Veröffentlicht inWirtschaft

Warum Daimler-Chef Zetsche das Google-Auto gut findet

Warum Daimler-Chef Zetsche das Google-Auto gut findet

dpa_148B2400630591CA.jpg
Jahresrückblick Baden-Württemberg 2014 Foto: dpa
Daimler-Chef Dieter Zetsche lobt die Pionierarbeit des Internet-Riesen für das selbstfahrende Auto – und fordert Subventionen für Elektromobilität.

Duisburg. 

Eine Million Elektroautos möchte die Bundesregierung bis Ende 2020 auf Deutschlands Straßen sehen. Doch das Ziel befindet sich in weiter Ferne. Ob und wie es zu erreichen ist, darüber spricht Daimler-Chef Dieter Zetsche in unserem Interview. Vor dem Google-Auto hat er keine Angst – ebenso wenig vor den Brennstoffzellen-Fahrzeugen des Konkurrenten Toyota. Die Fragen an Zetsche stellte Ulf Meinke.

Herr Zetsche, warum gibt es so wenige Elektroautos auf Deutschlands Straßen?

Dieter Zetsche: Mit Elektroautos ist es derzeit noch ein wenig wie mit Windrädern: Viele finden die Idee irgendwie toll – aber kaum jemand möchte sie vor der eigenen Haustüre stehen haben: Ihr Anteil an den Neuzulassungen lag im ersten Halbjahr 2014 bei gerade einmal 0,4 Prozent. Immerhin geht der Trend in die richtige Richtung: Die Zahl der Zulassungen wächst. Um das Volumenziel der Bundesregierung zu erreichen, fehlen uns allerdings noch 976.000 E-Fahrzeuge auf deutschen Straßen.

Was muss sich ändern?

Zetsche: Wenn wir in diese Dimensionen vorstoßen wollen, müssen die richtigen Voraussetzungen geschaffen werden. Das vorgeschlagene Elektromobilitätsgesetz hilft dabei, wird aber nicht reichen. Deshalb wünsche ich mir, dass wir in Deutschland zeitnah eine sachliche Diskussion über zusätzliche finanzielle Anreize führen. Im Ausland ist man uns in diesem Punkt teilweise weit voraus.

Wird die Chance verspielt, durch mehr Elektroautos den Klimaschutz zu verbessern?

Zetsche: Ich denke, wir sollten nicht Technologien bewerten, sondern Resultate. Wir haben bei Daimler die CO2-Emissionen unserer Pkw-Flotte in Europa innerhalb von nur zwei Fahrzeuggenerationen um 40 Prozent gesenkt. Und das ist vor allem auf die Optimierung klassischer Verbrennungsmotoren zurückzuführen.

Was heißt das für Elektroautos?

Zetsche: Für Elektroautos gilt: Sie sind lokal emissionsfrei, aber nicht per se umweltfreundlicher als andere Antriebskonzepte. In der Gesamtbilanz sind reine Elektroautos so grün wie der Strom, mit dem sie betrieben werden. Und da gibt es – je nach Strommix – international große Unterschiede. Bei allen gebotenen Anstrengungen sollte man auch nicht aus den Augen verlieren, dass 89 Prozent der gesamten CO2-Emissionen in Europa nicht durch Pkw verursacht werden. Der Individualverkehr kann also nur einen begrenzten Beitrag zum Klimaschutz leisten.

Welche Pläne verfolgt Daimler in Sachen Elektromobilität?

Zetsche: Unser smart fortwo electric drive ging schon 2007 in Serie. Allein von der aktuellen Generation haben wir 13.000 elektrische smarts produziert. Dieses Jahr haben wir mit der elektrischen B-Klasse nachgelegt. Sie ist voll alltagstauglich – mit Platz für bis zu fünf Passagiere plus Gepäck und 200 Kilometern elektrischer Reichweite. Das ist ein sehr gutes Paket. Trotzdem planen wir für das Auto nicht im Ansatz mit den Stückzahlen, die wir von der Verbrenner-Version verkaufen. Denn für viele Kunden bleiben noch immer Fragen offen, vor allem in Bezug auf die höheren Kaufpreise und die mangelnde Infrastruktur.

