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Frieden finden bei den buddhistischen Mönchen in Ladakh

Frieden finden bei den buddhistischen Mönchen in Ladakh

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Indien, Ladakh, Buddhismus, Diskit-Kloster, Hochgebirge, Himalaya, Karakorum, Im Land der weisen Mönche, Reise, Touristik Foto: Fotolia
Die Region Ladakh ganz im Norden Indiens ist vom buddhistischen Glauben geprägt. Doch die Klöster am Rand des Himalaya haben Nachwuchsprobleme.

Leh. 

Nicht außerhalb, nur in sich selbst ist der innere Frieden zu suchen. Wer die innere Stille gefunden hat, der greift nach nichts und er verwirft auch nichts.“ Das steht in alten buddhistischen Schriften geschrieben. „Shanti.“ Stanzin Shesrap hat ihn gefunden, nach einem langen harten Kampf. Die Augen hat er geschlossen, die Hände liegen ruhig in seinem Schoß, die rote Robe ist tief in den Nacken gezogen. Von Zeit zu Zeit nippt er an seiner dampfenden Tasse „Tsampa“ – geröstetes Gerstenmehl mit Buttertee. In tiefer innerer Einkehr sitzt der junge Mönch zwischen seinen älteren Ordensbrüdern – einige mit goldglänzender Armbanduhr und dunkler Sonnenbrille ausgestattet. Stundenlang summen sie buddhistische Mantras und Verse. Ein lautes, scheinbar monotones Gemurmel. Und doch schafft es für Buddhisten die tiefe Verbindung zum Unterbewusstsein. Die, die den inneren Frieden bringt.

Das Antlitz des heiligen Dalai Lama lacht von einem mit Opfergaben prall gefüllten Altar, farbenprächtige Holztrommeln werden für Bodhisattvas und Taras – friedliche Götter – sanft geschlagen. Ein Obermönch, in gelber Robe gekleidet, geht langsam umher und schwenkt rauchenden Wacholder. Im Hintergrund prangen weitere tibetische Gottheiten auf seidenen Thangkas an holzvertäfelten Wänden. Eine mystische Stimmung. Zeit, tief in sich hineinzuhorchen.

Steinerne Großplastik

Es ist Puja – Morgenmeditation – im Versammlungsraum des Klosters Thikse („der richtige Ort“) in dem kleinen Land am nordwestlichen Rand des Himalaya-Massivs. Einem früheren buddhistischen Königreich. Draußen pfeift der eiskalte Wind um goldgelb-leuchtende Gebetsmühlen – auf fast 4000 Metern Höhe. Ladakh ist eines der höchstgelegenen bewohnten Gebiete der Welt. Gerade dieses Land der unbarmherzigen Pässe und zerklüfteten Täler ist – neben Bhutan – das einzige, in dem der tibetische Buddhismus noch in seiner ganzen Vielfalt praktiziert wird. In Thikse leben „die Tugendhaften“ – 75 Anhänger des gemäßigten Gelbmützenordens Gelugpa.

Auf Felsenspitzen in der weitläufigen Flussebene des Indus um 1450 erbaut, erhebt sich dramatisch der Klosterblock, Chörten – Sakralbauwerke mit Reliquien großer Gurumeister – säumen den Weg dorthin. Die Anlage mit ihren Tempeln und den kleinen Quartieren der Ordensbrüder wirkt wie eine mit dem Fels verschmolzene steinerne Großplastik. Dahinter: karge Gebirgslandschaft mit eisgekrönten Viertausendern, so majestätisch, dass Wolken zu weichen scheinen.

