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Kleiner Kredit, große Wirkung für Firmengründer

Kleiner Kredit, große Wirkung für Firmengründer

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Bochum. 

Die Bochumer GLS-Bank gilt als Pionier der Mikrofinanzierung in Deutschland. Sozial schwache Firmengründer können sich durch Mikrokredite Kapital besorgen. Einer Friseurmeisterin oder einem Gastronomen reichen oft schon überschaubare Summen als Startkapital aus.

Für Birgit Piasecki war es das Startkapital zu einem neuen Lebensabschnitt. Das Sonnenstudio, das sie seit 1992 geführt hatte, gab sie auf. Auch ihr Mann wechselte den Beruf. Der Immobilienmakler widmete sich fortan ebenfalls ganz dem gemeinsamen Unternehmen, einer kleinen Firma für Wandbeschichtungen. Seit mittlerweile 18 Monaten tingelt Birgit Piasecki beinahe täglich übers Land, um auf Messen oder in Kundengesprächen ihre Flüssigtapete – eine Mixtur aus Baumwolle, Seide und anderen Naturfasern – anzupreisen. Die 47-Jährige gerät ins Schwärmen, wenn sie über ihre berufliche Selbstständigkeit spricht. „Ich möchte mir nichts anderes mehr vorstellen“, sagt sie.

Bei einer klassischen Geschäftsbank hätte die Existenzgründerin aus Coesfeld wohl keine Chance gehabt. Sicherheiten, die Geldhäuser üblicherweise für einen Firmenkredit verlangen, gab es nicht. Es war purer Zufall, dass Birgit Piasecki eine Dortmunder Beratungsfirma kannte, die spezialisiert ist auf das Geschäft mit so genannten Mikrokrediten. So gelangte die Gründerin an das Geld, das sie dringend benötigte.

2000 bis 5000 Euro

Einer breiteren Öffentlichkeit die Anschubfinanzierung für Kleinbetriebe durch Muhammad Yunus bekannt geworden. Yunus, der Gründer der Grameen-Bank, erhielt 2006 den Friedensnobelpreis, weil er in seiner Heimat Bangladesch vielen Menschen durch winzige Geldbeträge den Aufbau einer menschenwürdigen Existenz ermöglichte.

Auch in Deutschland können sich sozial schwache Firmengründer durch Mikrokredite Kapital besorgen. Einer Friseurmeisterin oder einem Gastronomen reichen oft schon überschaubare Summen als Startkapital aus. Ein Mikrokredit kann 2000 bis 5000 Euro betragen, meist liegt er nicht über 20 000 Euro.

Bochumer Bank ist Pionier

Die Bochumer GLS-Bank gilt als Pionier der Mikrofinanzierung in Deutschland. Seit zehn Jahren schon ist die Bank auf diesem Gebiet aktiv – seit wenigen Tagen auch im Dienste der Regierung. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) beauftragte die Bank damit, flächendeckend das Geschäft mit Kleinstkrediten auszubauen. Auch die Beratungsfirma, die Birgit Piasecki geholfen hat, arbeitet mit der GLS zusammen.

100 Millionen Euro schwer ist der „Mikrokreditfonds Deutschland“, den von der Leyen als „Schutzschirm für Kleinunternehmen“ bezeichnet. „In der aktuellen Krise halten sich die Banken auch mit niedrigen Krediten für Kleinunternehmen und Selbstständige zurück“, sagt die Ministerin.

Hartz-IV-Empfänger als Zielgruppe

In den nächsten fünf Jahren will die GLS-Bank rund 15 000 Mikrokredite durch den Fonds finanzieren. Auch Hartz-IV-Empfänger gehören zur Zielgruppe. Zunehmend suchen Menschen, deren Job in der Wirtschaftskrise bedroht oder verloren gegangen ist, ihre Chance als Existenzgründer. „Gerade in der Krise sehen viele Arbeitslose ihre Chance in der Selbstständigkeit“, berichtet Stefan Dietzfelbinger, der Hauptgeschäftsführer der niederrheinischen Industrie- und Handelskammer.

Thomas Jorberg, der Vorstandssprecher der GLS-Bank, bezeichnet die Mikrokredite als Hilfe zur Selbsthilfe. „Das Bedürfnis nach solchen Finanzierungen ist gestiegen“, sagt er. Die GLS-Bank, die ihren Sitz in der Nähe des Bochumer Schauspielhauses hat, wurde 1974 als erste „nachhaltige Bank“ in Deutschland gegründet. Ihr Geschäftsmodell ist nicht nur an ökonomischen, sondern auch an sozialen und ökologischen Kriterien ausgerichtet. Gelegentlich sieht sich die GLS mit dem Vorwurf konfrontiert, sie lasse Menschen durch Mikrokredite in die Verschuldung laufen. Die Ausfallquote bei Mikrokrediten habe in den vergangenen Jahren bei nur drei Prozent gelegen, betont Jorberg. Er gehe davon aus, dass der Staat die 100 Millionen Euro aus dem Fonds praktisch vollständig zurückerhalten wird.

Birgit Piasecki hat bereits einen Großteil des geliehenen Geldes zurückgezahlt. Die Existenzgründerin sieht sich auf einem guten Weg. Schon im Laufe des Jahres will sie die komplette Kreditsumme getilgt haben.