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Kulturhauptstadt-Chef in Sorge um Zukunft des Ruhrgebiets

Kulturhauptstadt-Chef in Sorge um Zukunft des Ruhrgebiets

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Foto: WAZ FotoPool/ Ralf Rottmann
Der Chef der Kulturhauptstadt, Oliver Scheytt, beklagt – wie Bundestagspräsident Lammert – den fehlenden Willen zur Zusammenarbeit an der Ruhr.

Essen. 

Der frühere Geschäftsführer des Kulturhauptstadt-Projekts Ruhr 2010, Oliver Scheytt, kritisiert scharf die Ruhrgebiets-Politik. Sie verhindere, was diese Region dringend brauche: mehr Zusammenarbeit zwischen den Städten.

„Im Kern geht es hier hauptsächlich um die Macht von Oberbürgermeistern, Verbänden, Handwerkskammern“, sagte Scheytt unserer Redaktion. Diese Entscheider hätten nicht erkannt, dass das Revier „als Ganzes mehr Chancen hat als die Summe seiner Teile“. Die Kulturhauptstadt habe mit Aktionen wie dem A40-Stillleben und den Schachtzeichen das regionale Bewusstsein der Bürger vertieft. Das Lebensgefühl der Menschen ende jedenfalls nicht an Stadtgrenzen. Viele von jenen, die in der Region Entscheidungen treffen, pflegten aber Eifersüchteleien und Egoismen.

Beispiel Großprojekte

„Als es darum ging, das Ruhrmuseum auf Zollverein zu finanzieren, winkte das Ruhrgebiet ab. Vom Regionalverband RVR gab es eine Absage, weil besonders der damalige Dortmunder OB Lange-meyer das Projekt nicht fördern wollte, da es in Essen liegt. Erst der Chef des Landschaftsverbandes Rheinland, Udo Molsberger, verstand die Tragweite des Vorhabens und sorgte für die Finanzierung.“

Das Revier brauche regionale Großprojekte, sagt Scheytt. „Bei der Klima Expo NRW 2022 könnte das Ruhrgebiet eine größere Rolle spielen. Die regionale Bewerbung für die Grüne Hauptstadt Europas funktionierte nicht, weil Dortmund Essen nicht als Bannerträger bei der Bewerbung akzeptierte. Dortmund ist allzu oft Bremser von regionalen Ideen. Warum wird nicht an einer Bewerbung der Metropole Ruhr für die Expo 2030 gearbeitet? Und warum ist es so still um die Bewerbung um die Internationale Gartenausstellung 2027?“

Die Region könne ein Projekt vom Kaliber Ruhr 2010 leicht wieder stemmen. „Das Gesamtvolumen der Kulturhauptstadt lag bei 80 Millionen Euro, die Marketingkosten beliefen sich auf 12 Millionen Euro, über vier Jahre verteilt.“

Beispiel Nahverkehr

„Woran erkennt man einen Ruhri in einer anderen Metropole? Er rennt hinter der Straßenbahn her, weil er glaubt, die nächste käme erst in einer halben Stunde“, spottet Scheytt. „Es gibt im Ruhrgebiet unzählige Verkehrsgesellschaften mit einer Menge gut bezahlter Chef- und Aufsichtsratsposten. Aber niemand hatte bei der Planung des Nahverkehrs die ganze Region im Blick. Das setzt sich bis heute fort. Wir brauchen hier keine fünf verschiedene Automatensysteme und drei Spurbreiten.“ Scheytt blickt nach Stuttgart: „Der Regionalverband dort hat viel mehr Kompetenzen als der RVR. Er ist für den regionalen Nahverkehr zuständig. Dieser Verband in Stuttgart ist mächtig und stark, der RVR ist es bei weitem noch nicht.“

Beispiel Tourismus

„Über 100 Menschen arbeiten in den verschiedenen städtischen Touristik-Büros. Warum wird nicht stattdessen die Ruhr Tourismus GmbH personell gestärkt? Auch die Wirtschaftsförderung könnte mit einer stärkeren regionalen Bündelung mehr für alle erreichen als jede einzelne Stadt für sich.“

Hoffnungen setzt Scheytt auf Revier-Oberbürgermeister wie Frank Baranowski oder Bernd Tischler: „Sie denken regional, anders als die alten Revier-OB.“