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„Unter Gaunern“ – eine verblüffende gute Vorabendserie

„Unter Gaunern“ – eine verblüffende gute Vorabendserie

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Foto: ARD/Thorsten Jander
Jahrelang war der Vorabend die Todeszone der ARD. Jetzt regt sich Leben. Die Serie „Unter Gaunern“ hat Potenzial. Sie ist liebevoll gemacht.

Bremen. 

Der Vorabend ist seit Jahren das Bermuda-Dreieck der ARD. Was auch immer das Erste präsentierte, verschwand meist schnell aus dem Blick der Öffentlichkeit. Das könnte sich ändern – mit der Serie „Unter Gaunern“.

Mit Christian Jeltsch haben die verantwortlichen Sender Radio Bremen und NDR einen Guten verpflichtet: Der 56-Jährige ist ein Krimi-Experte. Dafür erhielt er mehrere TV-Preise, darunter einen Grimme. Regisseurin Sophie Allet-Coche wiederum kann Komödie. Die 52-Jährige setzte wegweisende Serien wie „Doctor’s Diary“ und „Der letzte Bulle“ in Szene. Die Namen der Macher halten, was sie versprechen.

Erstaunlich viel Lokal-Kolorit

Sie bürsten das Krimi-Genre ordentlich gegen den Strich. Endlich mal wird eine Geschichte maßgeblich aus der Sicht von Gangstern erzählt und eben nicht aus Polizei-Perspektive. In letzter Konsequenz haben sich die Serien-Macher aber dann noch nicht getraut. Denn: „Das schwarze Schaf“ (Titel der Auftaktfolge) der Familie Schulz ist Betty – die Kleine will zur Polizei. Das aber darf ihre Familie nicht wissen. Familie Schulz steht für Ganoven-Ehre in der dritten Generation. Die schrullige Sippe propagiert – im Hinblick aufs Familien-Publikum – das sanfte Gaunern: „keine Waffen, keine Drogen“. Lügen und clever portionierte Wahrheiten sind unvermeidlich, Konflikte programmiert, in Bettys Familie, aber auch im Job.

Betty wird von Cristina do Rego gespielt, die manche Zuschauer aus „Pastewka“ kennen. Während die 29-Jährige dort als jugendliche Krawallbürste auftrat, spielt sie in der Gauner-Komödie ihren Niedlichkeitsfaktor aus. Aber: Sie hat mehr zu bieten als Kulleraugen. Sie ist schnell im Kopf, selten um einen Spruch verlegen, ist eine junge Frau mit Stehvermögen. Etwa als sie einen Pizza-Flitzer mit bewusstseinserweiternder Ware stellt. Zwei Mal zieht sie den Kürzeren. Doch sie bleibt cool – und hat letztlich das Glück auf ihrer Seite.

In der Behörde selbst sieht es zunächst deutlich schlechter aus: Die Neue trifft auf die Alte (Barbara-Magdalena Ahren). Süß gegen herb. Die abgezockte Kollegin lebt – hübsche Karikatur – von Zigaretten und Dreifach-Espresso, die Wumme trägt sie am Gürtel, als sei sie die Schwester von John Wayne. Illusionen gab sie beim Pförtner ab: „Wir sind“, sagt sie, „der Schließmuskel der Gesellschaft.“

Natürlich gehören auch böse Buben zu einem ordentlichen Krimi. Die Rolle fällt – mäßig originell – einer fiesen Truppe um den Russen Oleg (Lenn Kudrjawizki) zu.

Der Film lebt von erstaunlich viel Lokal-Kolorit vom Bremer Kiez. Folgerichtig spricht Familie Schulz mit norddeutschem Akzent.

Nebenher erlaubt sich der 50-Minüter Gags mit Film-Zitaten. Sie funktionieren so, dass Kenner ihren Spaß haben, die Laufkundschaft aber dennoch mitkommt.

Fazit: Liebevoll gemachter Vorabend-Spaß mit hübschen Gags.

ARD, 18.50 Uhr