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„Das Dschungelkind“ – Neugier ist das wahre Abenteuer

„Das Dschungelkind“ – Neugier ist das wahre Abenteuer

Die ARD zeigt den Kino-Film „Das Dschungelkind“ in einer XXL-Version. Am Samstag werden zwei Teile hintereinander weg gezeigt. Das Familien-Epos lebt vom Zusammenprall zweier extrem unterschiedlicher Kulturen, von Freundschaft und der Suche nach Identität.

Frankfurt/Main. 

Beim ersten Kennenlernen liegt Spannung in der Luft, spürbar, fast greifbar. Das Schweigen ist beredt, auf beiden Seiten. Ureinwohner des Dschungels von Papua-Neuguinea und die Familie Kuegler – sie tasten sich mit Blicken ab. Dann streckt der Anführer der Einheimischen seine Hände aus, nicht zum Gruß, er will die Hände des hellhäutigen, blonden Mädchens befühlen. „So etwas“, beruhigt Vater Kuegler (Thomas Kretschmann) seine Tochter Sabine (Stella Kunkat), „hat er noch nie gesehen.“ Dann beugt der schwarze Mann seinen Kopf vor, zur Begrüßung Stirn an Stirn, er hat friedliche Absichten. Doch die Spannung will nicht weichen. Schließlich löst sie sich bei Sabines Schwester Judith (Milena Tscharntke) auf in einen Schrei.

Ein Mix aus Faszination und Entsetzen

Stärker könnte der Zusammenprall zweier Kulturen nicht dargestellt werden, und es zeichnet den ARD-Zweiteiler „Das Dschungelkind“ (Samstag, 20.15 Uhr) aus, dass nicht die Europäer die Menschen eines Naturvolks wie seltene Insekten betrachten, sondern dass die Ureinwohner die Anwesenheit von Eindringlingen mit einem Mix aus Faszination und Entsetzen zur Kenntnis nehmen.

Kann zusammenwachsen, was augenscheinlich nicht zusammengehört? Genau ist der Ehrgeiz von Vater Kuegler, der als Sprachforscher und Völkerkundler arbeitet. Sein Wissensdurst und sein beruflicher Ehrgeiz stellen die Ehe mit seiner Frau, der Krankenschwester Doris (Nadja Uhl), auf eine harte Probe. Klaus Kuegler will die Sprache des komplett zivilisationsunerfahrenen Stammes lernen. Mehr noch: Er will ein Teil ihrer Gruppe werden.

Szenen einer Ehe unterspielt

Das kann und das will seine Frau nicht einfach so hinnehmen. Die unausweichlichen Konflikte des Ehepaars sind allerdings – möglicherweise im Hinblick auf ein Familien-Publikum – unterspielt. In klassischen Gefahren-Szenen durch äußerliche Bedrohung wirkt Thomas Kretschmann als deutsche Ausgabe von Indiana Jones mit seiner körperlichen Präsenz wesentlich überzeugender.

Die Geschichte wird jedoch konsequent aus dem Blickwinkel der kindlichen Sabine in kleinen Geschichten erzählt. Sie himmelt ihren Vater an, mit ihm verbindet sich, wenn auch auf anderer Ebene, Offenheit und Entdeckungsfreude. Das Abenteuer Neugier.

Geschlossener SetDieser Blickwinkel sorgt dafür, dass sich der Film von Roland Suso Richter („Mogadischu“) in erster Linie für menschliche Beziehungen und erst in zweiter Linie für die Exotik des Schauplatzes interessiert. Natürlich bedient der Film auch das Bedürfnis des Publikums, in fremde Welten einzutauchen, und Kameramann Holly Fink beeindruckt mit Bildern, die die dampfende Atmosphäre des Dschungels mustergültig einfangen. Der Film lässt ihm logischerweise auch den nötigen Raum.

Die Frage nach der eigenen Identität

„Das Dschungelkind“ beruht auf der gleichnamigen Autobiografie von Sabine Kuegler, die mit ihren Kindheitserinnerungen in Westpapua einen Bestseller landete. Die Autorin trieb das Bedürfnis, sich ihrer selbst zu vergewissern. Denn sie pendelte zwischen zwei Kulturen, wobei ihr der Dschungel zur ersten Heimat wurde.

Für das Gefühl der Fremdheit im eigenen Land haben Richter und Fink ein starkes Bild gefunden. Beim Dreh im beschaulichen Bad Berleburg steht die inzwischen jugendliche Sabine (Sina Tkotsch) an einer mäßig befahrenen Durchgangsstraße. Sie traut sich kaum über die Straße, weil sie die Autos als bedrohlich empfindet und erst recht den Lärm. Genau deshalb ist der Film Familienunterhaltung der besseren Art: weil er Selbstverständliches in Frage stellt.