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Steinmeier nimmt Ulla Schmidt in Schutz

Steinmeier nimmt Ulla Schmidt in Schutz

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Foto: AP

Velbert. Frank-Walter Steinmeier hat seine Parteikollegin Ulla Schmidt (SPD) im Interview mit der WAZ-Mediengruppe gegen die massive Kritik in der Dienstwagen-Affäre verteidigt. Einen fairen Umgang mit der Gesundheitsministerin fordert er auch von Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier hat die Kritik an Gesundheitsministerin Ulla Schmidt als „scheinheilige Debatte” verurteilt. Der NRZ sagte er gestern in Velbert, die Ministerin habe ihren Dienstwagen korrekt genutzt. Einen fairen Umgang mit Schmidt forderte er auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel. „Jeder kennt die Richtlinien, auch die Kanzlerin. Ich bin etwas erstaunt darüber, dass sie die Debatte über ihre Ministerin so weiter laufen lässt”, erklärte Steinmeier. Der Union gehe es nur um „taktische Vorteile” im Wahlkampf. Der Außenminister wies Rücktrittsforderungen an Schmidt zurück und behält die Ministerin auch in seinem Wahlkampfteam.

Die Daten zu den Dienstfahrten von Frau Schmidt lägen seit Anfang August dem Bundestag vor, erinnerte er. „Es gibt keinen neuen Sachstand”, betonte Steinmeier. Union und FDP versuchten mit ihren Attacken gegen Schmidt von der politischen Auseinandersetzung abzulenken. Zu seiner Kampagne sagte der Kandidat, „natürlich wäre sie ohne diese Debatte einfacher.” Aber die Bürger würden merken, dass die Union bloß ein „parteipolitisches Süppchen” am Köcheln halte.

Steinmeier: Kleinliche Debatte

Sollte es sich als sinnvoll erweisen, die Richtlinien für Dienstreisen zu präzisieren, wäre Steinmeier dazu bereit. Die Debatte über die Nutzung von Dienstwagen sei angesichts der Arbeitsbelastung der Minister allerdings auch kleinlich. Die Diskussion wäre nach Steinmeiers Worten im europäischen Ausland „kaum vorstellbar”.

Schmidt gerät derweil immer mehr in Bedrängnis. Auch der Mietwagenkonzern Sixt liefert neue Munition: Schmidt soll einen 3er BMW als Mietwagen für ihren Spanienurlaub abgelehnt haben. Sie habe in Alicante angefragt, sagte Erich Sixt bei der Halbjahresbilanz seines Mietwagenkonzerns am Dienstag in München. Man habe Schmidt dort einen 3er BMW angeboten, dieser sei ihr aber zu klein gewesen. Eine entsprechend größere Mercedes S-Klasse habe man nicht im Angebot gehabt, erklärte Sixt.

Schmidts Ministerium erklärte, die Frage einer Buchung bei Sixt habe sich nicht gestellt, «da sich die Firma Audi auf Anfrage sofort bereiterklärt hatte, als Ersatz für den gestohlenen Dienstwagen vor Ort einen Audi A 6 zur Verfügung zu stellen».

CDU setzt Schmidt unter Druck

Schmidt gerät wegen der Dienstwagenaffäre erneut in die Klemme. Der Chef des Haushaltsausschusses im Bundestag, Otto Fricke, verlangte am Dienstag, dass die SPD-Politikerin bis zum Wochenende alle Dienstwagen-Fahrten während ihrer Spanien-Urlaube seit 2004 dem Bundesrechnungshof zur Prüfung vorlegt. Sollte sie sich weigern, werde der Ausschuss dies veranlassen, sagte der FDP-Politiker «Bild.de».

Schmidt selbst beteuerte erneut, sie habe stets zwischen privaten und dienstlichen Fahrten strikt getrennt. Ein Rücktritt aus dem Wahlkampfteam von SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier komme daher nicht in Frage, sagte sie in Hannover. Angesichts der andauernden «Irritationen» regte die Gesundheitsministerin aber eine Änderung der entsprechenden Richtlinien zur Nutzung von Dienstfahrzeugen an.

