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Immobilien-Markt im Ruhrgebiet fehlt die Dynamik

Immobilien-Markt im Revier fehlt die Dynamik

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Foto: Volker Hartmann
Das Geschäft mit Gewerbeimmobilien im Ruhrgebiet boomt. Doch international tätige Makler beklagen Modernisierungsstau und fehlende Marktdaten.

Essen. 

Der Immobilienmarkt im Ruhrgebiet boomt. Doch Marcel Abel, Geschäftsführer beim weltweit tätigen Immobilienspezialisten Jones Lang La Salle (JLL), benennt auch Defizite. Er beklagt ei­nen Modernisierungsstau und die mangelnde Transparenz im Immobiliengeschäft des Reviers.

JLL vermittelt Immobilien an Investoren, die durch den Erwerb Wertzuwächse erzielen wollen. Das Unternehmen, das in mehr als 80 Ländern vertreten ist und über 60 000 Beschäftigte zählt, machte zuletzt einen Umsatz von sechs Milliarden US-Dollar. Weil das Geschäft im Ruhrgebiet deutlich anzieht, ist JLL seit dem Frühjahr mit einem eigenen Büro im Essener Ruhrturm vertreten.

Märkte an den Top-Standorten sind leergefegt

JLL hatte für den Warenhauskonzern Karstadt nach einem möglichen neuen Standort für die Zentralverwaltung gesucht und im Herbst 2014 den Verkauf des Essener RWE-Turms an den US-Immobilienfonds Realty Capital Global Trust eingefädelt. Am Ende kaufte der Finanzinvestor Publity den Karstadt-Komplex und handelte mit dem Warenhauskonzern einen neuen Mietvertrag aus. Publity erwarb zudem das Haus der Wirtschaftsförderung in Duisburg und das Hansa-Zentrum in Bottrop.

„Die B-Städte geraten in den Fokus der Investoren“, hat Luisa von Gizycki beobachtet. Die Immobilienökonomin leitet die JLL-Repräsentanz in Essen. Unter der B-Kategorie fasst die Branche Ballungsräume zusammen, die abseits der sieben Top-Standorte Hamburg, München, Berlin, Frankfurt am Main, Düsseldorf, Stuttgart und Köln liegen. Das Null-Zins-Niveau hat nach Einschätzung von Geschäftsführer Abel dazu geführt, dass die Immobilienmärkte in diesen angesagten Städten weitgehend leergefegt sind.

Investoren fehlt die Informationssicherheit

Obwohl sie an das Potenzial im Revier glauben, verhehlen die Makler nicht die Probleme, die ihnen in der Region begegnen. „Dem Gewerbeimmobilienmarkt im Ruhrgebiet fehlt noch die Transparenz. Es sind nicht genügend Daten und Kennzahlen über die Objekte und Nutzer beziehungsweise Mieter im Umfeld vorhanden, die für die Berechnungen von Immobilien und deren Investitionen nötig sind“, sagt Abel. Diese Informationssicherheit sei aber nötig, um vor allem externe und internationale Investoren ins Revier zu locken.

Nach Einschätzung der Experten von JLL zeigt der hiesige Immobilienmarkt aber auch andere Schwächen. Während etwa in Düsseldorf die Leerstandsquote in Bürogebäuden bei acht Prozent liege und damit größere Neuvermietungschancen biete, betrage der Wert in Essen gerade einmal 4,8 Prozent. „Höherer Leerstand sorgt für Bewegung und Investitionen in qualitative Flächen“, meint Abel. Und diese Bewegung fehle im Revier. „Die Unternehmen sitzen lange in ihren Immobilien und ziehen selten um“, so der Geschäftsführer. Zudem habe sich in vielen Gebäuden ein Modernisierungsstau aufgebaut, oft entsprächen die Größenverhältnisse auch nicht mehr den Anforderungen der Zeit.

Büro-Leerstand im Revier ist zu gering

Geht es nach den Maklern, muss das Ruhrgebiet rasch Financiers finden, die in neue Gewerbekomplexe investieren. „Hier fehlt es an der Bereitschaft, spekulativ zu bauen“, beobachtet Luisa von Gizycki. Projekte würden oft erst dann realisiert, wenn 60 bis 80 Prozent der Flächen schon vor der Grundsteinlegung vermietet sind. Daher schrumpfe das Angebot frei verfügbarer Büroflächen. Nach den Erfahrungen der JLL haben Mieter in der Regel nur sechs bis neun Monate Zeit, um nach neuen Räumen zu suchen. Neubaumaßnahmen dagegen nähmen zwei bis drei Jahre in Anspruch.

„Deshalb braucht das Ruhrgebiet eine höhere Leerstandsquote, um Unternehmen, die hierhin kommen wollen, Optionen zu bieten“, meint Abel. Und mehr mutige Investoren. Der JLL-Geschäftsführer prophezeit: „Wer ein Haus ohne feste Mietzusagen baut, wird am Ende gewinnen, weil der Bedarf da ist. Der Markt im Ruhrgebiet verträgt mehr Wettbewerb.“

Mit ihrer Kritik rennen die Makler bei Rasmus C. Beck, Chef der Wirtschaftsförderung Metropole Ruhr, offene Türen ein. „Wir wollen in Zukunft mit vereinheitlichten Datensätzen von Kommunen und Maklern für eine Erhöhung der Markttransparenz sorgen, damit Investoren einheitliche und damit vergleichbare Zahlen präsentiert werden können“, kündigt er an. Vom Potenzial des Reviers ist Beck dennoch überzeugt: „Wir bieten Investoren im Gegensatz zu den zum Teil überhitzen Märkten in den A-Städten eine stabile Rendite.“