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Küchenlogistik bei Kreuzfahrtschiffen – eine Herausforderung

Küchenlogistik bei Kreuzfahrtschiffen – eine Herausforderung

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Für nicht zurückgegebene Pool-Handtücher müssen Urlauber bei Royal Carribean keine Strafe mehr zahlen. Foto: Royal Caribbean International
Kreuzfahrer sind beim Essen anspruchsvoll. Damit alle zufrieden sind und auch individuelle Sonderwünsche erfüllt werden können, muss eine Kreuzfahrt gut geplant werden. Die Küchenlogistik hinter den Kulissen ist dabei eine wahre Herkules-Aufgabe – selbst auf kleineren Schiffen.

Essen. 

„Den Salat unbedingt zuerst, jetzt sofort!“ ruft der Proviantmeister ins Funkgerät. Mit Sorgenfalten auf der Stirn steht er an der Reling der „Veendam“, die vor einer Stunde in Montevideo angelegt hat. Nach einer langen Kreuzfahrt von Chile rund um Kap Hoorn bis Uruguay haben die Bordküchen dringend Bedarf an frischem Obst und Gemüse.

Es ist erst 9 Uhr morgens, die Sonne brennt schon kräftig vom Himmel. Palettenweise kommen Salatköpfe, Gurken, Tomaten und Erdbeeren per Gabelstapler an Bord. Selbst ein vergleichsweise kleines Kreuzfahrtschiff wie die Veendam von Holland America Line mit 1350 Passagieren hat einen enormen Verbrauch: 5,7 Tonnen Gemüse, 2,1 Tonnen Kartoffeln, 3,8 Tonnen Fleisch, 1,7 Tonnen Hähnchen und Pute, 18.000 Eier und 1,3 Tonnen Mehl werden jede Woche konsumiert. Dazu 1600 Flaschen Wein und 450 Flaschen Champagner.

Eine Küche ist eine Küche

In noch ganz anderen Dimensionen muss das größte Kreuzfahrtschiff der Welt, die Allure of the Seas planen – hier sind täglich über 8000 Passagiere und Crewmitglieder zu versorgen. In einer einzigen Woche gehen hier allein 31 Tonnen Gemüse weg. Der Gigant der Meere ist daher auch ganzjährig in Florida beheimatet, wo sich der gewaltige Nachschub organisieren lässt.

Worin unterscheidet sich also die „Galley“, die Küche eines Kreuzfahrtschiffs, von der eines Hotels? „Ich hasse es, wenn man von Kreuzfahrt-Küche spricht. Eine Küche ist eine Küche. Egal, wo das ist. Sie muss einfach immer gut sein“, sagt Rudi Sodamin, Chefkoch bei Holland America Line. Aber er weiß auch: „Die Leistung, die am Schiff geboten wird, können nur wenige Restaurants an Land nachvollziehen.“

Zehn Tage lang Frische

Denn was eine Galley unterscheidet, ist die enorme logistische Herausforderung. Nur eine Schwingtür trennt den hektischen 24-Stunden-Alltag der Bordküche von der Traumwelt der mondänen Kreuzfahrtschiff-Restaurants, wo den Passagieren eine romantische Illusion von Leichtigkeit und Perfektion vermittelt wird, inklusive mächtiger Kristall-Lüster und imponierender Weinregale, Kellnern in weißen Uniformen und dezenter Streichquartett-Musik.

Zurück zum Kopfsalat. Der kommt gerade in Montevideo an Bord. Damit er mindestens zehn Tage lang frisch bleibt, muss er eigentlich nur bei der richtigen Temperatur gelagert werden. Bis zum Ende der Kreuzfahrt leiden nur die äußeren Blätter etwas. Schwieriger ist das bei bestimmten Früchten. Ab einem gewissen Reifegrad müssen sie umgelagert werden, damit das Obst in den Kisten daneben nicht ebenfalls schneller nachreift – eine Wissenschaft für sich.

„Wir können unsere Gäste da sehr gut einschätzen“

Eine wichtige Rolle in der Küchen-Logistik spielt auch der Kapitän: Er gibt Prognosen über bevorstehenden Seegang ab. Wird es zu heftig, werden zur Sicherung stabile Netze über die Paletten von Gemüse und Obst, Reissäcken und Zwiebeln, Getränkekartons und Eierschachteln in den Lagern gespannt. Was gebraucht wird, muss vorher raus. Denn bei starkem Seegang ist an Zugang zu den Lagern nicht zu denken.

Doch auch ohne Seegang ist exakte Planung und Erfahrung gefragt. Fleisch und meist auch Fisch werden tiefgekühlt angeliefert. Damit die Qualität nicht leidet, wird in abgestuften Temperatur-Räumen über 48 bis 72 Stunden aufgetaut. Aber woher weiß man, wie viele Hummer und wie viele Portionen Chateaubriand beim Gala-Dinner in drei Tagen bestellt werden?

Je größer das Schiff, desto einfacher sei das, sagt Ivo Jahn, Kulinarik-Trainer bei Holland America Line. „Wir können unsere Gäste da sehr gut einschätzen.“

Spielraum für individuelle Sonderwünsche

Zusammen laufen die Fäden in der Reedereizentrale mit allen Informationen, die von den einzelnen Schiffen kommen. Die meisten Reedereien bestellen zentral und verschiffen dann per Container den Nachschub rund um die Welt. Der Aufwand dafür ist enorm, stellt aber sicher, dass ein Gericht flottenweit einheitlich auf den Tisch kommt.

Damit die Qualität der Gerichte auch reedereiweit immer gleichbleibend hoch ist, beschäftigen die meisten großen Reedereien so genannte „Travelling Chefs“. Diese erfahrenen Köche reisen den Großteil des Jahres von Schiff zu Schiff, trainieren die Küchen-Crews und setzen Standards wie die Präsentation der Speisen durch.

Trotzdem bleibt auch in großen Kreuzfahrtschiff-Galleys Spielraum für individuelle Sonderwünsche – nicht nur in Hinblick auf veganes, koscheres oder glutenfreies Essen. „Meine Gäste kriegen von mir alles“, sagte einer der Besten der Branche, der inzwischen verstorbene Executive Chef der Norwegian Jade Hans-Peter Heine, vor einem Jahr im Interview. „Wenn ich das nicht mehr machen kann, dann gehe ich nach Hause.“