Der CDU-Haushaltspolitiker Georg Schirmbeck forderte den Rücktritt der Bundesgesundheitsministerin aus dem Kompetenzteam von SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier. Der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ sagte Schirmbeck: „Steinmeier muss jetzt einen Posten in seinem Team neu besetzen. Ulla Schmidt hat sich mit ihren nebulösen Erklärungsversuchen politisch um Kopf und Kragen geredet.“

Konsequenzen zieht der Wähler

Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) hingegen sieht auch nach den jüngsten Nachrichten in der Dienstwagen-Affäre um Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) keinen Anlass, ihren Rücktritt zu fordern. Es gebe „überhaupt keinen Grund“ dazu,, sagte der CDU-Politker der in Halle erscheinenden „Mitteldeutschen Zeitung“. Er betonte: „Die eigentlichen Konsequenzen werden vom Wähler gezogen.“

Die SPD werde für die Affäre mit Stimmeneinbußen bezahlen, zumal Schmidts Äußerung „Das steht mir zu“ der Haltung vieler Banker in der Finanzkrise ähnele.

Der Haushaltsausschuss will überprüfen lassen, ob Schmidt bei ihren Spanien-Urlauben 2006 bis 2008 gegen die Dienstwagen-Richtlinien verstoßen hat. „Ich gehe davon aus, dass Frau Schmidt auch für die Jahre 2006 bis 2008 den Bundesrechnungshof um entsprechende Überprüfung bitten wird. Sollte Sie das nicht tun, wird der Haushaltsausschuss das übernehmen“, sagte der Ausschussvorsitzende Otto Fricke der „Bild“-Zeitung.

Steuerzahlerbund fordert sachliche Diskussion

Der Bund der Steuerzahler (BdSt) hält die Rücktrittsforderungen an Schmidt für falsch. «Wer glaubt, diese Angelegenheit politisch ausnutzen zu können, verliert genauso an Ansehen wie Frau Schmidt selbst», sagte der BdSt-Bundesgeschäftsführer Reiner Holznagel «Handelsblatt.com». «Deshalb sollte die Politik nach der Klärung des Sachverhalts eine ruhige und sachliche Diskussion über die Änderung der Richtlinie zur Nutzung von Dienstfahrzeugen der Bundesverwaltung führen.» Aus Sicht des Steuerzahlerbundes muss etwa das Wirtschaftlichkeitsgebot für alle Fahrten gelten. Private Fahrten dürften nicht ausgenommen werden, sagte Holznagel.

Der Steuerzahlerbund kritisierte, dass Schmidt Informationen und wichtige Details zu ihrem Dienstwagengebrauch «scheibchenweise und erst durch hartnäckiges Nachfragen» preisgegeben habe. «Zwar hat Frau Schmidt den Dienstwagen gemäß der Richtlinien genutzt, dennoch hat sie nicht wirtschaftlich gehandelt», sagte Holznagel. Dem Bundeshaushalt sei somit ein Schaden entstanden. Es sei aber auch zu klären, ob der geldwerte Vorteil durch Schmidt richtig versteuert wurde.

Von Büro-Mindestausstattung bis zum Personenschutz

Schmidt nutzte ihren Dienstwagen nicht nur in diesem Sommer, sondern auch in vorangegangenen Jahren im Urlaub. Das berichtete die ARD am Montagabend unter Berufung auf eine Stellungnahme ihres Ministeriums. Danach habe die Ministerin ihren Dienstwagen ebenso 2004 bis 2008 an ihren Urlaubsort kommen lassen – zunächst wegen des Personenschutzes, später auch, um eine Büro-Mindestausstattung nachkommen zu lassen.

Nutzung und Abrechnung seien entsprechend der Richtlinien erfolgt. 2006 bis 2008 sei der Wagen für dienstliche Termine im Spanien-Urlaub genutzt worden.

Die Ministerin beteuerte am Abend in der ARD-Tagesschau: „Ich habe immer dann, wenn ich das Auto benutzt habe, auch privat gezahlt und das versteuert. Wenn das Auto dienstlich unterwegs war, ist das dienstlich zugerechnet worden.“ (NRZ/ddp/ap/afp)