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Dortmunder Nazi-Tatort „Hydra“ ist mutig und aufwühlend

Dortmunder Nazi-Tatort „Hydra“ ist mutig und aufwühlend

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Tatort: Hydra Foto: WDR/Thomas Kost
Der fünfte Dortmunder „Tatort“-Fall „Hydra“ ist mutig und aufwühlend. Er setzt sich mit der rechten Szene auseinander. Aylin Tezels Figur Nora wird übel mitgespielt. Aber sie steht ihren Mann.

Dortmund. 

Schüsse aufs Fenster, Stahlkugeln im Wohnzimmer: Für Nora Dalay (Aylin Tezel) wird’s ernst. Ein vorsichtiger Blick auf die Straße verrät ihr, wer der Schütze ist. Ein Neonazi, den sie kennt: Tobias Kossik (Robert Stadlober), Bruder ihres Kollegen Daniel (Stefan Konarske). Sie verfolgt ihn – und gerät in eine Falle. Mehrere Rechte kreisen die junge Polizistin ein, verprügeln sie und sprayen der Deutsch-Türkin obendrein ein Hakenkreuz auf den Bauch. Doch das Küken im vierköpfigen Team am „Tatort“ Dortmund gibt nicht auf. Sie ist die Lichtgestalt in der ausgesprochen düsteren Folge „Hydra“.

Der Titel geht auf ein griechisches Fabelwesen zurück. Wurde Hydra ein Kopf abgeschlagen, wuchsen zwei neue Köpfe nach.

Der Krimi dröselt die Szene auf

Regisseurin Nicole Weegmann und Drehbuch-Autor Jürgen Werner war wichtig, ihre erfundene Geschichte um den Tod eines führenden Dortmunder Nazis im Kern auf Fakten zu stützen. Der in vieler Hinsicht anspruchsvolle Film will keine dumpfen Klischees kultivieren. Also dröselt er die Szene auf. Kommissar Faber (Jörg Hartmann) und Mannschaft stoßen vor fieser Großstadt-Kulisse auf einen Machtkampf zwischen Glatzen und bürgerlich wirkenden Nazis.

Ein Mord-Motiv hätte auch eine Deutsch-Israelin (Valerie Koch). Ihr Ehemann wurde von Rechten bei einem Überfall getötet. Sie mag mit der Polizei nicht zusammenarbeiten: schlechte Erfahrungen.

Damit werden eine Menge Figuren eingeführt, die immer wieder eine Rolle spielen. Doch es wird noch komplizierter. Die Täter-Suche wird erschwert, weil ein Zeuge eingeschüchtert wurde. Grund dafür ist ein Leck bei der Polizei. Gibt es womöglich einen V-Mann?

Wallander im Quadrat

Faber & Co. müssen in zwei Richtungen ermitteln: nach außen und nach innen. Welche Rolle spielt der Staatsanwalt (Moritz Führmann), welche Rolle der nicht zum Team gehörende Hauptkommissar Krüger (Robert Schupp)?

Aber das ist noch nicht alles. Der fünfte Dortmunder „Tatort“ muss obendrein sein Markenzeichen pflegen: die Beziehungen im Team. Das heißt bei einer so markanten wie sperrigen Figur wie Team-Chef Faber: Krawall. Obwohl Faber inzwischen das dunkle Geheimnis um den Tod seiner Frau kennt, bleibt er ein Kotzbrocken. Als er seine aufgelöste Jung-Kollegin nach dem Überfall trifft, hat er für sie nichts als zynische Sprüche übrig. Seiner in etwa gleichaltrigen Kollegin Martina Bönisch (Anna Schudt) vermasselt er einen Flirt an der Hotel-Bar. Später gesteht er ihr, er sei dem Wahnsinn nahe. Jörg Hartmann verkörpert seinen Faber als Wallander im Quadrat (und der ist bekanntlich schon ziemlich muffig). Faber braucht Therapie, eine neue Partnerin oder beides.

Kaffee und Mettbrötchen bringen jeden zum Reden

Beim Umgang mit Verdächtigen allerdings ist Faber auf verstörende Weise brillant – ein „Dr. House“ der Mördersuche. Mal biedert sich Faber zum Schein bei Rechtsextremen an, um ihnen erfolgreich Informationen zu entlocken, mal bringt er einen Obdachlosen (Michael Witte) mit Kaffee und Mettbrötchen zum Reden. In dieser Szene gibt es das, was dem schwedischsten aller deutschen Krimis ansonsten fehlt: Humor.

Schließlich wird der nicht durchweg spannend erzählte Fall komplett geklärt. Doch der Film endet skeptisch. Erneut fliegt eine Stahlkugel. Hydra lässt grüßen.

Fazit. Mutiger, aufwühlender Film mit trauriger Aktualität. Doch eine Überfülle an Themen kostet Spannung.

Sonntag, 11. Januar, ARD, 20.15 Uhr