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Linksextreme wollen Proteste instrumentalisieren

Linksextreme wollen Proteste instrumentalisieren

Stuttgart. 

Die CDU in Baden-Württemberg rechnet in den nächsten Tagen weiter mit gewalttätigen Protesten zum Bahnprojekt Stuttgart 21. Innenminister Rech verteidigt erneut den Polizeieinsatz am Donnerstag mit mehr als hundert Verletzten.

Parteien aus dem linksextremen Spektrum sollen sich laut dem baden-württembergischen Verfassungsschutz an den Protesten gegen das umstrittene Bahnprojekt „Stuttgart 21“ beteiligt haben. Landesverfassungsschutzpräsidentin Beate Stube, sagte dem Nachrichtenmagazin „Focus“ laut Vorabmeldung vom Samstag, dass „linksextremistische Organisationen wie die Jugendorganisation der Linkspartei „Linksjugend Solid“ und die trotzkistisch ausgerichtete Sozialistischen Alternative (SAV) an der Jugendoffensive gegen S21 beteiligt“ gewesen seien.

Diese Gruppe habe die Schülerdemonstration angemeldet, nach der es am Donnerstag zu heftigen Zusammenstößen zwischen Polizei und Gegnern des Projektes gekommen war. Laut Bube versuchen bereits seit längerem Parteien aus dem „linksextremistischen Spektrum, die Proteste in Stuttgart zu instrumentalisieren“. Sie wollten eine latente „Unzufriedenheit in der Bevölkerung“ aufnehmen und diese mit der Kritik am politischen System verbinden. Diesen Gruppen ist es Bube zufolge allerdings noch nicht gelungen, ihren Einfluss so auszudehnen, dass sie im Kampf gegen Stuttgart 21 „breite Bündnisse“ erzielt hätten.

Auch im Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz heißt es laut „Focus“, bislang sei es nur linksradikalen „Kleinstgruppen“ gelungen, sich unter die Bahnhofs-Gegner zu schmuggeln. Der berüchtigte „schwarze Block“ sei noch nicht in Stuttgart „eingesickert“. Ein Besuch der wirklich Radikalen und Gewaltbereiten in Stuttgart könne allerdings schon sehr bald stattfinden.

Für das harte Vorgehen der Polizei bei der Demonstration gegen den Umbau des Stuttgarter Bahnhofs am Donnerstag ist nach Ansicht des Polizeiwissenschaftlers Thomas Feltes die baden-württembergische Landesregierung verantwortlich. Vieles spreche dafür, dass bei dem Einsatz von Anfang an keine Deeskalation geplant war, sagte der ehemalige Rektor der Hochschule für Polizei in Villingen-Schwenningen der „Stuttgarter Zeitung“.

Özdemir entschuldigt sich bei Mappus

Grünen-Chef Cem Özdemir hat sich bei Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) für seine Äußerung entschuldigt, dieser habe bei den Demonstrationen gegen das umstrittene Bahnprojekt „Stuttgart 21“ „Blut sehen“ wollen. „Ich entschuldige mich in aller Form bei Ministerpräsident Stefan Mappus für diese Äußerung und nehme sie vollständig zurück“, erklärte der Grünen-Politiker am Samstag in Berlin.

Er sei nach dem Einsatz der Polizei am Donnerstag und der Eskalation zur Gewalt „zunehmend fassungslos und aufgebracht“ gewesen, teilte Özdemir mit. „Ich hätte so etwas in Deutschland im Jahre 2010 nicht mehr für möglich gehalten.“

Trotz seiner anhaltend „scharfen Kritik am Vorgehen der Landesregierung“ räumte Özdemir ein, dass seine Äußerung „Herr Mappus wollte hier Blut sehen“ unangebracht gewesen sei. „Es hilft auch niemandem, wenn jetzt die Situation weiter angeheizt wird“, sagte der Grünen-Chef. Er erneuerte seine Forderung nach einem Dialog sowie einem sofortigen Baustopp.

Scharfe Kritik

Grünen-Bundesvorsitzender Cem Özdemir hatte den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) heftig für das Vorgehen gegen die Gegner des Bauprojekts Stuttgart 21 kritisiert. „Wer auf ältere Damen und Kinder einprügeln lässt, hat jedes Recht auf den Anspruch eines christlichen Landesvaters verwirkt. Im März wird er bei der Landtagswahl abgewählt werden, dann wird auch sein Innenminister Heribert Rech gehen. Er sollte sich dann bei Wladimir Putin bewerben. Mit diesem brutalen Vorgehen gegen Demonstranten hat er dort gute Einstellungschancen“, sagte Özdemir der „Passauer Neuen Presse“.

