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Wie sich „Tatort“-Star Mimi Fiedler wieder gefunden hat

Wie sich „Tatort“-Star Mimi Fiedler wieder gefunden hat

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Foto: imago/APress
Beziehungsstress, Alkohol, Burnout: Kurz vor ihrem 40. Geburtstag zieht die Schauspielerin launig Bilanz. Nebenher tanzt sie bei RTL an.

Köln. 

Zurückhaltend, nicht schüchtern wirkt sie. Im Kölner Hotel Savoy setzt „Tatort“-Star Mimi Fiedler auf Dezenz. Dezenz bestimmt auch das Gespräch über ihr Leben. Offen der Blick, persönlich der Ton, niemals jedoch distanzlos. Eine Frau, die wenigen Tagen 40 wird, eine Frau, die erklärtermaßen aus Fehlern gelernt hat. Jürgen Overkott sprach mit ihr.

Beim Aufklappen des Buches habe ich zunächst mal Zahlensalat gesehen, eine Sammlung ganz vieler biografischer Daten. Was ist das Dressing

Mimi Fiedler:

Stimmt. Ich bin eine Zahlenfetischistin. Das Dressing ist im Grunde, die Summe der Erfahrungen, die ich in meinem Leben machen durfte. Das hat mir nicht immer geschmeckt. Aber ich kann meine Erfahrungen jetzt weitergeben, weil ich das Rezept verfeinert habe.

Der Titel des Buches spielt darauf an, wie wichtig die Ratschläge Ihrer Mutter sind. Und zugleich klingt er, als sei diese Einsicht neu.

Mimi Fiedler:

Diese Einsicht ist total neu. Ich habe fast 40 Jahre gebraucht, um zu verstehen, was meine Mutter versucht hat, mir zu verklickern. Hätte ich auf sie gehört, hätte ich mir einige Umwege erspart.

Warum hat die Annäherung an Ihre Mutter so lange gedauert?

Mimi Fiedler:

Ich war meiner Mutter immer schon nah. Aber ich gehöre wahrscheinlich zu der Spezies Tochter, die das, was die Eltern wollen, genau umgekehrt macht.

Welche Erfahrungen würden Sie gern ungeschehen machen?

Mimi Fiedler:

Keine. Sonst hätte ich das Buch nicht schreiben können. Letztlich habe ich aus allen Erfahrungen lernen dürfen. Die meisten Erfahrungen habe ich den letzten zehn Jahren gemacht, sehr komprimiert, sehr extrem. Scheidung, Rosenkrieg, neue Beziehung. Aber ich bin als bessere Version meiner selbst daraus hervorgegangen.

Sie haben aus allen Fehlern gelernt.

Mimi Fiedler:

Aus allen. Obwohl ich manche Fehler zwei, drei Mal machen musste.

Sie haben als Modejournalistin gearbeitet. Was kam es dazu?

Mimi Fiedler:

Mein damaliger Schwager war Chefredakteur eines Modemagazins, und er mochte die Art, wie ich schreibe. Er hat mich gefragt, ob ich ein Heft redaktionell betreuen möchte.

Ihr Interesse für Mode geht über den Standard hinaus.

Mimi Fiedler:

Meine Schwester ist Modedesignerin. Sie macht Espadrilles aus Leder, Lika Mimika. Meine Mutter wollte als junge Frau etwas mit Mode machen, aber ihr Lebensweg ist anders verlaufen, weil der Vater seine Familie sehr früh und sehr arm hinterlassen hat. Meine Tochter will übrigens auch Designerin werden.

Wurde bei Ihnen viel genäht?

Mimi Fiedler:

Sehr viel sogar. Das war für mich, als Gastarbeiter-Mädchen, eher doof, weil ich dachte, wer uns in selbstgenähten Kleidern sieht, glaubt, wir hätten kein Geld, uns Kleider zu kaufen.

Man könnte auch sagen: Ihre Mutter hat Maßarbeit geliefert. Gibt es noch Fotos?

Mimi Fiedler:

Ich hatte eine ganze Menge Alben, aber leider sind sie verloren gegangen.

Schade, Bilder wecken Erinnerungen an Geschichten und Gefühle.

Mimi Fiedler:

Ich brauche diese Alben nicht, ich habe ganz viele Bilder im Kopf, wie abfotografiert. Bei mir funktionieren Erinnerungen aber auch ganz stark über die Nase. Ich rieche etwas und erinnere mich sofort wieder an eine bestimmte Situation.

Ihr Buch erscheint vor Ihrem Vierzigsten. Ziehen Sie Bilanz?

Mimi Fiedler:

Ja, ich ziehe Bilanz. Es ist wie Aufräumen, Entrümpeln. Ich habe mich von Menschen getrennt, die mir nicht gut taten. Ich habe Dinge weggeworfen. Aber ich bin nicht wütend. Ich schaue eher freudig zurück und sage mir: Du hast einiges geschafft.

