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Kiosk gegen Tankstelle – Warum es die Trinkhalle schwer hat

Kiosk gegen Tankstelle – Warum es die Trinkhalle schwer hat

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Kioskbesitzerin Elke Joachimsmeier aus Herne. Foto: FUNKE Foto Services
Der Kiosk ist dem Ruhrgebietler heilig. Große Sprünge lassen sich mit dem Gewinn nicht machen. Dennoch trotzen Buden der Tankstellen-Konkurrenz.

NRW. 

„Wie immer?“ – „Jo!“ Drei Wörter. Mehr braucht es nicht, um am Kiosk zu bekommen was man will. Man kennt sich, wohnt nebenan, ist oft hier. Der Kiosk ist lieb gewonnene Gewohnheit. Ein Fixpunkt im Wohnblock.

Große Sprünge lassen sich mit dem Büdchen-Gewinn allrdings nicht mehr machen. Dazu ist die Marge zu gering, also die Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis. Und die Marge wird immer kleiner, weiß Guido Zakrzewski, stellvertretender Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Essen.

Immer weniger Gewinn mit Lebensmitteln

Zigaretten waren lange ein Garant für gutes Einkommen und sind immer noch meistverkaufte Ware am Kiosk. Aber nicht alle Erhöhungen der Tabaksteuer geben die Produzenten an die Kunden weiter – stattdessen verringert sich der Gewinn des Endverkäufers.

Zudem sei dem Kiosk ein Monopol weggebrochen, so Zakrzewski: der Verkauf samstagabends und sonntags. Supermärkte nutzen immer öfter die Samstagsöffnungszeit bis 22 Uhr, und Tankstellen haben sogar täglich rund um die Uhr geöffnet. Ihr Sortiment haben Shell, Aral und Co. längst um H-Milch und Zahnpasta erweitert. In manchen Tankstellen haben sich sogar Supermarktketten wie „rewe to go“ eingerichtet. Laut Landesgesetz dürfen Tankstellen samstagnachts und sonntags zwar nur „Reiseartikel“ verkaufen – aber der Begriff ist dehnbar und schließt auch „Lebens- und Genussmittel in kleinen Mengen“ ein. Also alles, was ein Kiosk bietet.

Hagen hatte Kioskbesitzern 2015 sogar gedroht, verstärkt die Öffnungszeiten zu kontrollieren. Die Stadt holte sich aber eine blutige Nase. Nach heftigem Protest ruderte das Ordnungsamt zurück: Nein, natürlich wolle man der Kioskkultur nicht an den Kragen, hieß es plötzlich. Kontrolliert werde nur bei konkreten Beschwerden. Das halten die meisten Städte so.

In einigen Städten, wie Essen oder Köln, laufen die Büdchen nicht als Kiosk, sondern als Trinkhalle, also als Gastronomiebetrieb. Damit unterliegen sie nicht dem Ladenöffnungsgesetz, sondern nur der Sperrstunde („Putzstunde“) von 5 bis 6 Uhr. Weil Trinkhallen aber keine Schankerlaubnis haben (also kein Alkohol ausgeschenkt wird), brauchen sie keine Genehmigung, erklärt Essens Stadtsprecher Retzke.

Kiosk als Ort des menschlichen Miteinanders

Ohnehin, vermutet Essens IHK-Vize Zakrzewski, gehe die Tendenz zum „amerikanischen“ System der Nahversorgung rund um die Uhr. Nicht zuletzt deshalb, weil Kioske schon jetzt oft mehr sind als der reine Verkauf durchs Fenster. Viele seien eher kleine Läden, die vergessliche Nachbarn auch zu später Stunde mit Butter, Deo oder Waschmittel versorgen.

Aber was bliebe dem Büdchen ohne die lange, flexible Öffnungszeit noch? Für Dirk Stürmer vom 1. Kiosk-Club 06 aus Dortmund ist sich sicher: Die Nähe zählt – menschlich wie lokal. „Die Trinkhalle ist nicht einfach nur ein sehr kleines Ladenlokal, sondern ein Ort des menschlichen Miteinanders, des gelebten Chaos und der Erinnerung.“

Von Kiosksterben will Stürmer nicht sprechen. Dafür sei das Konzept „Kiosk“ als Wirtschaftsform viel zu robust und flexibel. Gegen die Konkurrenz von Tankstellen und Discountern werden sich die Trunkhallen auch weiterhin durchsetzen. „Gerade in unserer heutigen schnelllebigen Zeit bekommen solche emotional aufgeladenen Orte der Begegnung wieder eine neue Bedeutung.“