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Das tragische Ende der Amy Winehouse

Das tragische Ende der Amy Winehouse

Sie besaß eine begnadete Stimme und machte immer wieder durch Drogenexzesse auf sich aufmerksam. Die britische Sängerin Amy Winehouse ist im Alter von 27 Jahren gestorben. Ein Nachruf.

London. 

Amy, Amy, Amy, was ist mit Dir geschehen? Alle sahen zu bei dieser Selbstzerstörung auf Raten, diesem Wahn, der nur die eine logische Konsequenz kennen konnte, die wir kaum auszusprechen wagen.

Alkohol, Drogen, Magersucht, Bulimie, Selbstverletzung, Schlägereien, Crack, Zusammenbrüche. Rein in den Entzug, raus aus dem Entzug. Und das fasst nur die Schlagzeilen zusammen, die jene begnadete Soulsängerin vor ihrem 27. Geburtstag produzierte. Die Medien waren auf allen Kanälen zugeschaltet: Amy nur in Jeans und mit rotem BH zugedröhnt auf den Straßen von Camden, Amy mit Crackpfeife, Amy mit Pete Doherty und weißen Mäusen auf Youtube. Und nun wurde sie in ihrem Haus in London tot aufgefunden. Amy, Amy, Amy.

Gerade 27, doch diese Stimme gehört einer Frau, die singen konnte wie die große Dinah Washington, einer Frau, die in vielen verräucherten Kaschemmen gesungen hat, an ihren Kippen bis zum letzten Zug sog, eine Menge Hochprozentiges gekippt hat und von einem Tiefpunkt zum anderen getorkelt ist. Das alles verlieh den Songs der Amy Winehouse hohe emotionale Tiefe. Künstlerisch betrachtet großartig, menschlich betrachtet katastrophal.

Mit 14 beginnt ihre Musikerlaufbahn

Wer das Leben der jungen Sängerin betrachtet, kommt zu dem Schluss, dass sie kurz nach dem Jahr 2005 die Linie endgültig überschritt. Damals machte sie ihrem Namen zunächst durch einen steifen Alkoholkonsum alle Ehre. Nach dem Tod ihrer Großmutter Cynthia, ihrer wichtigsten Bezugsperson, gesellten sich 2006 auch noch Drogen hinzu.

Was war Amy Winehouse zuvor? 1983 in London geboren, im kargen Norden der Stadt groß geworden, begann sie mit 14 Jahren, Songs und Texte zu schreiben. Auf der Schule hatte sie derweil immer schon Probleme, denn trotz des Talents war sie nie diszipliniert – oder disziplinierbar. Sie brauchte noch ein paar Jahre, um Simon Fuller auf sich aufmerksam zu machen, der auch hinter dem Erfolg einer nicht ganz unbedeutenden britischen Kombo namens „Spice Girls“ steckt.

Nun hätte man mutmaßen mögen, dass sich da ein Erfolg von selbst einstellen sollte. Aber Winehouse machte etwas, das dem eigentlich entgegen stand: Sie schrieb an allen Songs ihres Debütalbums „Frank“ mit. Das war 2003 und die Presse wie Experten waren schon des Lobes voll ob dieser Mischung aus Pop und Jazz mit ein bisschen Motown-Soul, Reggae und einem Hauch HipHop. Nun, es reichte für eine Nominierung zum Brit-Award, aber der ganz große Durchbruch stand erst bevor. Derweil hatte Winehouse auch in punkto Styling ihre Erfahrungen gesammelt: Sie trug eine dieser Bienenkorb-Frisuren, die man nach den 60er Jahren höchstens noch ironisch verwendet hatte, hatte ein Piercing an der Stelle, an der einst Madonna ihren Schönheitsfleck getragen hatte – und zeigte sich gern in Pettycoat-Kleidern.

