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„Wilsberg“ feiert die 70er-Jahre – schon seit 18 Jahren

„Wilsberg“ feiert die 70er-Jahre – schon seit 18 Jahren

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Foto: ZDF/Thomas Kost
Die ZDF-Krimireihe „Wilsberg“ ist unverwüstlich – auch nach 18 Jahren. Der Fahnder aus Münster und seine Fälle sind mit ihrem 70er-Jahre-Charme wiedererkennbar. Obendrein ist die neue Folge, die Samstag um 20.15 Uhr im ZDF läuft, ungewöhnlich gut – mit frischen Dialogen in staubigen Szenarien.

Mainz/Münster. 

Klammheimlich steuert „Wilsberg“ (Samstag, ZDF, 20.15 Uhr) auf das 18-jährige Jubiläum zu. Kein Wunder bei Marktanteilen von überragenden 18 Prozent. Dass junge wie alte Zuschauer der Krimi-Reihe aus Münster treu bleiben, hat einen einfachen Grund: Sie blieb, trotz wachsender Austauschbarkeit der Fernsehfahnder, wiedererkennbar. Kein anderer Krimi zelebriert derart lustvoll den Retro-Kult der Trödlerwelt. Und obendrein ist die Reihe mit Hauptdarsteller Leonard Lansink gesegnet. Wilsberg überzeugt als alte Garde des Antiquariats ebenso wie als zerknitterter Vorstadt-Colombo.

Regisseur Dominic Müller und sein Drehbuch-Autor Eckehard Ziedrich starten die Episode „Die Entführung“ mit einem Exkurs über Steuer-Ehrlichkeit. Wilsberg braucht die Hilfe seines Finanzamt-Freundes Ekki Talkötter (Oliver Korritke wie immer als Lansinks kongenialer Fernsehpartner). Während der Steuer-Mann in bester Beamtentradition für penible Angaben plädiert, sinniert Wilsberg feinsinnig über den Unterschied zwischen kreativer Abrechnung und krimineller Raffgier – hübsche Grautöne statt platter Schwarz-Weiß-Malerei.

Der Unterschied zwischen kreativer Abrechnung und krimineller Gier

Die eigentliche Geschichte, völlig konstruiert, aber konsequent erzählt, wird durch den gewaltsamen Tod eines schmierigen Mandanten von Wilsbergs Patenkind, Anwältin Alex (Ina Paule Klink), in Bewegung gesetzt. Die einzige Spur ist eine Inka-Figur, die Wilsberg dummerweise an einen Trödler verhökert. Kompliziert wird der Fall auch dadurch, dass Alex als einzige Zeugin des unfreiwilligen Todesschusses entführt wird.

Die Ermittlungen führen Wilsberg in „Dianas Bar“. Episoden-Star Sabine Orleans führt den Schuppen mit der einsilbigen Melancholie einer ungeliebten Frau, die perfekt zur trostlosen Trödel-Einrichtung der Kaschemme passt, in denen die 70er-Jahre nicht vergehen wollen. Dass in diesem nahezu lichtlosen Laden nur traurige Vögel wie das kriminelle Trottel-Duo Grabowski (Alexander Schubert) und Russ (Michael Schenk) verkehren, wundert wenig.

Überhaupt feiert das Wilsberg-Ensemble den gestrigen Charme von Haushaltsauflösungen. In Wilsbergs Antiquariat steht ein Telefon mit Wählscheibe, Talkötters Alfa Romeo und der TÜV müssen natürliche Feinde sein, und bei Wilsbergs befreundetem Trödler kommt ein Notruf der entführten Alex aus einem Röhrenradio, das noch Polizeifunk empfangen kann.

Je staubiger das Szenario, desto frischer müssen die Dialoge sein

Wenn das Szenario derart viel Staub atmet, müssen die Dialoge umso frischer sein. Tatsächlich gelingen Drehbuchautor Ziedrich Wortwechsel, die geschickt auf schmalen Grat zwischen purem Klamauk und trockenem Witz balancieren.

Natürlich bedient die liebenswert anarchische Reihe mit Overbeck (Roland Jankowsky) auch das klassische Comedy-Element als Fahnder, der, wie immer, dümmer ist, als die Polizei erlaubt. Er verliert nach einem Maskenball seinen Wohnungsschlüssel. Deshalb stolpert Overbeck als schwarzer Sheriff verkleidet durch die gesamte Folge. Natürlich ist die Anspielung an die Disco-Combo Village People gewollt. Autor Ziedrich spielt geschickt mit diesem Retro-Gag – bis zur gelungenen Schluss-Pointe.