Veröffentlicht inRegion

Alleinerziehende Mutter aus Moers kämpft sich durchs Leben

Alleinerziehende Mutter aus Moers kämpft sich durchs Leben

kvf.JPG
Foto: Foto: Marc Albers
Die alleinerziehende Mutter von vier Töchtern lebt von Hartz IV und engagiert sich ehrenamtlich. Ihre Mädchen profitieren von der Klartext-Wunschbaumaktion. Weitere Hilfe lehnt sie ab.

Moers. 

Laut Definition ist Nebiye Celik arm. Weil sie über weniger als 60 Prozent des Einkommendurchschnitts verfügt. Frau Celik hat da eine andere Perspektive. Arm ist der, so ihre Definition, der sich nicht weiterentwickeln oder bilden kann. So gesehen ist die 39-Jährige aus dem Moerser Norden ziemlich vermögend. Ihr Reichtum sitzt an diesem Herbstnachmittag auf der Couch in dem engen Wohnzimmer. Vier hübsche Mädels. Nebiye Celik vollbringt das tägliche Kunststück, Kübra (18), Dilara (15), Halil (13) und die kleine Ecrin (5) allein zu erziehen. Von 1500 Euro pro Monat, die nach Abzug der Miete bleiben.

Trotzdem leistet sich Nebiye Celik Luxus. Zum Beispiel den ungewöhnlicher Ansichten. Sie sagt, dass ihr eine materielle Unterstützung durch den von der NRZ initiierten Verein „Klartext für Kinder – Aktiv gegen Kinderarmut!“ nicht zusteht. „Wissen Sie, Hartz IV ist wirklich nicht viel, und wir müssen immer viel rechnen. Aber anderen geht es bestimmt noch schlechter.“ Immerhin: Ihre Kinder profitieren seit Jahren von der großen Weihnachtswunschbaumaktion von Klartext am linken Niederrhein. Für die Großen gibt es einen Drogerie-Gutschein, Teenie-gerecht. Ecrin hat sich Lego gewünscht.

Dafür ist sie dankbar

Alles andere will die vierfache Mutter alleine schaffen. Das gelingt, manchmal schlechter. Mit einer Ausbildung zur Familienpflegerin kann sie die viel zu knappen Regelsätze ein wenig aufstocken. Ein neuer Weg, auf den sie das soziale Stadtteilprojekt „Opstapje“ geführt hat. Dafür ist sie dankbar. So dankbar, dass sich die Türkin unlängst selbst bei einem Projekt ehrenamtlich engagierte, in dem junge Familien im Alltag unterstützt werden. „Es klingt vielleicht blöd, aber ich möchte etwas zurückgeben. Ohne die ehrenamtliche Hilfe der evangelischen Kirche wäre ich nicht das, was ich bin.“ Eine Frau mit wenig Geld, dafür umso mehr Stolz, die Dinge selbst in der Hand zu haben.

Das war nicht immer so. Nebiye Celik wuchs in Moers-Meerbeck auf, einem Stadtteil mit hohem Migrantenanteil. Nach dem Realschulabschluss lernte sie den Vater ihrer Kinder bei einem Verwandtenbesuch in Rotenburg-Wümme kennen. „Es hatte sofort gefunkt. Aber ich musste erst mal Türkisch lernen.“ In den Jahren danach lernte sie außerdem lieben, verzeihen, entbehren – und emanzipieren. Nicht zuletzt durch den Islam, sagt sie, die als junge Frau kein Kopftuch trug. „Er hat mir Anerkennung geschenkt. Ich habe im Norden viele gebildete, höfliche Menschen kennengelernt, der Glaube hat mich stark gemacht.“ Dazu selbstbewusst, lebhaft und witzig. Nebiye Celik kann quasseln wie ein Wasserfall, wie der Niederrheiner sagt. Und pflegt die klare Ansage.

Irgendwann ging es einfach nicht mehr und sie zog ihr Ding durch. Zum Wohle der Kinder, zu ihrem eigenen. „Mein Exmann hatte mich nicht ernst genommen.“ Ein Risiko, vor allem ein finanzielles. Der Weg zurück an den Niederrhein, in ihre Heimatstadt, war nicht schwer. Dafür viel zu oft das Leben. Nebiye Celik ist geschieden, der Vater zahlt nicht.

Armut hat viele Waffen

Aber sie hat sich durchgekämpft gegen den Gegner Armut, der so viele Waffen besitzt. Ein Formularwesen, das selbst Experte Martin Debener von der Stelle „Kein Kind zurücklassen“ im NRW-Familienministerium als „bürokratischen Wahnsinn“ bezeichnet. Heranwachsende Kinder, die Wünsche haben. Vorurteile, die Frauen mit Kopftuch in Deutschland reflexartig entgegengebracht werden. Nicht zuletzt körperliche und geistige Ermattung, wer ständig am Limit lebt, brennt aus. Doch bei Celiks macht Gemeinschaft stark und Not macht Tugend.

