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Organhandel im Kosovo-Krieg?

Organhandel im Kosovo-Krieg?

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Rribe. Während des Kosovo-Krieges sollen serbischen Gefangenen in Nordalbanien zwangsweise Organe entnommen worden sein. In Kosovo und Albanien wird das bestritten. Doch Ermittler des Haager Gerichtshofs und der Uno-Mission im Kosovo haben belastende Indizien zusammengetragen.

Das Haus der Familie Katuci soll auffällig gelb gewesen sein; heute ist es weiß getüncht. Es liegt am Ende der Siedlung von Rribe, in Nordalbanien, in der Nähe der Stadt Burrel. Immer wieder kommen Reporter vorbei, Ermittler des Uno-Kriegsverbrechertribunals waren schon lange da, auch ein albanischer Staatsanwalt hat das Haus untersucht. Rund zehn Jahre ist es her, dass sich hier unvorstellbare Greueltaten abgespielt haben sollen: Nach dem Kosovo-Krieg,1999, verschleppten Rebellen der kosovarischen Albaner-Miliz UCK angeblich 300 Gefangene, überwiegend Serben, in die Städte Kukes und Tropoja. Sie wurden in Lagerhäuser und Baracken gesperrt, die jüngsten und kräftigsten unter ihnen nach Burrel gebracht, in das gelbe Haus, heißt es. Dort wurden ihnen Organe entnommen, diese hätte die UCK-Führung auf dem Schwarzmarkt verkauft.

Bislang gibt es keine Beweise

Die ehemalige Chefanklägerin des Haager Kriegsverbrechertribunals für das ehemalige Jugoslawien, Carla del Ponte, beschäftigt sich in ihrem Buch „Die Jagd“ mit diesem schrecklichen Verdacht. Beweise, die für eine Anklage gereicht hätten, konnte Del Ponte allerdings nicht auftreiben. Bislang gibt es nur Gerüchte – und jede Menge Indizien.

So beschrieben acht angebliche Augenzeugen unabhängig voneinander ein gelbes Haus, in dem ein provisorischer Operationssaal eingerichtet war, wo Ärzte Organe entnommen haben sollen. Diese seien über den Flughafen in Tirana ins Ausland gebracht worden.

Gelbe Farbreste am verdächtigen Haus

Ermittler des Haager Gerichtshofs und der Uno-Mission im Kosovo (UNMIK) fanden 2004 tatsächlich Blutspuren, am Flussbett in der Nähe des Hauses wurden Spritzen, Verbände und leere Infusionsflaschen gefunden. Auch Aussagen der Familie Katuci machten die Experten stutzig. Sie behauptete, das Haus sei schon immer weiß angestrichen gewesen. Doch das Uno-Team fand schnell gelbe Farbreste unter dem Anstrich.

In Kosovo und Albanien werden die Vorwürfe abgestritten. Stichhaltige Beweise seien bislang nicht vorgelegt worden, heißt es. Die serbische Staatsanwaltschaft für Kriegsverbrechen besteht aber nach wie vor auf einer ernsthaften Untersuchung des Falles. Im vorigen Jahr leitete sie Ermittlungen zum mutmaßlichen Organhandel ein. Anhand von Fotografien identifizierte sie bisher acht Verdächtige und zehn Opfer der Kriegsverbrechen in Albanien. Es besteht der Verdacht, dass neben dem gelben Haus noch drei andere Orte in Nordalbanien existieren, wo Opfern Organe entnommen worden waren.

Organe offenbar in die Türkei verkauft

Inzwischen wurden den serbischen Ermittlern auch die Untersuchungsergebnisse der UNMIK zugestellt. Die Belgrader Tageszeitung „Politika“ berichtete gestern, dass in den streng geheimen Dokumenten die Namen von sechs Verdächtigen ebenso wie von Opfern genannt werden. Die mutmaßlich in Albanien entnommenen Organe sollen in der Türkei verkauft worden sein. Die Unterlagen dürften auch die Grundlage für Ermittlungen der EU-Rechtsstaatsmission im Kosovo (EULEX) darstellen, die mittlerweile für die Untersuchungen zuständig ist.

Hoffnungen richten sich darüber hinaus auf den Schweizer Sonderermittler Dick Marty. Der Europarat schickte den ehemalige Tessiner Staatsanwalt auf den Balkan, um die Vorwürfe innerhalb von zwei Jahren aufzuklären. Marty leitete bereits die Ermittlungen über geheime CIA-Flüge in Europa und wird sich wohl auch mit einem jüngeren Fall von Organhandel beschäftigen müssen. Denn sicher ist, dass auch heute illegale Geschäfte mit Körperteilen gemacht werden. So wurden erst Ende vorigen Jahres drei Ärzte in Pristina verhaftet, weil sie einem israelischen Patienten die Niere eines Türken implantiert hatten. Eine Niere bringt dem Spender auf dem internationalen Markt 1000 bis 3000 Euro ein. Den Empfänger in Not kostet sie bis zu 200.000 Euro – für kriminelle Banden ein lohnendes Geschäft.

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