Veröffentlicht inPanorama

Beschwerden über Videokameras an Privathäusern nehmen zu

Beschwerden über Videokameras an Privathäusern nehmen zu

75825542-1643.jpg
Foto: Getty Images/iStockphoto
Immer mehr Hausbesitzer statten ihre Immobilie mit Überwachungskameras aus. Doch das ist bedenklich, sobald Persönlichkeitsrechte verletzt werden.

Essen. 

Sie sind gottlob noch nicht überall, sehen längst auch nicht alles, aber immer noch mehr, als vielen Menschen lieb ist. Ob an Tankstellen oder auf öffentlichen Plätzen: Es fällt schwer, sich an Videokameras zu gewöhnen. Allerdings gibt es für die Installation der Geräte strikte Vorgaben. Und das gilt nicht nur für den öffentlichen Bereich. Denn seitdem die Technik nicht nur besser, sondern auch erschwinglicher geworden ist und Videokameras sogar in das Warensortiment von Discountern Einzug gehalten haben, schrauben auch immer mehr Privatleute Kameras an ihre Häuser.

Sehr zum Leidwesen der Datenschützer. Von den rund 400 schriftlichen Eingaben, die den Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen (LDI NRW) im Bereich Videoüberwachung im Jahr 2014 erreichten, entfielen allein 250 Fälle auf Streitigkeiten unter Nachbarn oder zwischen Mieter und Vermieter. In diesem Jahr sind es bis jetzt schon knapp 100 Beschwerden.

Persönlichkeitsrechte

Wie eng der Gesetzgeber in diesem Bereich die Grenzen steckt, zeigt ein Fall, der den Europäischen Gerichtshof (EuGH) beschäftigte. Ein Hausbesitzer in Tschechien hatte an seinem Haus eine Kamera installiert. Als ihm eines Tages eine Fensterscheibe eingeworfen wurde, hatte das Gerät die Tat aufgezeichnet. Das Videomaterial wertete die Polizei aus und ermittelte auch zwei Verdächtige, von denen jedoch einer seine Persönlichkeitsrechte verletzt sah, weil er gegen seine Einwilligung im öffentlichen Raum aufgezeichnet worden sei.

Dreist? Keineswegs. Er habe Recht, entschieden tschechische Datenschützer und belegten den Hausbesitzer mit einem Bußgeld. Der Fall des gebeutelten Videofilmers kam dann vor den EuGH. Das Urteil: Bürger müssen sich an Datenschutzrichtlinien halten, wenn in öffentlichem Raum gefilmt werde. Hauseigentümer sollten sich deshalb genau informieren, in welchen Bereichen Videotechnik zulässig und überhaupt sinnvoll ist. „Videobilder von Dritten sind grundsätzlich tabu. Wer andere mit Videotechnik beobachtet, greift in deren Rechte ein“, sagt Nils Schröder, Sprecher des Landesbeauftragten für Datenschutz NRW.

Einfamilienhäuser

Filmt die Kamera das eigene, allein genutzte Grundstück, also etwa den Garten und den Teich mit den Karpfen und Fröschen, so ist eine optische Überwachung dieses nicht-öffentlich zugänglichen Raums in der Regel unproblematisch, also zulässig. Das Hausrecht endet allerdings an der Grundstücksgrenze. Sobald ein kleines Stück des nachbarlichen Anwesens von der Kamera erfasst wird, kann es Ärger geben. Eindeutig ist die Ausgangslage auch, sobald die Kamera den Straßenraum ins Visier nimmt. Im öffentlich zugänglichen Raum – also auf Straße und Bürgersteig – hat jeder das Recht, sich frei und unbeobachtet von Videotechnik zu bewegen, erklären die LDI-Experten. Eine Kamera anzubringen, um beispielsweise sein auf dem Gehweg geparktes Auto zu überwachen, ist nicht statthaft.

Mehrfamilienhäuser

Zu öffentlich zugänglichen Bereichen gehören bei Mehrfamilienhäusern auch Grünflächen, Spielplätze, außen angebrachte Briefkästen und Fahrradständer. Eine Videoüberwachung ist in diesem Raum in der Regel nicht zulässig. Nur in wenigen Ausnahmefällen ist eine Montage von optischen Aufzeichnungsgeräten in diesem Raum erlaubt. Der Hausbesitzer muss in diesem Fall ein berechtigtes Interesse sehr konkret nachweisen. Hat es in der Vergangenheit etwa Vandalismus, Diebstähle oder Angriffe auf

Bewohner gegeben, kann ein Einsatz von Videotechnik unter Umständen gerechtfertigt sein. Die Vorfälle sollten aber sehr genau dokumentiert sein. Eine vage Begründung, dass es etwa in der Nachbarschaft zu Vandalismus gekommen sei oder der Hinweis auf eine allgemeine Gefahrenabwehr reichen nicht aus. Grundsätzlich gilt: „Ein Vermieter darf seine Mieter in der Regel nicht mit Videotechnik beobachten“, erklärt LDI-Sprecher Nils Schröder. Das gilt ganz besonders für die nicht-öffentlich zugänglichen Bereiche wie Hausflur, Treppenhaus, Trockenräume, Aufzug oder auch Fahrradkeller. Eine Überwachung dieses Bereichs ist ein schwerer Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen.

Sicherheitstechniken

„Videoüberwachung ist kein Allheilmittel“, sagt Nils Schröder, „und es steht keineswegs fest, dass Videoanlagen die erhoffte Sicherheit bringen.“ Die LDI-Experten raten deshalb, zunächst alle anderen Sicherheitstechniken zu nutzen, um sich etwa vor Einbruch zu schützen. Videoaufzeichnung dürfe nur eingesetzt werden, wenn sie „erforderlich“ sei, also kein anderes Mittel zur Verfügung stehe, das weniger in die Persönlichkeitsrechte von Dritten eingreife.

Weitere Informationen zum Thema bietet die Broschüre „Sehen und gesehen werden“, die auf der Internetseite des LDI abrufbar ist (www.ldi.nrw.de) und kostenfrei bestellt werden kann.