Offene Fragen bei Kunden sind nicht gerade ein Kaufargument.

Zetsche: Bis diese Fragen beantwortet sind, ist unser Kurs in Richtung E-Mobilität klar: Wir setzen auf Plug-in-Hybride. Das Konzept bietet alle Vorteile des elektrischen Fahrens und gleicht mit seinem Verbrennungsmotor die Nachteile aus, die E-Antriebe durch geringere Batteriekapazitäten und lückenhafte Lade-Infrastruktur heute noch haben. Hybrid-Modelle zeigen die mit Abstand größte Dynamik im deutschen E-Automarkt. Und wir gehen davon aus, dass das Segment weiter deutlich wächst. Bis 2017 bringen wir insgesamt zehn Plug-in-Hybride auf den Markt.

Multimedia-SpezialToyota hat kürzlich ein erstes Serienauto mit Brennstoffzelle präsentiert. Verlieren die deutschen Hersteller bei dieser Technologie den Anschluss?

Zetsche: Die Brennstoffzelle ist eine interessante Technologie. Und wir haben mit mittlerweile mehr als 300 Fahrzeugen und rund neun Millionen gefahrenen Kilometern bewiesen, dass Brennstoffzellenfahrzeuge reif sind für die Straße. Aber wenn die Brennstoffzelle den Durchbruch schaffen soll, muss man die Kräfte bündeln.

Wie soll das gehen?

Zetsche: Wir tun das gemeinsam mit Nissan und Ford. Und wir freuen uns über die Aktivitäten anderer Hersteller. Gemeinsam wird es sicher leichter sein, die entsprechende Infrastruktur von Wasserstofftankstellen aufzubauen. Das können wir nicht alleine, wir setzen hier – wie etwa in der Initiative H2Mobility – auf intensives, branchenübergreifendes Teamwork.

Tut Daimler genug für Forschung und Entwicklung?

Zetsche: Baden-Württemberg ist einer aktuellen Studie zufolge die Region mit der größten Innovationskraft in Europa. Das haben wir zu einem guten Teil der hiesigen Autoindustrie zu verdanken. Bei Daimler fließen 2014 und 2015 insgesamt elf Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung. Wichtig ist aber nicht nur die Höhe der Investitionen. Qualität, Umsetzungsgeschwindigkeit und Kundennutzen sind für uns mindestens so wichtig.

Was heißt das konkret?

Zetsche: Die eigentliche Herausforderung besteht darin, die richtigen Innovationen zum richtigen Zeitpunkt auf den Markt zu bringen. Hätte ich Ihnen vor zehn oder fünfzehn Jahren von selbstfahrenden Autos erzählt, hätten Sie wahrscheinlich gedacht: Der hat zu viele Science-Fiction-Filme gesehen. Heute wird das Thema, dank viel größerer Rechenleistung und neuer Sensor-Technik, immer greifbarer.

Der Internetkonzern Google hat ein selbstfahrendes Auto entwickelt. Wird hier das Auto neu erfunden – und zwar ohne deutsche Beteiligung?

Zetsche: Google hat dazu beigetragen, das autonome Fahren in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung zu rücken. Das finde ich gut. Aber soweit ich weiß, hat Google nicht den Plan, nun überall Autofabriken aus dem Boden zu stampfen. Und was den technologischen Beitrag der deutschen Autoindustrie betrifft: Da gibt es keinen Grund zur Panik. Im Gegenteil: Mercedes-Benz sehe ich in vielen Bereichen vorn.

Ein Beispiel?

