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Senioren im Knast – JVA-Detmold hat besondere Abteilung

Senioren im Knast – JVA-Detmold hat besondere Abteilung

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JVA Detmold Abteilung fuer lebensaeltere Gefagene Foto: Kai Kitschenberg, Funke Foto Services
In der Justizvollzugsanstalt Detmold gibt es eine in NRW einzigartige Haft-Abteilung: Dort wird versucht, „schweren Opas“ den Knastalltag altersgerecht zu gestalten.

Detmold. 

Es geht hier nicht um Kinkerlitzchen auf dem Kerbholz, es geht um Raub, um Mord und Totschlag. Zusammen haben die 22 Insassen dieses Gefängnisflügels noch mehr als 100 Jahre abzusitzen. Das Problem: All diese Männer sind Senioren, alte Säcke, wie sie selber sagen. In der JVA Detmold wird seit 2008 in dieser für NRW einzigartigen Abteilung versucht, den „schweren Opas“ den Knastalltag altersgerecht zu gestalten. Denn für sie gilt, was für viele Ältere gilt: Mit den Jahren und der schwindenden Körperkraft wächst die Angst davor, Opfer von Gewalt zu werden. Und im normalen Vollzug gilt durchaus das Recht des Stärkeren.

Konrad ist so ein Fall. 63 Jahre alt, 11 Jahre Haft, „ich habe jemanden getötet“, seine Schwester, ein Streit ums Erbe, der eskalierte. Konrad hat früher als Lehrer gearbeitet, dann wieder studiert und das ewig. Er ist eher klein, eher schmal und so glaubt man ihm, wenn er sagt: „Körperlicher Gewalt habe ich nichts entgegenzusetzen. Deshalb bin ich froh, hier zu sein.“ Er hat in einer Therapie dem Alkohol abgeschworen, der bei der Tat eine Rolle spielte. Er schämt sich, so scheint es, seiner Tat, akzeptiert die Strafe „Klar, Gefängnis muss sein“ und er ist noch immer erstaunt, überhaupt hinter Gittern zu sitzen: „Ich hatte bis 57 nie was damit zu tun. Und dann…“

Nicht untypisch in der Abteilung: 15 der 22 sind Ersttäter. Im letzten Drittel des Lebens bricht Aufgestautes durch, versagen die Sicherungen. Unerwartet, meist auch für den Täter selbst.

Höhere Betten, Haltegriffe an den Klos

U-Haft, Prozess, Urteil, Detmold. Innen sieht’s schon nach Knast aus. Eine vergitterte Welt. Aber eben auch eine umgebaute. Die Betten sind höher, gut für den Rücken, Haltegriffe an den Klos. Billard-Tisch im Gang, kleine Muckibude in der Ecke, drei große Aquarien, Guppys gucken zum Entspannen. Aber vor allem: Tagsüber haben die Häftlinge, was sonst niemand in keinem Gefängnis der Welt hat: den Schlüssel in der Hand. Natürlich nur für die eigene Zelle, nicht fürs große Tor.

Dazu kommt eine regelmäßige ärztliche Versorgung, Kontakt mit Sozialarbeitern, Seelsorge. Die Kirchen, vor allem die katholische, tun viel in Detmold. Finanzieren dies und das, organisieren auch ein Koch-Event. „Fünf und Fünf“ heißt das. Fünf Häftlinge, fünf Ehrenamtler. Dann wird gemeinsam gebrutzelt. Königsberger Klopse stehen hoch im Kurs. Fünf Euro kostet das den Häftling. Nicht wenig, denn sie verdienen im Schnitt so 150 Euro im Monat durch verschiedene Arbeiten. Hochverschuldet sind die meisten. Konrad zum Beispiel muss 42 000 Euro Prozesskosten berappen.

Besuch von draußen – eine Meise

Uwe nennt einen anderen Grund, warum er gerne in diesem Flügel sitzt. „Ich hab meine Ruhe. Angst vor Stress hab ich nicht. Wenn’s Theater gibt, guck’ ich böse. Das sind doch alles Waschlappen da draußen.“ Uwe ist aber auch für seine 65 Jahre noch recht gut in Schuss. Er hat früher als Trucker gearbeitet. „Viel Spanien, Italien. Bis ich dann vom Gabelstapler gefallen bin.“ Ein Absturz in jeder Hinsicht. „Splitterbruch in der Ferse, Fuß versteift. Arbeitslos, wohnungslos, Männerheim.“ Dann dieser eine Tag im Jahr 2010. „Mir hatten sie mein Portemonnaie gestohlen. Ich hatte Brass, bin hin zum Sozialarbeiter… Böse Worte, Handgemenge. „Dann habe ich zugestochen.“ Die Messerspitze verfehlt das Herz um Millimeter, der Mann überlebt. „So bin ich zum Glück nicht zum Mörder geworden.“

Jetzt sitzt Uwe am liebsten allein in der Zelle, dreht sich eine und bastelt Stunden an der „Bismarck“, einem Modell des Kriegsschiffes. Hin und wieder kommt „Fridolin“ vorbei. „Eine Meise, die ich immer füttere. Die flattert sogar in die Zelle.“ Dann flattert sie wieder raus und Uwe bleibt drin. Kein Knast ohne Klischee.

Hoffnung auf „ungesiebte Luft“

Klaus will hingegen nicht erzählen, weshalb er die sechs Jahre absitzt, dreieinhalb hat er hinter sich. Jetzt hofft er wie die beiden anderen Männer auf „Zwei-Drittel“, dass ihm also ein Drittel der Strafe erlassen wird. „Ich bin 71. Die 7000 Euro Gerichtskosten habe ich bis auf 400 Euro abbezahlt. Ich will dann zu meiner Tochter ziehen. Nach Erfurt. Und ich will noch mal in die Natur raus. Ungesiebte Luft atmen.“

Ausgebrochen ist noch niemand aus der „Lebensälterenabteilung“. Aber seit vor ein paar Jahren ein Mithäftling im Hof tot zusammengebrochen ist, treibt sie hier alle diese eine große Sorge um. dass sie es nicht schaffen. Dass sie hinter Gittern sterben. Das ist der gemeinsame Albtraum der „schweren alten Jungs“.