Eines der wirksamsten Mittel, um mit dem Leben zurechtzukommen, ist die Scherztherapie.

Mimi Fiedler:

Genau das macht Comedy aus.

Lachen löst Spannungen.

Mimi Fiedler:

Weinen auch, wenn man in Tiefe seiner Emotionen geht. Dennoch war ich mir in jeder Lebensphase bewusst, dass ich eine privilegierte Traurige bin. Deshalb ist Aufgeben für mich keine Option. Gott sei Dank hatte ich in meiner Krisenzeit eine nur partielle Depression und ein partielles Problem mit Alkohol. Wenn man in diesem Zusammenhang überhaupt das Wort „nur“ benutzen darf.

Wie sah Ihr Neustart aus?

Mimi Fiedler:

Bevor es so weit war, habe ich nur geheult. Ich konnte mir nicht eingestehen, dass ziemlich alles in die falsche Richtung läuft. Es fühlte sich an, als hätte ich versagt.

Und dann kam die Sache mit dem Führerschein.

Mimi Fiedler:

Verrückterweise wollte ich mit dem Auto gar nicht wirklich fahren. Ich wollte umparken. Aber als die Polizisten auf mich zukamen, war mir klar, dass ich am Ende der Fahnenstange angekommen bin. Das war das Ende. Aber ich war innerlich sofort in einem Zustand der Erleichterung. Ich weiß, das klingt komisch. Aber das erste, was ich sagte, war: Danke, lieber Gott.

Ich hätte auf Verärgerung getippt.

Mimi Fiedler:

Ich bin damals das erste Mal betrunken in ein Auto gestiegen. An diesem Tag war ich am traurigsten Punkt meines Lebens. Ich bin schon heulend aufgewacht; ich hatte ein nasses Gesicht. Alles war verschmiert; ich hatte mich nicht mal abgeschminkt. Es war der 18. Oktober 2010.

Können Sie sich erinnern, wie der Schutzengel hieß, der Ihnen den Führerschein abgenommen hat?

Mimi Fiedler:

Michael. Ich weiß nur noch den Vornamen. Dann bin ich mit dem Taxi zu meinen Eltern gefahren; es war vier Uhr in der Frühe. Ich habe geklingelt, meine Mutter hat mir aufgemacht, und sie wusste sofort, was los ist. Wenn ein Mensch von Wendepunkten im Leben spricht, dann war dieser Moment meiner.

Und vorher?

Mimi Fiedler:

Als mein damaliger Lebensgefährte mich verlassen hatte, habe ich monatelang nicht geweint; ich war wie in einem Schockzustand. Ich habe mich nach dem Führerscheinverlust in eine Klinik einweisen lassen, nicht wegen des Alkohols an sich. Das war nur die Spitze des Eisbergs. Ich befand mich mitten in einem Scherbenhaufen und war innerlich ausgebrannt. Als ich in der Klinik war, fühlte es sich so an, als hätte jemand bei mir den Wasserhahn aufgedreht. Und da wurde mir klar: Jetzt ist der Weg frei.

Vorher war viel blockiert.

Mimi Fiedler:

Na ja ich habe mich selbst blockiert. Zum Beispiel, indem ich mich verschuldet hatte, weil ich unbedingt das Haus halten wollte.

Sie konnten nicht loslassen.

Mimi Fiedler:

Und das, obwohl irgendwann, ziemlich regelmäßig, der Gerichtsvollzieher bei mir in der Küche saß. Und der guckte mich mitleidig an und sagte: Ei, was machen wir denn jetzt mit Ihnen? Aber auch er war so lieb zu mir. Er hat mir erklärt, was ich machen muss. Und das war ganz bestimmt nicht, den Kopf in den Sand zu stecken. Das hat mir sehr geholfen. Letztlich habe ich von allen Seiten Hilfe bekommen.

Wie haben Sie Ihr Leben verändert?

Mimi Fiedler:

Komplett. Ich rauche nicht mehr, ich lebe vegan, und ich trinke nur noch wenig Alkohol. Ich gehe bewusster um mit allen Dingen. Aber eines bin ich geblieben: schnoddrig. Ich rede erstmal und denke dann darüber nach, was ich da eigentlich gesagt habe.

INFO

Mimi Fiedler mit Iris Luckhaus: „Brauchstu ma keine Doktor, brauchstu nur diese Buch: Die Balkantherapie für Liebe, Leib und Leben.“ Mit den Ratschlägen meiner kroatischen Mutter Broschiert – Riva-Verlag, ab 4. September.

Mimi Fiedler ist gemeinsam mit Partner Bernhard Bettermann in der RTL-Tanzshow „Stepping Out“ ab 11. September zu sehen.