Veröffentlicht inEssen

Überflüssige Verbotspolitik zur Essener Trinkerszene

Überflüssige Verbotspolitik zur Essener Trinkerszene

Mit ihrer Zustimmung für das Alkoholverbot für Teile der Innenstadt steht die CDU bislang allein auf weiter Flur. Passanten denken unterschiedlich.

Essen. 

Es ist ein in der Republik einigermaßen einsamer Vorstoß, der schon deshalb nicht ohne Wirkung blieb: Mit dem Plan eines Alkoholverbots für Teile der City geriet die Stadt Essen gestern schnell auf den Nachrichten-Radar der nationalen Medien. In einem Interview mit dem ZDF machte CDU-Fraktionschef und OB-Kandidat Thomas Kufen deutlich, dass er für ein „striktes Alkoholverbot auf dem Willy-Brandt-Platz“ ist: „Der Platz soll sich nicht weiter als Treffpunkt einer Trinker- und Drogenszene etablieren. Gleichzeitig brauchen wir natürlich in der Innenstadt breite Hilfsangebote der Sucht- und Drogenhilfe“, so Kufen, der mit seiner entschiedenen Haltung allerdings ziemlich allein auf weiter Flur ist.

Abwarten und Tee trinken – so lässt sich bislang die Reaktion von SPD und Polizei auf die vom Verwaltungsvorstand der Stadt auf Initiative des Oberbürgermeisters beschlossene Prüfung eines Banns für Bier und andere berauschende Getränke an den Szenetreffs in der City bringen. „Wir warten die Ergebnisse der Verwaltung ab“, sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Roman Brüx: „Für uns gibt es da keine Denkverbote.“ Kaum anders ließ sich Polizeisprecher Ulrich Faßbender vernehmen: „Es stehen Gespräche zwischen der Stadt und der Polizei aus. Die wollen wir abwarten und uns danach ein Urteil bilden.“

Grüne wollen Ursachen bekämpfen

Grüne, Linke, FDP und die Bürgerlich Alternative Liste im Rat der Stadt Essen (BAL) bezeichneten die Pläne rundheraus als Schnapsidee und überflüssige Verbotspolitik, die zudem auf tönernen Füßen stehe. Wie die NRZ berichtete, existiert in Nordrhein-Westfalen keine verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zur Rechtmäßigkeit solcher Alkoholverbote.

„Ein Alkoholverbot in der Innenstadt ist eine Schnapsidee, die mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar ist“, gibt Ahmad Omeirat, ordnungspolitischer Sprecher der grünen Ratsfraktion zu bedenken. Auch die Überwachung eines solches Verbotes sei sehr schwierig. Die Polizei binde damit unnötig Kräfte, so Omeirat. Letztlich bekämpfe ein Konsumverbot nur die Symptome, aber nicht die Ursachen für Alkoholsucht. „Mit dem Verbot sollen die Trinker offensichtlich aus dem Blickfeld einer größeren Öffentlichkeit geschafft werden“, ist der Ratsherr der Grünen überzeugt.

Am Problem vorbei geht auch für die Linke ein solches Vorhaben: „Wir wollen nicht, dass durch unnötige und vermutlich rechtswidrige Maßnahmen die Menschen der Trinkerszene schikaniert werden“, stellt die Fraktionsvorsitzende Gabriele Giesecke klar: „Suchtabhängige brauchen Hilfe und keine Verbote und Ausgrenzung. Der öffentliche Raum ist für alle da.“ Zudem stehe ein Alkoholverbot auf wackligen Füßen, solange die Menschen niemanden belästigten oder keine Gewalt von ihnen ausgehe.

Mehr als zweifelhaft

Die FDP-Fraktion gibt sich ebenfalls kritisch: „Dass nunmehr die Stadtverwaltung juristisch mehr als zweifelhafte Verbote durchsetzen will, löst bei uns Freien Demokraten großes Erstaunen aus“, sagt Peter Lotz, ordnungspolitischer Sprecher. Man sehe keine Veranlassung für solch drastische Maßnahmen, da von der Szene keine Gefahr für die Sicherheit der Besucherinnen und Besucher der Innenstadt ausgehe. Lotz erinnert an Überlegungen seiner Fraktion, die Wasserspiele an der Höhe Lindenallee zu einem öffentlichen Spielplatz umzuwidmen, um dort ein partielles Alkoholverbot durchzusetzen. „Dies wurde von der Verwaltung abgelehnt.“ Die Szene solle im Zusammenspiel mit den Wohlfahrtsverbänden schnellstmöglich verlagert werden.

„Wir brauchen nicht ständig neue Verbote, sondern insbesondere für die Trinkerszene geeignete sozialpädagogische Konzepte, ausreichende Finanzmittel für Sozialarbeit in und mit der Szene sowie zeitgemäße ordnungspolitische Planungen zum Beispiel für die Verlagerung der Szene“, ist BAL-Ratsfrau Elisabeth van Heesch-Orgass überzeugt. Zu einer freien Gesellschaft gehöre auch die Freiheit, in der Innenstadt Alkohol zu konsumieren.

Das sagen Szene und Passanten

„Irgendwo müssen wird doch hin!“ Das ist ein Satz, der am Donnerstagmittag häufiger fällt am Willy-Brandt-Platz. Die Sonne scheint, es ist einigermaßen warm. Gutes Wetter für ein Bier im Freien. Gut ein Dutzend Männer und Frauen aus der Trinkerszene haben sich hier versammelt, sie sitzen und stehen um den Eingang zur U-Bahn herum. Vom angedachten Alkoholverbot ist naturgemäß niemand begeistert.

„Ich halte das für Schwachsinn“, sagt Thomas S., der seinen vollen Namen nicht nennen möchte. „Man hat hier schnell den Stempel drauf und wird in eine Ecke gestellt, wo man gar nicht hingehört.“ Ärger oder Gewalt, sagt S., würden von keinem aus der Szene ausgehen. Das möchte auch Willi Spschungalla, der regelmäßig seine Zeit am Willy-Brandt-Platz verbringt, betont wissen: „Passanten werden hier niemals angemacht. Klar gibt es mal Stress untereinander, aber: Pack schlägt sich, Pack verträgt sich.“ Von einem Alkoholverbot rund um den Handelshof hält Spschungalla wenig. „Das bringt nichts“, sagt er. „Stattdessen muss endlich etwas geschehen, dass die Leute wo hin können. Viele sind wohnungslos und haben gar keine andere Möglichkeit.“

Bei den Passanten in der Innenstadt sind die Meinungen über das Alkoholverbot gespalten. Viele finden die Idee an sich zwar überlegenswert, haben aber größere Zweifel daran, ob sich eine solche Maßnahme überhaupt so einfach umsetzen lässt. Außerdem sehen viele in dem Ansatz der Stadt nur eine Verlagerung des Problems, keine Lösung. „Die Leute würden eben woanders hingehen“, sagt Christine Wild stellvertretend für mehrere Befragte. Gestört fühlt sie sich persönlich von der Trinkerszene nicht. „Das ist für mich auch eine Form von Toleranz: Solange mich keiner angeht, gehe ich auch niemanden an.“ Ganz anders sieht das Frank Kemmerling, der sagt: „Es stinkt, überall liegen Scherben auf dem Boden. Ich bin dafür das Verbot rigoros durchzusetzen.“