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Modekette Esprit eröffnet bald neuen Super-Outlet in Ratingen

Modekette Esprit eröffnet neues Super-Outlet in Ratingen

Die Modekette Esprit wird in Ratingen ein neues Outlet Center eröffnen. Der bisherige Standort im Stadtteil Tiefenbroich wird geschlossen. Das neue Outlet wird deutlich größer und wohl eines der größten Mode-Outlets bundesweit. In der Branche wird das auch kritisch betrachtet.

Ratingen/Essen. 

Für ein Modeunternehmen war es das pure Grauen: Die Discounter-Ketten Penny-Markt und Kik boten vor wenigen Wochen T-Shirts und Hosen der Marke Esprit an. Verglichen am Originalpreis wurden die Kleidungsstücke regelrecht verramscht. Das kam beim Ratinger Modekonzern nicht gut an, denn die Outlet-Ware war wohl über dunkle Kanäle aus dem Ausland auf den Wühltischen gelandet. Bei Esprit setzt man beim Abverkauf voll und ganz auf Outlet-Center.

In wenigen Wochen sollen sich Schnäppchen-Jäger eine neue Anschrift in ihr Navi eintragen: Voisweg 10. Wo derzeit noch Bagger rollen, die Straße geteert wird und Handwerkerautos ein- und ausfahren, will Esprit Ende August eine Art Super-Outlet eröffnen. Das Gebäude hat knapp 5000 Quadratmeter Verkaufsfläche – das ist mehr als das Doppelte vom bisherigen Factory-Outlet in Ratingen-Tiefenbroich. Statt 350 Parkplätze soll auf dem neuen Gelände Platz für über 900 Autos sein. Ein 40 Meter hoher Werbemast vor dem Gebäude gibt bereits jetzt Orientierung.

Esprit eröffnet bundesweit drei neue Outlet-Center

Esprit ist auf Expansionskurs: Im münsterländischen Ochtrup ist für den Herbst ein neues Factory Outlet-Center (FOC) geplant – das zweite der Marke in NRW. Bei München und bei Hamburg entstehen ebenfalls neue Outlets, sodass Esprit zum Ende des Jahres bundesweit sieben Outlets unterhalten will und dann zwölf im übrigen Europa.

In der Textilbranche sieht man die Entwicklung „als Zeichen, wie hart der Konkurrenzkampf geworden ist“, sagt Jürgen Wolff, langjähriger Chefeinkäufer der Warenhauskette Kaufhof, der mittlerweile unter anderem Outletbetreiber berät. Kollektionen kommen in immer schnelleren Zyklen in den Handel – und müssen dort umso schneller wieder raus, weil sie sonst den Platz in den Regalen verstopfen. Outlet-Center dienen dabei auch dem „Schutz der Marke“, sagt Wolff. Sonst steige die Gefahr, dass sich Fälle wie bei Penny oder Kik viel öfter wiederholten – mit tödlicher Wirkung fürs Markenimage.

Modeunternehmen Esprit hat Probleme 

Die Produktionzyklen in der Modebranche sind rasant. Der Esprit-Mitbewerber S. Oliver etwa schickt alle vier Wochen Neuware in seine Läden, sagt Chefverkäufer Uwe Giesselmann. Kein Einzelfall. Was übrig ist, kommt bis zu 70 Prozent billiger in eines der zehn deutschen Factory Outlet. Dort machen die Unternehmen, wissen Insider, meist immer noch Gewinn.

Angesichts der Größe des neuen Esprit-Outlets kann man aber den Eindruck gewinnen, dass bei Esprit derzeit wohl sehr viel übrig bleibt. In der Tat hat der Modekonzern mit Problemen zu kämpfen. Geschäftsführer Ronald van der Vis hat das Unternehmen kürzlich verlassen. Er hatte es nicht geschafft, der Abwärtstrend bei den Geschäftszahlen zu stoppen und der Marke wieder Schwung zu geben: Esprit-Kollektionen fehle der „modische Appeal“, die Abgrenzung der eigenen Markenfamilie verwässere zusehends, der Preisabstand zu anderen Anbietern sei gestiegen, die Distribution des Labels sei „überreizt“ worden, kritisieren Experten, wie im Fach-Blog „Profashionals“ zu lesen ist. Die Folge: Viele Händler hätten mittlerweile die Marke Esprit aussortiert.

