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Der Sinn und Unsinn der Nahrungsergänzung

Über Sinn und Unsinn von Nahrungsergänzungsmitteln

Vitaminpillen sollen vor Erkältungen schützen, Calcium für harte Knochen sorgen. 1,3 Milliarden Euro geben die Deutschen pro Jahr für angeblich gesundheitsfördernde Produkte aus. Das Bundesinstitut für Risikoforschung relativiert.

Berlin. 

In Drogerien, Reformhäusern und Supermärkten gehören die kleinen Helfer seit langem zum Alltag: Brausetabletten mit Vitamin C sollen vor Erkältungen schützen, die mit Calcium für harte Knochen sorgen. Eisenhaltige Substanzen ersetzen Vegetariern das fehlende Fleisch und Ballaststoffe bewirken eine kräftige Verdauung.

So jedenfalls steht es in den Werbebotschaften. Doch ob die „Helfer“ tatsächlich etwas bewirken, bezweifeln die Fachleute vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), dass zum Bundesverbraucherministerium gehört. „Nahrungsergänzungsmittel sind überflüssig, wenn man sich normal ernährt“, sagt BfR-Sprecherin Suzan Fiack.

Leberwurst statt Eisentabletten

Das Institut räumt auf der Internationalen Grünen Woche mit der Vorstellung auf, dass die zusätzlich geschluckten Kapseln oder Getränke generell gut für den Menschen sind.

Denn in den üblichen Lebensmitteln sind alle wichtigen Nährstoffe in ausreichendem Maße enthalten.

Eisenmangel können Verbraucher zum Beispiel durch ein paar Schnitten mit grober Leberwurst entgehen. 5,3 Milligramm Eisen enthält die Spezialität je 100 Gramm. Sesamkörner enthalten zehn Milligramm Eisen pro 100 Gramm.

„Der Markt ist seit Jahren stabil“

1,3 Milliarden Euro geben die Deutschen pro Jahr für Nahrungsergänzungsmittel aus. Am häufigsten werden Vitaminpräparate, Mineralien wie Calcium oder Magnesium, Ballaststoffe, Aminosäuren und pflanzliche Produkte wie Ginseng gekauft. „Der Markt ist seit Jahren stabil“, beobachtet Peter Loosen vom industrienahen Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL).

Erstaunlicherweise werden die Zusatzstoffe in der Regel gar nicht von denen verzehrt, die sie tatsächlich nötig hätten. „Es geht den meisten Konsumenten darum, einen gesunden Lebensstil weiter zu verbessern und nicht, eine ungesunde Lebensweise auszugleichen“, sagt Fiack.

Nur selten notwendig

Eine konzentrierte Aufnahme von einzelnen Stoffen haben nur wenige Menschen in Deutschland tatsächlich nötig. Das BfR glaubt, dass die Vielzahl der Angebote aber den Eindruck erweckt, dass die übliche Ernährung nicht mehr ausreicht, um gesund zu bleiben.

Sinnvoll sei der Kauf der Produkte aber nur in bestimmten Fällen. „So kann eine einseitige oder unzureichende Ernährung dazu führen, dass zu wenige essenzielle Nährstoffe aufgenommen werden“, erläutert das Institut. Auch während Schwangerschaft und Stillzeit ist der Bedarf an Nährstoffen hoch. Und: Wenn ältere Menschen an Appetitlosigkeit litten, könnten Zusatzstoffe helfen.

Laut BfR weisen Untersuchungen nur bei einer Handvoll Substanzen auf eine Minderversorgung in der Bevölkerung hin. In manchen Bevölkerungsgruppen wird weniger Vitamin D, Kalzium, Folsäure und Jod aufgenommen als von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung empfohlen wird. Das BfR empfiehlt aber lediglich Schwangeren die Einnahme von Folsäure.

Krebs-Risiko steigt

Für problematisch hält die Behörde Teile der speziell für Sportler angebotenen Ergänzungsmittel. Manche Präparate enthalten zum Beispiel Koffein, das kurzfristig den Herzmuskel leistungsfähiger macht, aber langfristig unerwünschte Folgen haben könne. Auch bei Eisenpräparaten rät das Amt zur Vorsicht. Eisen solle nur nach Rücksprache mit dem Arzt eingenommen werden. Mit einer dauerhaft hohen Zufuhr steigt nach Einschätzung der Experten das Risiko auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und Diabetes.

Immer häufiger werden auch normale Lebensmittel wie Säfte mit Vitaminen, Mineralien oder Ballaststoffen angereichert. Was gut für die Gesundheit ist und was überflüssig, ist nicht genau zu sagen.

Industrie muss Wirkung nachweisen

Wenn die Industrie in der Werbung eine gesundheitsfördernde Wirkung verspricht, darf sie dies nicht mehr ohne weiteres tun. Denn dann müssen die Hersteller dies auch nachweisen. Derzeit haben nur 222 Produkte das Plazet der EU erhalten. Bei rund 2000 steht dies noch aus.

Verbraucher, die wissen wollen, was genau zugelassen oder welche Anträge der Lebensmittelwirtschaft abgelehnt wurden, können sich auf der Internetseite der europäischen Nahrungsmittelsicherheitsbehörde ESFA unter www.efsa.europa.eu kundig machen. Dort finden sich die entsprechenden Listen.

Becel – alles in Butter?

Während Lebensmitteln schon häufig Vitamine und Mineralien zugesetzt werden, bleibt echte Gesundheitsnahrung die Ausnahme. Am bekanntesten ist die Margarine der Marke Becel pro aktiv, deren Verzehr den Cholesterinspiegel senken kann. Sie ist in Europa zugelassen.

Doch auch dieses Gesundheitsversprechen ist umstritten. Die Verbraucherorganisation Foodwatch glaubt, dass die verwendeten Zutaten Herz-Kreiskaufkrankheiten begünstigen können. Doch mit dem Versuch, die Werbung für Becel zu verbieten, ist Foodwatch gerade erst gescheitert. Die Richter sahen keinen Verstoß des Becel-Herstellers Unilever.