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Deutschlands ältester Clubanimateur (75) begeistert Urlauber

Deutschlands ältester Clubanimateur (75) begeistert Urlauber

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Foto: Robinson
Horst Wulze, ältester Clubanimateur Deutschlands, genießt bei den Gästen des Robinson Clubs im ägyptischen Soma Bay Kultstatus.

Soma Bay. 

Wenn Horst Wulze eines nicht leiden kann, dann ist es Unaufmerksamkeit. Der 75-Jährige sitzt in der Hauptbar des Robinson Clubs im ägyptischen Soma Bay und spielt mit einem Gast eine Partie Schach. Da sieht er wie zwei Mitarbeiter des Ferienclubs von ihrem Tisch aufstehen und ihre Gläser zurücklassen. „Hey, die kann man auch abräumen, wenn man geht“, ruft er den mit blauem Hemd und weißer Hose bekleideten Angestellten hinterher. Sie hören ihn aber nicht, weswegen Horst die Krüge selber abräumt und zum Tresen bringt. „Das müssen die noch lernen“, meint er, „das gehört sich nicht.“

Was wie das pedantische Maßregeln eines Rentners klingt, ist nichts anderes als der aufmunternde Ratschlag eines Kollegen. Denn auch Horst ist ein Robin, wie der Clubreiseveranstalter aus Hannover seine Mitarbeiter nennt. Mit einem kleinen Unterschied: Er könnte der Großvater der meisten Robins sein. Selten sind die für die Unterhaltung und das Wohlergehen der Gäste zuständigen Animateure älter als 35 Jahre, die Duz-Welt des Veranstalters ist betont jung, sportlich, hip. Horst ist anders und genießt als ältester Clubanimateur Deutschlands Respekt bei Kollegen und Kultstatus bei den Gästen.

Horst hält Robinson-Ideal aufrecht

„Bald habe ich sogar Autogrammkarten“, freut sich Horst. Ein Stammgast-Pärchen mit einer eigenen Druckerei aus Berlin hat ihm einen Satz zugesichert. Die Kärtchen mit seinem Konterfei sind nur eines von vielen jährlichen Mitbringseln, die er von den Stammgästen des Clubs bekommt. Darunter Würste aus Schweinefleisch, die man in dem muslimischen Land nicht bekommt, oder eine Flasche guten Wein: Lebensmittel aus der Heimat stehen bei ihm hoch im Kurs. „Aber was ich momentan wirklich gut gebrauchen kann“, sagt er und bückt sich, um einen Streifen alten Tesafilm vom Marmorboden zu kratzen, „ist doppelseitiges Klebeband.“ Mal wieder hat ein Team der Anlage vergessen, die Kabelbefestigungen einer vergangenen Show von den Bodenflächen im Club zu entfernen. „Das stört mich“, grummelt er und reinigt die Bodenplatte von den Kleberesten.

Solche Arbeiten gehören eigentlich gar nicht zu seinen Pflichten als Robin. Aber er erledigt sie einfach – und genau das ist es, was ihn so wertvoll für den Club macht. „Die jüngeren Kollegen sind nicht so“, weiß Horst. „Die machen halt ihren Job, und den machen sie auch hervorragend.“ Aber: „Sie blicken eben nur geradeaus.“ Bei ihm ist das anders – und manchmal findet es auch Clubdirektor Patrick Brändle schade, dass man den rüstigen Hannoveraner nicht einfach klonen kann. „Eigentlich bräuchte ich für jede Station hier in der Anlage einen Horst“, sagt er. Soll heißen: Jemand, der sich für nichts zu schade ist und einfach nur hilft, das Robinson-Ideal aufrecht zu erhalten. Mitmachen, anpacken, gemeinsam Spaß und eine tolle Zeit haben.

