auf die Terrasse eingeladen, Käse aufgeschnitten, Wein aufgemacht. Einfach weil er Spaß an der Gesellschaft hatte.

Dieses Lebensgefühl, bringen Sie sich das mit dem eingelegten Gemüse, Olivenöl oder Schinken auch ein Stück weit nach Düsseldorf?

Sammarro: Ein bisschen schon. Meine Eltern haben immer regelmäßig Carepakete aus Italien geschickt. Und ein gutes Geschäft bietet sowieso die Möglichkeit, in eine andere Welt zu tauchen. Bei uns kann man sich diese Welt dann auch noch mit nach Hause nehmen.

Oder gleich vor Ort probieren: Ihre Frau kocht täglich Mittagessen. Da wird dann auch mal Stilmus mit Salsiccia gemischt.

Sammarro: Da ist sie nur konsequent. Wir können ja nicht hingehen und uns in Italien darum kümmern, dass dort auf eine bestimmte Art produziert wird, und dann hier den rheinischen Bauernmarkt ignorieren. Unsere Familie ist ja ein „Clash of Cultures“ und das macht uns auch aus: Wir haben gleichzeitig eine Innen- und eine Außenperspektive – wie Fische, die halb ins und halb aus dem Wasser gucken.

Bleiben wir mal allein in Italien: Wonach schmeckt eigentlich Kalabrien?

Sammarro: Zum Beispiel nach Frese. Meine Frau hatte da einen guten Riecher. Ich hätte es ja nicht für möglich gehalten, dass den Leuten das gefallen könnte. Das ist ein Hirtenbrot, das so trocken ist wie Zwieback, mit Wasser und Olivenöl angemacht und dann nach Belieben belegt wird. Alle Familien haben das im Haus, weil es endlos lange haltbar ist. Mir schmeckt’s auch, aber das Interessante für die Kunden ist wohl die Geschichte drumherum, dass sie was gezeigt bekommen.

Was haben Sie denn eigentlich auf Ihrer jüngsten Tour an neuen Leckereien entdeckt?

Sammarro: Diesmal waren wir vor allem damit beschäftigt, mit befreundeten Fotografen an einem Reisekochbuch zu arbeiten. Wir waren in den verschiedensten Küchen: bei Bäuerinnen zu Hause und bei ambitionierten Spitzenköchen, die zum Teil schon in Paris gekocht haben und jetzt in der kompletten Gastrodiaspora leben. Und warum? Weil sie ihre Chance darin sehen, in einer Gegend zu kochen, wo sie Meer haben, Gebirgsketten und damit auch Zugriff auf gute Zutaten.

Nach der ganzen Arbeit in den Ferien: Ist in diesem Jahr denn noch mal richtiger Urlaub geplant?

Sammarro: Mehr gewünscht als geplant. Bei uns steht schon seit längerer Zeit die große Asientour auf der Agenda. Zur Abwechslung also mal eine Reise in die Heimat meiner Frau.

Mehr Informationen über das Gattogiallo, die süditalienischen Produzenten und über die Reisen der Sammarros gibt es online: gattogiallo.de