Zetsche: Als erster Hersteller sind wir im Jahr 2013 auf einer Strecke von 100 Kilometern im Überland- und innerstädtischen Verkehr autonom gefahren. Damit haben wir gezeigt, dass autonomes Fahren auch jenseits der Autobahn technologisch möglich ist – und das mit weitestgehend seriennaher Technologie, die Mercedes-Kunden schon heute für teilautomatisierte Funktionen nutzen können. Auch den weltweit ersten autonom fahrenden Lkw haben wir vorgestellt.

Wie geht es jetzt weiter?

Zetsche: Im Januar legen wir auf der Consumer Electronic Show in Las Vegas mit einem Konzeptfahrzeug nach. Dabei geht es um die Frage: Wie sieht ein Mercedes der Zukunft aus, der von Anfang an für die Ära des autonomen Fahrens designt ist? Ich glaube, wir haben eine ziemlich attraktive Antwort gefunden

Einparkassistenten und Navigationssysteme gehören längst zum Standard. Werden Autos mehr und mehr zu rollenden Computern?

Zetsche: Der rollende Computer ist eigentlich ein alter Hut. Wir reden längst über ein ganzes Netzwerk, bestehend aus einer Vielzahl von Rechnern. Moderne Assistenzsysteme basieren auf einer intelligenten Vernetzung von Kameras, Radar- und Ultraschallsensoren. Der nächste Schritt heißt Car-to-X-Kommunikation – also der Informationsaustausch von Fahrzeugen untereinander und mit der Verkehrsinfrastruktur. Damit steht eine neue Technologie in den Startlöchern, die den sogenannten telematischen Horizont des Fahrzeugs signifikant erweitern wird. All das dient vor allem einem Zweck: Die Zahl an Unfallopfern im Straßenverkehr weiter zu reduzieren.

Am Daimler-Standort Düsseldorf gibt es Unruhe. Ein Teil der Produktion des Mercedes-Transporters Sprinter soll ins Ausland verlagert werden – nach Mexiko, Kanada oder in die USA. Können Sie die Sorgen der Beschäftigten nachvollziehen?

Zetsche: Wir haben in den letzten Wochen mit dem Betriebsrat intensiv über die konkrete Standortstrategie für das Werk Düsseldorf gesprochen und nun eine langfristige Vereinbarung getroffen. Wir stehen zu unserem traditionsreichen Standort in Düsseldorf und investieren in den nächsten Jahren 300 Millionen Euro in dessen Modernisierung und den Ausbau zum Kompetenzzentrum für die weltweite Sprinter-Produktion. Richtig ist auch, dass wir aus wirtschaftlichen Gründen für die nächste Sprinter-Generation ein zusätzliches Produktionswerk in Nordamerika für die marktnahe Belieferung aufbauen werden. Gleichzeitig werden wir mit der nächsten Generation – wie bei Modellwechseln üblich – auch in Düsseldorf effizienter.

Wie wirkt sich das auf die Mitarbeiter in Düsseldorf aus?

Zetsche: Der damit verbundene Personalrückgang von rund 650 Stellen erfolgt sozialverträglich und wird über ein umfassendes Programm abgefedert, das unter anderem betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2020 in Düsseldorf ausschließt.

Aufgrund hoher Importzölle in den USA wird der in Düsseldorf produzierte Sprinter zum Teil zerlegt und im Bundesstaat South Carolina wieder zusammengebaut. Könnte das geplante Freihandelsabkommen mit den USA die Wettbewerbssituation von Daimler verbessern und Arbeitsplätze in Düsseldorf sichern?

Zetsche: Selbst wenn die Vereinigten Staaten ihre Einfuhrzölle irgendwann einmal aufgeben würden, führt an einem Werk in Nordamerika kein Weg vorbei. Denn nur mit einer Produktion vor Ort sichern wir kurze Lieferzeiten, wettbewerbsfähige Preise und das optimale Angebot für unsere amerikanischen Kunden.