Vom Abteilungsleiter zum Anumateur

Es ist genau diese Philosophie, die Horst Wulze seit jeher an einem Ferienclub schätzt – so sehr, dass er nach gemeinsamen Reisen mit seiner Frau in Clubs in Griechenland, Spanien oder der Türkei Ende der 80er beschloss, seinen gut dotierten Job als Abteilungsleiter im Anzeigenressort einer Tageszeitung an den Nagel zu hängen und selbst ein Robin zu werden. Er bewarb sich bei Robinson, absolvierte ein gutes Casting – und musste seinen Traum mangels Rückmeldung dennoch begraben. „Wahrscheinlich haben die Clubchefs nicht gewusst, was sie mit mir anfangen und wo sie mich einsetzen sollen“, erinnert er sich. „Ich war ja mit 48 ein alter Sack.“

Also wählte er einen anderen Weg – und wird bei anschließenden Aufenthalten in Clubanlagen von Portugal über Spanien, der Schweiz, Marokko oder Griechenland auf seine Weise immer mehr Teil der Teams. Gibt es irgend etwas zu tragen: Horst ist nie weit. Fehlt ein Offizieller für das Beachvolleyball-Turnier: Der zweifache Familienvater wirft sich die Club-Kluft über und macht den Ersatzmann. „Gekniffen habe ich nie“, sagt er – und bekommt Ende der 90er seine Chance. Clubchefs fragen ihn selber an. „Horst, kannste nicht mal ein paar Wochen aushelfen?“ oder „Horst, hättest Du Lust?“

Beschäftigung im Robinson Club

Endlich ist er am Ziel – und während seine Frau auf eigene Kosten in die jeweiligen Clubs fährt, leitet er dort die Beachbar, vergibt Termine für Massage-Stunden im WellFit-Bereich oder erteilt Boccia-Unterricht. Was eben gerade so anfällt. „Eine schöne Zeit war das“, sagt er. Die aber vor acht Jahren abrupt endet: Nach 42 Ehejahren starb seine Frau an Brustkrebs – und Horst stand vor einem Scherbenhaufen.

Um wieder zurück ins Leben zu finden, fährt er nach Ägypten in den Robinson Club, sitzt am Strand, weint – und fragt schließlich erneut beim damaligen stellvertretenden Clubdirektor an, ob er nicht wie früher irgendwie mitmachen könne. Der sagt zu – und aus einem anfänglichen Versuch wird eine bis heute andauernde Beschäftigung, die Horst partout nicht Arbeit nennen mag. „Ich verdiene ja kein Geld“, sagt er.

Kost und Logis sind frei, und er lebt in einem Gästezimmer in Block D. Jeden Morgen um 7 Uhr schwimmt er ein paar Runden im Roten Meer, trifft sich vormittags mit Gästen zum Boccia und freut sich auf den Abend. Dann, während der Blauen Stunde, wenn die heiße Sonne nicht mehr gleißt und die Farben perfekte Fotos ermöglichen, lädt Horst zu seiner „Klassik-Oase“. Dann schiebt er seinen USB-Stick mit Werken von Mozart, Vivaldi oder Chopin in die Musikanlage, und alle ergeben sich dem Klang der Orchester. Heute ist es Bach, und das Englische Kammerorchester gibt bei der Suite Nummer Drei in D Major alles. Damit das Klatschen seiner Flip-Flops den Musikgenuss nicht trübt, zieht er barfuß von Liege zu Liege und offeriert jedem ein Glas ägyptischen Rosé. Marianne aus Wiesbaden schätzt seine zurückhaltende Art. „Sehr aufmerksam“, sagt die fein gekleidete alleinreisende Rentnerin und zwinkert ihm zu.

Doch Horst geht auf ihre Avancen nicht ein. Kurzfristige Abenteuer sind nichts für ihn, er brauche echte Gefühle, um wieder jemanden in sein Herz zu lassen. Selbst dann wäre eine neue Beziehung unwahrscheinlich. „Ich habe so lange auf mein jetziges Leben hingearbeitet“, sagt er und lehnt sich entspannt zurück. „Das gebe ich nicht so schnell wieder auf.“