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Opel soll Betriebsräte „gekauft“ haben

Opel soll Betriebsräte „gekauft“ haben

Der Autobauer Opel soll angeblich rechtswidrige Extra-Pauschalen an seine Betriebsräte zahlen und sie so schmieren. Doch der Betriebsrat verteidigt sich: Damit würden nur Überstunden abgegolten.

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Der Rüsselsheimer Autobauer Opel steht im Verdacht, seine Betriebsräte zu schmieren. Laut der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) zahlt das Unternehmen eine monatliche Extra-Pauschale zwischen 300 Euro für normale Betriebsräte und 1500 Euro für Mitglieder des Personal- oder Betriebsausschusses.

Dies ist aber für Arbeitsrechtler eine Straftat. Denn: „Die Zulagen sind ein glasklarer Verstoß gegen das gesetzliche Ehrenamtsprinzip“, sagte Gregor Thüsing, Arbeitsrechtsprofessor an der Universität Bonn. Betriebsräte dürften durch ihr Mandat keine finanziellen Vorteile haben. Damit soll ausgeschlossen werden, dass Unternehmen sie mit Zahlungen oder Vergünstigungen gefügig machen. Solche Vorfälle hatte es bereits etwa bei VW oder Siemens gegeben. Hier allerdings garniert mit Lustreisen beziehungsweise der Bestechung eines Arbeitnehmerverbandes.

Laut Opel-Gesamtbetriebsratschef Klaus Franz handelt es sich bei der Pauschale aber nicht um eine verbotene Zahlung. Vielmehr würden damit die Überstunden der Betriebsräte pauschal abgegolten. Dies stehe im Einklang mit dem Betriebsverfassungsgesetz.

Bochumer Betriebsratschef verteidigt Zahlungen

Zudem darf Franz laut FAS auch bei Gehaltserhöhungen für Betriebsräte mitreden. Dies sehe eine Vereinbarung mit Opel vor. Damit könnte Franz Lohnerhöhungen für ihm nicht genehme Betriebsräte faktisch blockieren. Auf Anfrage dieser Zeitung zeigte sich Franz einsilbig. „Ich werde diese Halbwahrheiten und Unterstellungen nicht kommentieren“, sagte er lediglich.

Rainer Einenkel, Betriebsratschef des Bochumer Opel-Werks, bestätigte Extra-Pauschalen. Allerdings bekämen normale Betriebsräte in Bochum nichts. „Die Mitglieder des geschäftsführenden Ausschusses des Betriebsrates erhalten aber eine Aufwandspauschale für Mehrarbeit. Diese ist jedoch deutlich niedriger als 1500 Euro“, sagte er der WAZ. Wie hoch der Betrag genau sei, erklärte er nicht.

Doch: Als Betriebsratschef arbeite er 60 Stunden wöchentlich, so Einenkel. Vergütet werde er aber nach einer 35-Stunden-Woche. „Laut Betriebsverfassungsgesetz darf kein Betriebsrat bevorteilt, aber auch nicht benachteiligt werden“, verteidigte er die Zahlung.

Die Frage ist, wann Betriebsräte gefügig gemacht werden

Doch mit den Zahlungen ist das so eine Sache: Ein Betriebsrat soll die Interessen seiner Kollegen gegenüber dem Chef oder dem Vorstand seines Unternehmens vertreten. Dafür muss er unabhängig sein von Wohl und Wehe der Chefetage. Doch wie unabhängig kann jemand sein, der Geld dafür erhält, dass er Betriebsrat ist? Die Frage, ob Unternehmen ihre Betriebsräte mit Geld oder anderen Nettigkeiten gefügig machen wollen, stellt sich in Großkonzernen des öfteren. Wie nun bei bei Opel, wo Gesamtbetriebsratschef Klaus Franz die Zahlungen nicht dementiert.

Das Betriebsverfassungsgesetz scheint eindeutig: Betriebsratsarbeit sei eine „unentgeltliche, ehrenamtliche Tätigkeit“. Dazu passen keine Zulagen. Doch das Gesetz lässt ein Schlupfloch offen: Betriebsräte dürfen für ihre Tätigkeit weder benachteiligt noch bevorteilt werden. Daraus lässt sich vieles ableiten. Zum Beispiel, dass Überstunden durch Betriebsratsarbeit bezahlt werden müssen, um keinen Nachteil zu haben. Eine weiteres gängiges Argument für Zulagen ist, dass Beschäftigte für ihre Betriebsratsarbeit auf größere Karriereschritte verzichten. Auch dafür müsse es einen Ausgleich geben.

Pauschale Zulagen sind eine „Grauzone“

Doch die Vermeidung eines Nachteils ist zwangsläufig nah dran an einer Bevorteilung. Wo endet die Entschädigung, wo beginnt das Kaufen von Betriebsräten? „Pauschale Zulagen für Betriebsräte sind möglich, aber dieses Verfahren ist höchst anfällig“, sagt der Duisburger Arbeitssoziologe Gerhard Bosch. Er spricht von einer „Grauzone“.

Erschwerend hinzu kommt, dass Verstöße, die mit bis zu einem Jahr Haft bestraft werden können, nur von den Betriebsräten oder dem Vorstand angezeigt werden können. Haben Management und Betriebsrat ein geschlossenes System geschaffen, wird keiner den anderen anzeigen.

Dafür, dass Franz sich gewisse Spielräume geschaffen hat, spricht laut FAS eine Vereinbarung mit dem Vorstand: Sie lege fest, dass für Änderungen der Zulagenhöhe der Betriebsratschef zuständig ist. Franz entscheidet also, wer wie viel Extrageld bekommt. Nach seinen eigenen Worten kommt es dabei nicht auf eine Stunde mehr oder weniger an: „Wir wollten einfach diese Bürokratie umgehen, alle Überstunden einzeln ausweisen zu müssen“, sagte Franz der FAS.

„Ich werde meine Bezüge sicher nicht an die große Glocke hängen“

Arbeitssoziologe Bosch nennt ein Beispiel für mehr Offenheit, ausgerechnet von der Konkurrenz: VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh stelle seine Bezüge ins Internet. „Betriebsräte sollten ihre Bezüge wie Vorstände offenlegen.“ Dagegen sagte Franz auf die Frage nach seinen Bezügen, die werde er „sicher nicht an die große Glocke hängen“.

Seit langem gibt es Überlegungen, wonach Betriebsräte angemessen honoriert werden sollten. Bisher bekommen sie ihr Monatsgehalt weitergezahlt, das bei manchen recht niedrig ist. Eine gesonderte, gesetzlich geregelte Vergütung könnte auch Mehrarbeit der Betriebsräte berücksichtigen. Nach eigener Aussage stellt Bochums Opel-Betriebsratschef Rainer Einenkel seine Arbeitskraft „rund um die Uhr“ zur Verfügung. „Ich muss über alle drei Produktionsschichten hinweg ansprechbar sein“, sagt Einenkel.

Klarere Vergütungsregeln könnten auch Imageschäden vorbeugen. „Wenn tatsächlich verbotene Pauschalen bei Opel gezahlt wurden, wäre es auch für das Unternehmen schlecht, das sich gerade im Aufwind befindet“, sagte der Automobilprofessor Ferdinand Dudenhöffer.