Viele Einheimische gehen zur Armee

Für Mönch Stanzin ist der Klosterberg seit zehn Jahren sein Zuhause. „Mein Vater dachte, ich würde seinen Bauernhof eines Tages übernehmen“, sagt der 30-Jährige, der schon als Teenager von den Lehren Buddhas fasziniert war. Seit jeher leben Ladakhis vom Gerstenanbau, auch wenn die Bedingungen dafür in der steinigen Halbwüste extrem hart sind: Es fällt kaum Regen, nur 0,4 Prozent des Bodens können landwirtschaftlich kultiviert werden. Eine kurze Ernte im Herbst, dann folgt der lange, brutale Winter mit Temperaturen unter minus 40 Grad. „Bei uns ist es eigentlich Sitte, dass die Familie entscheidet, ob du ins Kloster gehst oder nicht“, erzählt Stanzin. Er habe endlos mit seinem Vater diskutiert. Früher sei es noch Tradition gewesen, dass sich der jüngste Stammeshalter einem Orden anschloss – doch mittlerweile weiche diese langsam auf. Die rund 120 Klöster in Ladakh haben Nachwuchsprobleme.

„Viele gehen zur Armee, der Militärdienst lockt mit gutem Verdienst und medizinischer Versorgung“, sagt Politikstudent Rudi Lepcha. Der Mittzwanziger aus der Tee-Region Darjeeling besucht mit Kleingruppen Klöster und Tempel. „Früher wurden die Söhne Mönche, heute werden sie Soldaten.“ An der sensiblen Grenze zu Pakistan, im Industal und entlang der unwegsamen Eisregionen sind rund 30.000 Mann stationiert. Ladakh spielt eine strategisch wichtige Bedeutung zwischen China und Pakistan. „Neben dem Militär ist aber auch der Tourismus ein wichtiger Arbeitgeber für viele“, weiß Rudi. Vorbei ist die Zeit, da Ladakh nur ein Geheimtipp unter Backpackern war. Mittlerweile kommen rund 180.000 Urlauber pro Jahr – aus Delhi, England, Deutschland.

Gelassenheit ohne Facebook und Frauen

Für Stanzin zählt nur sein Glaube. Er wurde der erste Mönch in seiner Familie: An das abgeschiedene Leben musste er sich erst einmal gewöhnen: Allein in einem kalten Kämmerchen, Gebete um Gebete, lange intensive Studien. „Nach ein paar Jahren fühlst du dich plötzlich sehr alleine.“ Er atmet tief durch – als Buddhist übt er Gelassenheit. „Doch ich habe meinen inneren Frieden gefunden und bin glücklich im Kloster.“ Auch ohne Bier und Frauen. In der Welt mit Handys und Facebook seien „die Möglichkeiten zu sündigen vielfältig geworden“. Viele seiner Ordensbrüder, vor allem die jüngeren, legten nach ein paar Jahren die Robe ab, gingen zurück in ihr altes Leben, heirateten.

Stanzin blieb. Er unterrichtet zwei Novizen, zeigt ihnen wie man meditiert, „Gedanken kontrolliert und sich buddhistische Tugenden bewahrt“. Sie lernen die Dung Chen – lange Trompeten – zu blasen und andere religiöse Instrumente zu spielen. Während der Morgenmeditation schleppen sie riesige Teekannen umher und schenken den Älteren Buttertee nach – eine große Ehre und willkommene Abwechslung zur langen Andacht. „Wir genießen in unserer Gesellschaft noch immer hohes Ansehen“, ist sich Stanzin sicher. Viele Familien schickten ihre Kinder zur Ausbildung ins Kloster, auch wenn sie sie eigentlich auf den Feldern bräuchten.

Ab und an besucht Stanzin seine Verwandten, vor allem zur Erntezeit. Wie alles im Leben der Ladakhis ist auch der Anbau von Getreide mit religiösen Ritualen verbunden. „Die Erd- und Luftgötter müssen freundlich gestimmt werden“, erklärt er, „damit die Ähren gut gedeihen“. So laden die Bauern Gläubige in ihre Häuser ein, damit sie mit Gebeten für die Erträge danken. Kleine Türmchen – die Steingötter „Lhadhos“ – werden mit Dämonen abwehrenden Wacholderzweigen und bunten Gebetsfahnen geschmückt, die Wünsche zu den guten Geistern tragen.