Özemdir sieht hinter dem Vorgehen gegen die Demonstranten knallhartes Kalkül: „Seine eigenen Anhänger, bürgerliche Demonstrierende, sollen abgeschreckt werden, indem man ihnen Angst macht. Die anderen Demonstranten sollen in die Emotionalisierung getrieben werden, damit sich das erfüllt, was man seit Monaten über sie behauptet“, sagte Özdemir. Aber das werde nicht aufgehen. „Herr Mappus schaufelt sich da gerade sein eigenes politisches Grab.“

Özdemir fordert eine Neubewertung des Bauprojekts: „Die Informationen, die damals vorlagen, haben sich komplett verändert. Und damit auch die demokratische Legitimation. Die muss neu bewertet werden. Übrigens, es ist nicht verboten, einzusehen, wenn man sich getäuscht hat.“ Eine Mitbeteiligung von Rot-Grün an der Entscheidung wies Özdemir zurück: „Wir haben auf Bundesebene zugestimmt, uns finanziell am Ausbau des Bahnknotens Stuttgart zu beteiligen, das heißt aber vor allem eine Modernisierung des Kopfbahnhofs. Wir haben nie einem Antrag zugestimmt, der ein Bekenntnis zu Stuttgart 21 beinhaltet.“

CDU befürchtet weitere Gewalt wegen Stuttgart 21

Die baden-württembergische CDU befürchtet weitere Gewalt bei den Protesten gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21. Der Generalsekretär der CDU in Baden-Württemberg, Thomas Strobl, sagte dem „Tagesspiegel“ laut Vorabbericht: „Wir werden wohl in den nächsten Tagen weitere von starker Aggressivität und Gewalt begleitete Proteste haben.“ Strobl verteidigte den jüngsten Einsatz von Gewalt durch die Polizei. Man dürfe Ursache und Wirkung nicht verwechseln. „Denn die Aggression ging von den Demonstranten aus.“ Die Beamten hätten mit Maß und Verhältnismäßigkeit reagiert.

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) forderte die Gegner von Stuttgart 21 zu Gesprächen auf. „Angesichts der Ereignisse vom Donnerstag bedarf es dringend einer Deeskalation“, sagte der CSU-Politiker der „Augsburger Allgemeinen“ laut Vorabbericht. Die Deutsche Bahn bekundete ihre Gesprächsbereitschaft, schloss einen Baustopp aber kategorisch aus. „Stuttgart 21 wankt nicht, wird gebaut, und es wird keinen Baustopp geben“, sagte Bahnchef Rüdiger Grube am Freitag in Stuttgart.

Grünen-Chefin Claudia Roth erklärte, sie sehe keinen Spielraum für Kompromisse zwischen den Gegnern und Befürwortern. „Man kann nicht reden, wenn gleichzeitig versucht wird, Tatsachen zu schaffen“, sagte Roth der „Augsburger Allgemeinen“. Sie kritisierte den gewaltsamen Einsatz der Polizei gegen Demonstranten als unverhältnismäßig: „Mit so brachialer Gewalt eine Schülerdemo zu beenden, ist eine Bankrotterklärung der Politik im Südwesten.“ Das Vorgehen der Ordnungskräfte gegen Jugendliche sei „brandgefährlich für die Demokratie“.

Kauder und Bosbach verteidigen „Stuttgart 21“

Unions-Fraktionschef Volker Kauder und der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (beide CDU), haben das umstrittene Bahnprojekt „Stuttgart 21“verteidigt. „Es ist ein Projekt, das für die Zukunft Baden-Württembergs wichtig ist“, sagte Kauder dem „Hamburger Abendblatt“. „Wir müssen erreichen, dass unsere Gesellschaft dynamisch bleibt. Wir dürfen uns der Zukunft nicht verweigern. In diesem Zusammenhang ist Stuttgart 21 von großer Bedeutung.“

Zugleich zeigte sich Kauder zuversichtlich, dass die CDU bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg im kommenden Jahr erfolgreich sein wird. „Die Wahlen sind erst am 27. März“, sagte er. „Wenn wir die Bedeutung des Bahnprojekts Stuttgart 21 endlich gut erklären, wird sich die Lage verbessern. Dafür müssen wir die nächsten Monate nutzen.“