„Back To Black“ wird zum Klassiker

Und dann kam „Back To Black“. Ein Monster von einem Album, das schon heute als Klassiker gilt, als eine Wiederauferstehung des Motown-Sounds. Es war Oktober 2006. Den anhaltenden Erfolg als Auslöser dieses Albums für die Selbstzerstörung der Künstlerin verantwortlich zu machen, wäre aber falsch. Denn schon der Eröffnungssong „Rehab“ oder „Addicted“ zeugen davon, dass die Sängerin knietief in ihren Alkohol- und Drogenproblemen watete, sich dessen zwar bewusst war, sich aber auch weigerte, es zu bekämpfen. Auch in Liebesdingen hatte Winehouse kein Glück, wovon die Songs „You Know I’m No Good“, „Love Is A Losing Game“ oder „Tears Dry On Their Own“ zeugen.

Davon ließ sich ein stadtbekannter Londoner Tunichtgut namens Blake Fielder-Civil aber nicht abhalten, der schon zuvor mit Winehouse das Bett geteilt hatte – und sie im Mai 2007 heiratete. Sie liebten und sie schlugen sich, was angesichts der beiderseitigen Drogensucht kaum verwunderte. Nun hatte Winehouse jemanden gefunden, mit dem sie gemeinsam doch noch in eine Entziehungskur gehen konnte. Und das tat sie – mit sehr kurzfristigem Erfolg und späterer Scheidung. Im November 2007 soll Fielder-Civil betrunken einen Barkeeper zusammengeschlagen haben, zudem wurde er auch noch wegen Behinderung der Justiz zu einer Strafe von insgesamt 27 Monaten verurteilt.

All dies ist zu viel für Winehouse, so dass sie kurzfristig alle Konzertverpflichtungen absagt, im Januar 2008 wieder in eine Entzugstherapie geht und so im Februar ihren bisher größten Triumph nur per Satellitenübertragung miterleben kann: Achtmal war sie für den Grammy nominiert, fünfmal erhält sie ihn.

Immer wieder Negativschlagzeilen

Zu diesem Zeitpunkt ist Winehouse für die britischen Boulevardmedien aber längst zum Freiwild geworden, Paparazzi belagern ihre Wohnung und streifen durch die Pubs, in denen Amy sich einst Richtung Besinnungslosigkeit becherte.

Hinzu gesellten sich auch noch gesundheitliche Probleme. Im Sommer 2008 verkündet Vater Winehouse, dass seine Tochter auch noch an einem Lungenemphysem erkrankt ist – und nur noch über 70 Prozent ihres Atemvolumens verfügt, mutmaßlich aufgrund ihres Crackkonsums. Für eine Sängerin ein derber Rückschlag.

Die Meldungen seitdem lesen sich so rasant wie eine Kranken- und Polizeiakte, jedenfalls nicht wie eine Musikerbiographie. Rein ins Krankenhaus, raus aus dem Krankenhaus, kleine Schlägerei mit einem Fan auf dem Glastonbury-Festival, Zusammenbruch, rein ins Krankenhaus und so weiter, et cetera, et cetera.

Auch ihr jüngster Comeback-Versuch scheiterte am Alkohol: Ende Juni sagte sie eine Europa-Tour ab, nachdem sie in Belgrad betrunken auf die Bühne gegangen war und von 20000 Fans ausgebuht worden war.

Was von Amy Winehouse bleibt

Winehouse reiht sich in den berühmten „Klub 27“ ein, in dem berühmte Musiker wie Jim Morrison, Janis Joplin oder Jimi Hendrix vertreten sind, die alle im Alter von 27 Jahren starben.

Amy, Amy, Amy, was bleibt von Dir? Zwei Alben, eins davon ein sicherer Kandidat für die Hall-Of-Fame des Rock’n’Roll. Eine ganze Reihe von Songs für die Ewigkeit, unter anderem die kongeniale Nummer „Valerie“ mit Starproduzent Mark Ronson. Ein dutzend mehr oder minder talentierter Nachahmerinnen, die prominenteste unter ihnen nennt sich Duffy. Eine Legende, denn ein schnelles Leben, ein früher Tod und eine schöne Leiche sind noch immer Garant für künstlerische Unsterblichkeit gewesen. Hätte sie nur etwas weniger für die Unsterblichkeit getan.