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Jette-Joop-Kollektion – Kundinnen stürmen Aldi Süd

Kundinnen stürmen Aldi wegen der Joop-Kollektion

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Foto: Jakob Studnar
Joop-Mode bereits mittags „in vielen Filalen ausverkauft“. Nicht jede übersteht den Ansturm schadensfrei: „Da kriegt man ja den Ellbogen ins Gesicht.“

Duisburg. 

„Erstmal zu Penny“ ist das Motto des Discounters nebenan, er hat ja auch schon seit sieben Uhr geöffnet und wirft heute tapfer Arbeitshosen und Flanellhemden auf den textilen Markt. Da tut sich beim 300 Meter entfernten Aldi noch gar nichts; dann, um 7.31 Uhr, radelt Petra Müller vor und stellt sich entschlossen auf Platz 1 der zu erwartenden Menschenmenge. „Cool, das wird gleich brechend voll“, sagt die 56-Jährige. Overalls will sie kaufen für sich und ihre Tochter: „Schnell rein, schnell raus.“ Schnell rein wird gehen. Schnell raus wird schwierig.

Wie in allen Aldi-Süd-Filialen, wird auch in dieser in Duisburg gleich Designermode verkauft. Klamotten von Jette Joop. Sehr billig. Aldi will damit neue Kundschaft gewinnen; die Designerin spricht in der Illustrierten „Gala“ von der Aldi-Anfrage etwas floskelhaft als einer „großartigen Herausforderung“, findet aber auch einen richtig guten Satz: „Ich war geschmeichelt und hatte eine schlaflose Nacht.“

Zack links ab in den Mittelgang

Bald sind es 20 Frauen, die hinter Frau Müller stehen, dann 30, dann 45, um 7.50 Uhr erscheint ein besorgter Filialleiter in der Tür und sagt: „Die Sachen stehen alle hier vorne links. Sie brauchen nicht nach hinten durchzugehen.“ Vermutlich fürchtet er Verwüstungen. Um 7.59 Uhr, wenn sonst nur Frühaufsteher und Flaschenzurückbringer hier stehen – warten schon 60. Große Ereignisse werfen ihre Schlangen voraus.

Und dann rein, zack links ab in den Mittelgang, da liegen die Sachen, discountermäßig gestapelt auf vielleicht drei mal drei Metern. Mode zwischen Karlskrone alkoholfrei dahinter, Kürbiskernöl rechts und den Zwiebeln links. Sie ist sofort umlagert, die zweite Reihe greift durch Lücken zwischen Leibern, die dritte Reihe schiebt. Wühltischbilder! Manche suchen, andere greifen blind zu; in Minuten sind Sandalen und Pullover, Schals und Jumpsuits hoffnungslos durcheinander geraten. Die erste Frau mit einem Packen Joop, den sie im Gedränge mit beiden Armen über dem Kopf triumphierend fortträgt, wendet sich schon zur Kasse. „Wie hast du das geschafft?“, fragt er. „Bis du mal da bist!“, sagt sie.

Es geht auch ohne Umkleidekabinen

Man kann diesen Morgen auch an seinen Durchsagen erzählen. 8.05 Uhr: „Liebe Kunden, wir öffnen Kasse 2 für Sie.“

Umkleidekabinen? Ach was! In neue Schuhe kann man auch so schlüpfen, da vorn zieht eine Frau eine neue Hose über der alten Hose an; weiter hinten steht eine im Gang, die hat ihre Bluse ausgezogen und auf Eimer mit Deckweiß gelegt und schlüpft gerade in die neue. Am Tisch selbst: Weitergetümmel. Meistgefragt: „Darf ich mal durch?“ Überwiegende, sinngemäße Antwort: „Nein. Dann komme ich nicht wieder dran.“

In der dritten Reihe niedergeschlagen

8.21 Uhr. „Liebe Kunden, wir öffnen Kasse 3 für Sie.“ Doch in der dritten Reihe sind die Deklassierten jetzt niedergeschlagen. „Da traut man sich nicht rein, da kriegt man ja den Ellenbogen ins Gesicht“, sagt eine Frau, eine andere telefoniert: „Mama, ich komm’ gar nicht ran an den Ständer.“ Verlassene Kinder weinen in Einkaufswagen, Männer versuchen zu trösten: „Die Mama kommt gleich wieder.“ Dazwischen, fast schon surreal, irgendwo aus Richtung der Zwiebeln: „Wo sind denn hier die Möhren?“

Kurz ist der Ansturm, aber heftig. 8.40 Uhr: „Liebe Kunden, wir schließen Kasse 3.“ Draußen steht Barbara K. aus Moers, ein bisschen ärgert sie sich jetzt, Billigtextilien aus der Dritten Welt gekauft zu haben, wie sie vermutet. „Aber das ist der Beutetrieb.“

„Das hat mich jetzt doch überrascht“

Kurz nach 15 Uhr meldet eine Aldi-Süd-Sprecherin, die Sonderkollektion sei „in vielen Filialen schnell ausverkauft“ gewesen. Und Jette Joop sagt dem ,Handelsblatt’: „Das hat mich jetzt doch überrascht… Was mich besonders begeistert hat: Nach kurzer Zeit tauchten schon die ersten Teile bei Ebay für den doppelten Preis auf.“ Ihre Nacht, darf man unterstellen, wird diesmal besser sein.

Abschließend noch ein Lob für die Filialleitung aus der Duisburger Kommandantenstraße. Sie wissen schon: „Sie brauchen nicht nach hinten durchzugehen.“ Manche Filiale, die es anders hielt, sieht um 10 Uhr aus, als sei der Sturm in den Mittelgang gefahren. Windelpakete, Küchen- und Toilettenpapier, Sixpacks, Müllbeutel, leere Verpackungen – alles durcheinander. Aldi teilt mit: „Wir sind sehr zufrieden.“