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Polizei warnt vor dreisten Mahnungen von Inkasso-Betrügern

Polizei warnt vor dreisten Mahnungen von Inkasso-Betrügern

Inkasso-Betrüger nutzen von Telefonabzockern gesammelte Personendaten – und fordern von ahnungslosen Bürgern Gebühren für angeblich abgeschlossene Verträge. „Nicht einschüchtern lassen“, empfiehlt die Krefelder Polizei. Sie ermittelt schwerpunktmäßig gegen die Szene.

Krefeld. 

Von 98,77 Euro war im ersten Brief die Rede, fällig für einen angeblich gebuchten „Verbraucherschutzservice“. Brief Nummer zwei kam schon von einem Inkasso-Unternehmen, das mit markigen Worten rechtliche Schritte androht. Nun waren schon 163,67 Euro fällig. Aber wofür eigentlich? Der Angeschriebene soll mit einem Sperrvermerk auf Listen aufgenommen worden sein, die ihn vor aufdringlicher Werbung via Telefon oder Postkarte verschonen. Augenscheinlich Nonsens. „Eine ‘Postkartensperrliste‘ kann gar nicht funktionieren“, sagt Jochen Fier von der Krefelder Polizei.

Halbe Million Euro ergaunert – mindestens

Der Kriminalhauptkommissar leitet die Ermittlungskommission (EK) Call. Seit mehr als vier Jahren setzen Fier und seine Kollegen der kriminellen Callcenter-Szene in der Seidenweber-Stadt mächtig zu. Ein Callcenter nach dem anderen musste schließen. Erst im Dezember haben die Ermittler wieder eines im Stadtteil Fischeln ausgenommen. Die Betreiber, zwei Brüder, sollen mit unlauteren Gewinnversprechen bundesweit mindestens eine halbe Million Euro am Telefon ergaunert haben.

In letzter Zeit müssen sich Fier und seine Kollegen aber nicht nur mit Callcentern, sondern auch verstärkt mit augenscheinlichen Inkassobetrügereien beschäftigen. Das kommt nicht von ungefähr: Die Boom-Zeit der Callcenter-Abzocke ist nach Einschätzung des EK-Leiters mehr und mehr vorbei,. „Auf Anrufe, dass man sich gegen Geld angeblich in möglichst viele Gewinnspiele eintragen lassen kann, fallen immer weniger Bürger rein“, berichtet Polizist Fier.

Aber die in den 90er- und frühen 2000er-Jahren von Callcentern gesammelten Daten zu den von ihnen mehr oder minder erfolgreich angerufenen Personen, die kursieren weiter in der Szene. Sie werden über dubiose Kanäle weiterverkauft – und gerne für Inkassobetrügereien genutzt. Die Kriminellen erfinden dabei neue Produkte, die die Opfer angeblich gebucht haben sollen. Das kann ein „Verbraucherschutzservice“ sein oder eben neuerliche Gewinnspieleintragungen mit ähnlich klingendem Namen: „Aus dem Deutschen Gewinn-Forum von damals wird dann plötzlich der Deutsche Gewinn-Fonds, beides abgekürzt DGF“, berichtet Fier. Manipulierte Telefonmitschnitte von damals sollen belegen, dass der Angerufene Ja zu einer Teilnahme bei DGF gesagt hat.

Die Inkasso-Betrügereien funktionieren wie zuvor die Telefonabzocke nach dem Prinzip Schrotpatrone: Die Täter versuchen bei vielen potenziellen Opfern zu landen und finden darunter immer wieder Leute, die zahlen – und sei es auch nur, um vermeintlich Ruhe zu haben. „Bei einer Quote von fünf oder acht Prozent Rücklauf knallen bei den Tätern die Korken“, sagt Staatsanwalt Thomas Pelka. Derartige Betrügereien sind für ihn ein Phänomen der modernen Zeit: „Geräte wie Power Dialer, mit denen Callcenter 100 oder 200 Leute gleichzeitig anwählen können, hat es ja früher nicht gegeben.“

Kriminelle ließen in Disco die Korken knallen

Krefeld war ein Schwerpunkt für die Telefonabzocker-Szene. „Das hatte sicher auch damit zu tun, dass sich mehrere frühere Agenten selbstständig gemacht hatten“, berichtet Fier. Die Szene fuhr bei einer örtlichen Großdisco teilweise im Porsche vor, ließ da die Korken knallen. Mittlerweile ist die Feierlaune vorbei. Zwei Callcenter haben die Ermittler dichtgemacht, weitere zehn gaben von sich aus auf.

Gut zwei Dutzend Verfahren mit vielen Tausend Geschädigten hat die EK Call mit Staatsanwalt Pelka aufgenommen. Es gibt erste Urteile (drei und zwei Jahre Haft, einmal zwei Jahre auf Bewährung), ein weiterer mutmaßlicher Betrüger steht derzeit vor dem Krefelder Landgericht. Die Arbeit geht der EK Call auf absehbare Zeit nicht aus. Das zeigen die neuen Inkasso-Betrügereien. Einsicht hat Staatsanwalt Pelka noch bei keinem Täter erlebt: „Die haben alle bis zuletzt darauf gepocht, dass angeblich Verträge abgeschlossen worden wären.“