Sinkende Umsätze im klassischen Textil-Einzelhandel

Allgemein läuft es im Textilhandel in Deutschland derzeit nicht toll, das zeigen Zahlen des Bundesverbands BTE: 2011 seien die Umsätze zwar insgesamt um 1,9 Prozent gestiegen, doch schon im dritten Quartal des vergangenen Jahres habe ein Abwärtstrend begonnen, der sich auch in diesem Jahr fortsetze, sagt Sprecher Axel Augustin. Er sieht den Trend zu noch mehr Outlet-Centern auch als Versuch der Unternehmen, Verluste „zu kompensieren“.

193 Factory-Outlets (FOC) listet die Website Outlet-Center-Info auf, die in NRW 33 Fabrikverkäufe zählt. Es werden mehr: In Duisburg ist ein FOCs im Stadtteil Hamborn geplant. In Werl und Remscheid sind Outlet-Center in der Diskussion. Das Outlet-Center im münsterländischen Ochtrup soll im Herbst auf 11.500 Quadratmeter Verkaufsfläche wachsen, was vor Gericht erstritten werden musste.

Neuer Esprit-Outlet ist auf Massenansturm ausgerichtet 

Der Outlet-Markt wachse „enorm stark und wird es in den kommenden Jahren tun“, erwarte man bei Esprit. „Deutschland ist in Sachen Outlets noch dünn besiedelt“, glaubt auch Uwe Giesselmann von S. Oliver. Nach Einschätzung von Jürgen Wolff kann Esprit mit seinem Neubau in punkto Größe erneut ein Trendsetter der Branche werden; kaum auf dem deutschen Markt gestartet, hatte Esprit bereits 1986 seinen Outlet in Ratingen-Tiefenbroich eröffnet.

Mit dem neuen ‚Super-Outlet’ am Heimat-Standort Ratingen, 150 Meter Luftlinie von der Europazentrale der Modekette entfernt, setzt Esprit auf ein „neues Konzept“, erklärt Vice President – Head of European Outlets Stefan Rassau. Ende August soll eröffnet werden. Man habe „besonders großzügig“ geplant und spricht von einem „neuen Qualitätsanspruch“, den man verwirklichen wolle. So wirkt das mit grauen Blechpaneelen verblendete Gebäude von außen wie eine Mischung aus Möbelhaus und Groß-Supermarkt. Genau 4990 Quadratmeter Verkaufsfläche hat Esprit errichten lassen, plus 3500 Quadratmeter Lager und eine kleine Fläche für Gastronomie. „Das ist schon sehr groß“, sagt Uwe Giesselmann vom Mitbewerber S. Oliver. Was Branchenkenner aufmerken lässt ist, dass Esprit keine Fremdfirmen als zusätzliche Mieter plant, nur Produkte der eigenen Marken vertreiben will.

Fast 100 Umkleidekabinen für die Kunden

Wo bisher Betonboden und schmucklose Regale für Lagerhallenatmosphäre sorgen, will Esprit seinen neuen Outlet auch optisch aufwerten. Statt 42 Umkleidekabinen soll es 93 geben, die Zahl der Kassen – es sind 14 – bleibe gleich. Bei großem Andrang probiert das Publikum bis dato Klamotten im Akkord, ohne Scham auch mitten im Raum. Im Internet finden sich sogar „Survival-Tipps“. Eine der Empfehlungen: „Wenn möglich, niemals am Wochenende und auch nicht in den Schulferien hinfahren!“

Dass Esprit sich in Ratingen verlagert und vergrößert ist seit Jahren geplant gewesen, heißt es in der Stadtverwaltung. Es war wohl aus Sicht so mancher Kunden überfällig: „Ich habe einen Schock bekommen. Viel zu wenig Umkleidekabinen. Die Leute hauen sich die Einkaufswagen voll und blockieren eine Kabine“, „Ein richtiges Dreckloch, unaufgeräumt, Teile auf dem Boden“ – Kommentare wie diese finden sich reichlich in Online-Foren. Auf dem Parkplatz finden sich Kennzeichen aus halb NRW, darunter viel Ruhrgebiet und sogar Fahrzeuge aus den Niederlanden.