Bosbach warnte davor, den technischen Fortschritt in Deutschland zu blockieren. „So wie wir heute Politik machen, wäre eine technische Innovation wie die Eisenbahn überhaupt nicht mehr durchsetzbar“, sagte er der in Halle erscheinenden „Mitteldeutschen Zeitung“ (Samstagausgabe). „Stellen Sie sich mal vor, wir würden quer durch die Republik Gleise verlegen und in den Innenstädten Bahnhöfe bauen. Es gäbe gewaltige Bürgerproteste.“ „Stuttgart 21“ sei von Parlamenten gebilligt und von Gerichten für Recht erachtet worden, sagte Bosbach.

Bei dem Milliardenprojekt soll der Kopfbahnhof der baden-württembergischen Landeshauptstadt in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof umgewandelt und der Flughafen an das Fernschienennetz angebunden werden. Gleichzeitig soll eine neue Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Wendlingen und Ulm entstehen.

Tübinger Bürgermeister Palmer wirft Landesregierung Provokation vor

Der Tübinger Bürgermeister Boris Palmer (Grüne) wirft der Baden-Württembergischen Landesregierung gezielte Provokationen vor. „Das war kein Unfall, kein Versehen und auch nicht der Schwarze Block. Das war kalkulierte Gewalt, um die Wahl im Frühjahr zu beeinflussen“, sagte Palmer der“ Frankfurter Rundschau“ zum Vorgehen der Polizei in Stuttgart. Bei der Demonstration am Donnerstagabend gegen das umstrittene Bahnprojekt Stuttgart 21 waren Hunderte Demonstranten verletzt worden. „Wir wurden Zeuge einer kalkulierten und wohlbedachten Inszenierung“, sagte Palmer.

Für die Landesregierung und im Hintergrund auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sei klar geworden, dass die Bevölkerung nicht mehr vom Nutzen des Bauvorhabens überzeugt werden könne, zumal die Kostenschätzungen stark gestiegen waren. Daraufhin hätten die Regierenden eine neue Strategie eingeschlagen, argumentiert Palmer: „Nun geht es um den Wirtschaftsstandort, den Fortschritt und die Glaubwürdigkeit der Politik.“ Deshalb habe diese auch unmittelbar nach Auslaufen des Baumfällverbots mit den Arbeiten begonnen.

„Das signalisierte: Ihr habt uns nichts zu sagen! Ihr könnt den Bebauungsplan nicht verzögern, nicht um eine Sekunde. Und wer das dennoch versucht, der gehört zu den Störern und Chaoten“, sagte Palmer der Zeitung.

Innenminister Rech verteidigt erneut Polizeieinsatz

Baden-Württembergs Innenminister Heribert Rech (CDU) hat erneut das Vorgehen der Polizei gegen die Gegner des Bauprojekts „Stuttgart 21“ verteidigt. Er habe „keine Zweifel“, dass die Polizei bei der Demonstration am Donnerstag im Stuttgarter Schlossgarten „rechtmäßig gehandelt“ habe, sagte Rech am Samstag im Deutschlandfunk. Von der Polizei sei ihm berichtet worden, dass einige der Demonstranten „Wurfgeschosse“ auf die Beamten geschleudert hätten. Er selbst habe Bilder gesehen, auf denen ein Demonstrant einen Stuhl auf einen Polizisten geworfen habe.

Darüber hinausgehende Beweise, dass die Gewalt von den Protestierenden ausging, lägen ihm derzeit nicht vor. Beweissicherungsteams der Polizei werteten derzeit noch die Bilder der Vorfälle aus. Sollte sich herausstellen, dass die Polizei unverhältnismäßig gehandelt habe, müsse das Konsequenzen haben, sagte Rech weiter und schloss auch einen Rücktritt nicht aus: „Da scheu ich mich persönlich vor keinerlei Konsequenzen.“ Bei der Demonstration am Donnerstag war die Polizei mit Wasserwerfern und Pfefferspray gegen die Protestierenden vorgegangen. Eine neuerliche Versammlung der „Stuttgart 21“-Gegner am Freitag mit mehreren zehntausend Teilnehmern war friedlich geblieben. (dapd/rtr)