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Christian Rudolph aus Bottrop ist ein Queue-König

Christian Rudolph aus Bottrop ist ein Queue-König

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Foto: Winfried Labus / FotoPool
Der Bundesligaspieler hat sich im Dreiband, in der Königsdisziplin des Billards, zum zehnten Mal mit dem Deutschen Meistertitel gekrönt. Nun tritt er bei der Weltmeisterschaft im südkoreanischen Seoul an. Dort sieht er sich aber nur als Außenseiter

Bottrop. 

Am Ende musste der Schrei einfach raus. Kurz, laut und kräftig. Es war am Sonntagmittag in Bad Wildungen, als der Freudenschrei aus Christian Rudolph herausbrach. Gerade hatte er einen 30:37-Rückstand in einen 40:37-Sieg umgewandelt und damit die Partie gegen Andreas Niehaus aus Coesfeld gewonnen. Die Finalpartie. Rudolph krönte sich zum Deutschen Meister. Zum zehnten Mal.

Freudenschreie sind allerdings selten in einem Sport, der eigentlich für das Gegenteil von Emotionalität steht. Rudolph spielt die Billardvariante Dreiband. Auf dem blauen Spieltisch liegen nur drei Bälle, es gibt keine Löcher, um diese zu versenken. Stattdessen muss der Spielball über drei Banden gelenkt werden, bevor er auch den dritten Ball auf dem Tisch berührt.

Dreiband ist ein Sport für Techniker mit Gefühl. Für Taktiker mit System. Dreiband, das ist eine Art Schach mit Kugeln. Es ist anders als das populärere Poolbillard. Pool ist amerikanisch. Direkt, schnell, man wird zügig mit einem versenkten Ball belohnt. Dreiband ist anders. Ist es noch Physik, wenn die Bälle über den blauen Filz gegen die Banden fegen, Kurven schlagen oder sich an den Längsseiten des Tisches festzusaugen scheinen? Oder ist es doch Magie? Dreiband ist ein Geduldspiel, gilt als die Königsdisziplin des Billards.

Doch Geduld ist etwas, das Christian Rudolph in den vergangenen Monaten genügend bewiesen hat. Seit geraumer Zeit plagen ihn Probleme mit der Halswirbelsäule, die Schmerzen strahlen auch in die Schulter ab. „Man nimmt dann ungewollt eine Schonhaltung ein, die Bewegungen sind nicht rund“, sagt Rudolph. Nicht gerade ideale Voraussetzungen bei einem Präzisionssport wie Karambol. In den vergangenen Monaten trainierte er deshalb kaum, er bestritt nur die Spiele für die Bottroper Billard-Akademie in der Bundesliga und in den höchsten Ligen der Niederlande und Belgien. Rudolph: „Durch meine Erfahrung konnte ich vieles kompensieren.“

49 Jahre ist er mittlerweile alt, mit neun wagte er erste Versuche auf dem Billardtisch. Vater Ernst Rudolph war einer der besten Dreiband-Spieler der 50er- und 60er-Jahre, betrieb einst Billardsalons in Essen und in Köln. „Das war als Kind wie ein riesiges Spielzimmer, mit elf habe ich meinen ersten Pokal gewonnen“, erinnert sich Rudolph. Etliche Trophäen sind seitdem hinzugekommen. Mit dem Essener Verein Horster Eck holte er zu Beginn der 90er-Jahre dreimal den Europapokal, wurde mehrere Male Pokalsieger und mehrfacher Deutscher Meister. Seine Karriere im Einzel krönte er 1996 als erster Deutscher mit dem Gewinn des Weltmeistertitels.

Der wird ab dem heutigen Mittwoch erneut ausgespielt. Im südkoreanischen Seoul trifft sich die Weltspitze des Dreibandsports. Es ist eine Art Familientreffen, denn seit Jahrzehnten hat sich die Riege der Queue-Könige kaum verändert. Es sind alte Haudegen wie Weltmeister Frédéric Caudron, Weltcup-Sieger Eddy Merckx (beide aus Belgien), der Weltranglistenzweite Torbjörn Blomdahl aus Schweden, der italienische Weltranglistenerste Marco Zanetti und der niederländische Veteran Dick Jaspers, die die Trophäen stets untereinander ausspielen. Alle stehen sie auch bei deutschen Bundesligisten unter Vertrag.

Die Asiaten werden immer stärker

Doch die Dreiband-Welt ist größer geworden. Während die Karambolvariante in Deutschland an Boden verliert, ist das Spiel mit den drei Bällen im asiatischen Raum ein Massensport. War das Spiel mit dem Queue in Korea einst für Jugendliche ebenso verboten wie Alkohol, soll es nun alleine in Seoul mehrere tausend Billardhallen geben. „Die Koreaner sind sehr stark, auch die Vietnamesen werden immer besser“, sagt Rudolph.

Die Vorherrschaft der Europäer wird bald vorbei sein, so viel ist sicher. „Von den 48 Teilnehmern haben 20 eine realistische Titelchance“, glaubt der Bottroper. Seine eigenen Chancen schätzt Rudolph vorsichtig ein. Wochenlang fühlte er sich gut, doch während der Deutschen Meisterschaft meldeten sich die Schulterschmerzen zurück. Rudolph: „Meine Erwartungen habe ich extrem gesenkt, ich spiele als Außenseiter ohne Druck auf.“ Es ist also eine ähnliche Ausgangslage wie im vergangenen Jahr bei der Europameisterschaft: Außenseiter, Schulterschmerzen – Rudolph wurde trotzdem Zweiter.