Die Töchter finden ihre Mama cool. „Ich bin eigentlich immer stolz auf meine Mama“, sagt Hilal, die das Gymnasium besucht und ihr Abi machen will. Nebiye Celik legt größten Wert auf Bildung und hat offenbar vieles richtig gemacht. Gesamtschülerin Dilara möchte Dolmetscherin werden, Kübra steckt in der Ausbildung zur technischen Assistentin im Bereich Gestaltung.

Ein sehr kreativer Haushalt, was sich schon Flur ablesen lässt. Die Mädchen haben für „Prinzessin“ Ecrin lustige Figuren wie Winnie Puh an die Wand gemalt. Wir hatten nie das Gefühl, zu wenig zu haben oder anders zu sein, irgendwie hat Mama das hinbekommen.“ Was das bedeutet, verstehen sie immer besser. Vor allem dann, wenn es Rückschläge gibt, mit denen Nebiye Celik ihre Töchter nicht verschonen kann. Wie vor zwei Monaten.

Da fordert die Fernwärme eine Rückzahlung von 1000 Euro. „Das wirft meine Planung für Monate über Bord“, erklärt die Moerserin. Dann tagt der Familienrat. Und für solche Situationen braucht es keine Definition. So was darf in einer Familie wie den Celiks einfach nicht passieren.

NRZ-Lokalredaktionen organisieren Hilfe

Im gesamten NRZ-Land freuen sich unsere Leserinnen und Leser auch in diesem Jahr wieder, gemeinsam mit ihrer Zeitung Gutes tun zu können. Schon traditionell organisieren die Lokalredaktionen Weihnachtsaktionen für bedürftige Kinder.

In Dinslaken stellen örtliche Einzelhändler und die NRZ im Stadtgebiet verteilt insgesamt zwölf Wunschbäume auf, an denen Wunschzettel bedürftiger Kinder hängen. Zuletzt konnte mehr als 300 Kindern zu einem Weihnachtsgeschenk verholfen werden.

Die Stadtredaktion Düsseldorf unterstützt die Bürgerhilfe Gerresheim, die seit über 20 Jahren unbürokratische Hilfe im Viertel leistet. Für bis zu 100 Kinder gibt es Feuerwehrautos, Puppen oder auch „eine kleinen Gitarre“ – die hat sich mal ein Knirps (4) gewünscht und natürlich auch bekommen.

Mehr als 150 Wunschzettel haben der Kinderschutzbund Sonsbeck-Xanten und die NRZ Rheinberg in diesem Jahr aufgehängt. Der Baum steht im Rathaus in Sonsbeck, Wunschzettel gibt es wie immer aber auch in der Redaktion.

Die NRZ Essen organisiert in bewährter Manier die Spendenaktion für das Spatzennest, die Notaufnahme des Kinderschutzbundes für misshandelte und verwahrloste Mädchen und Jungen. Dank der Unterstützung der NRZ-Leserinnen und -Leser kamen im vergangenen Jahr 250 liebevoll verpackte Geschenke im „Spatzennest“ an und darüber hinaus landeten mehr als 14 000 Eu­ro auf dem „Spatzennest“-Konto.

Die NRZ-Lokalredaktion Emmerich erfüllt mit ihrer Wunschzettelaktion wieder Kinderwünsche zu Weihnachten. Schon seit einigen Wochen liegen an mehreren Stellen die Wunschzettel aus, und die Kinder haben schon fleißig ausgefüllt! Die Übergabe der Geschenke erfolgt kurz vor den Festtagen.

Viele Weseler NRZ-Leserinnen und -Leser kommen seit Jahren immer wieder, um Kinderwünsche zu erfüllen. Warum? Weil sie selbst gesunde Enkelkinder haben, sagen sie. Andere möchten das Geschenk für ein Kind in der Hand halten, statt Geld an ein unpersönliches Konto zu überweisen. Schon lange, bevor es los geht, haben sich etliche Weseler bereits telefonisch gemeldet: Wir sind wieder dabei!

In Zusammenarbeit mit der Caritas startet die NRZ Mülheim wieder eine Wunschbaumaktion. Bereits seit gestern hängen die Zettel.

Und auch die NRZ Oberhausen wird wieder einen Wunschbaum in ihren Redaktionsräumen aufstellen. In Duisburg steht ebensolcher in der Geschäftsstelle. Die Redaktion kooperiert mit dem Kinderschutzbund.

Heute startet am linken Niederrhein die große Klartext-Wunschbaumaktion.

In Moers, Neukirchen-Vluyn und Kamp-Lintfort werden insgesamt 1400 Kinder aus sozialschwachen Familien ein kleines Stückchen Glück erhalten.