Ohne Ampel von der Autobahn bis auf den Parkplatz 

Zählungen der Stadt kommen auf knapp durchschnittlich 1900 Kunden pro Tag – die meisten sind per Auto angereist. Einkäufer schlagen vielfach tüchtig zu, geht aus Internet-Foren hervor: „Ich habe für 406 Euro eingekauft und hatte eine Ersparnis von unglaublichen 1100 Euro“. „Outlet-Kunden sind andere Kunden“, sagt Uwe Giesselmann. Die eigenen Marken-„Stores“ würden durch Outlets jedenfalls nicht kannibalisiert. Wer auf aktuelle Mode steht, finde die nur im ’normalen‘ Handel. Doch da gebe es oftmals nicht den Platz für Schnäppchenaktionen.

„Generell werden jegliche Warenüberhänge in Outlets vermarktet“, erklärt Esprit-Outlet-Chef Stefan Rassau. In den Regalen hängen Überproduktionen, Musterkollektionen, Auslaufmodelle, Retouren oder B-Ware. Ob Herren-Sakkos für 19 Euro, Damenblusen für 10 Euro: „Outlets haben die Vorgabe, dass der Preisnachlass mindestens 30 Prozent betragen muss, je nach Art des Artikels kann der Nachlass jedoch weit höher sein“, sagt Rassau. Er macht kein Geheimnis daraus, dass „ein gewisser Prozentsatz“ sogar speziell für den Fabrikverkauf produziert werde, „um auch im Outlet stets ein komplettes Sortiment anbieten zu können.“

Kein Outlet-Nachfolger in Tiefenboich erlaubt

Bei der Stadt Ratingen ist man froh, Esprit am Ort gehalten zu haben. Der Modekonzern baut in Eigenregie auf der Brache einer früheren Eisengießerei. „Ein idealer Standort“, sagt Rüdiger Schlothane aus dem Planungsamt, jedenfalls deutlich verkehrsgünstiger gelegen als der Outlet in Tiefenbroich. Ohne Ampel geht es von der nahen Abfahrt Ratingen-Schwarzbach der A44 in wenigen Minuten bis auf den Parkplatz am Voisweg gegenüber der Feuerwache. Zwei Kreisverkehre regeln den Zufluss. Autos werden in einer Art Ring auf und vom Outlet geleitet, um Staus möglichst zu verhindern. Mit knapp 3400 Fahrzeugen rechnet man pro Tag, 90 Prozent davon fahren aus oder in Richtung Autobahn. Auch per Bahn ist der neue Schnäppchen-Palast zu erreichen. In etwa 15 Minuten ist man zu Fuß am Bahnhof Ratingen-Ost. Der Fußweg laut Planungsamt: etwa 950 Meter.

Für den bisherigen Outlet-Standort im Gewerbegebiet in Tiefenbroich erwartet die Stadt indes „keine negativen Auswirkungen“, sagt Reiner Heinz, Leiter der Abteilung Wirtschaftsförderung. Auch Outlet-Nachbarn wie die Kette Tom Taylor wollen am Standort festhalten. Gleichwohl räumt Sprecherin Erika Kirsten ein: „Ein starkes Markenumfeld wirkt sich immer positiv auf die Attraktivität aus“. Man werde beobachten, wie sich die Kunden künftig verhalten. Die Stadt Ratingen hofft, dass Esprit mehr Gewerbesteuern bringt – und mehr Kunden auch für die Läden im 1,3 Kilometer entfernten Stadtzentrum. Die Verlagerung werden angeblich im örtlichen Handel „unproblematisch“ beurteilt, heißt es in der Stadtverwaltung.

In Tiefenbroich allerdings darf mit dem Wegzug von Esprit kein neuer Outlet-Anbieter nachrücken: „Der Standort ist zur Sicherung der gewerblichen Strukturen für die Ansiedlung von klassischen Gewerbenutzungen (Büro, Lager, Vertrieb etc.) vorgesehen“, teilt die Stadt mit. Beim Outlet-Nachbarn S. Oliver hört man das mit Bedauern, sagt Uwe Giesselmann, Head of Fashion Sales der Modekette aus dem süddeutschen Rottendorf. Man würde wohl gerne in ein größeres Gebäude wechseln, zumal der Standort „seit langem bekannt für Outletverkäufe ist“ und man davon ausgeht, dass sich „an der Frequenz wenig ändern“ werde. Aber 800 Quadratmeter Verkaufsfläche in Tiefenbroich seien „die Unterkante“ für einen Outlet-Store, meint Giesselmann. Es müssen ja nicht gleich 5000 Quadratmeter werden, wie bei Esprit.