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Bis zu 13 Parteien im Rat: Bürgermeister wollen Sperrklausel

Bis zu 13 Parteien im Rat: Bürgermeister wollen Sperrklausel

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Der leere Ratssaal im Essener Rathaus Foto: Ulrich von Born
Bürgermeister beklagen schwierige Arbeit in zersplitterten Gremien und plädieren für eine Drei-Prozent-Sperrklausel. Linke und Piraten halten dagegen.

Düsseldorf. 

Ratssitzungen ziehen sich bis nach Mitternacht, die meisten Bürgermeister in NRW-Großstädten verfügen über keine eigene Mehrheit, Entscheidungen in Kommunen werden wegen der zunehmenden „Zersplitterung der Räte“ immer schwieriger und aufwändiger. In ihrer Not plädieren Bürgermeister und Landräte für die Einführung einer Drei-Prozent-Hürde bei Kommunalwahlen. Der Druck wächst: Inzwischen gibt es 110 fraktionslose Listen in Großstädten, in Duisburg und Bochum sitzen heute 13 Parteien im Rat.

In einem Gutachten im Auftrag der SPD hat der Bochumer Politikprofessor Jörg Bogumil die Folgen der Zunahme von Mini-Parteien und Wählergruppen im Rat analysiert. Bogumil kommt zu dem ernüchternden Ergebnis, dass der Wegfall der Sperrklausel 1999 „die Funktionsfähigkeit der Kommunalvertretungen erheblich beeinträchtig beziehungsweise gestört hat“.

Fazit nach vier Kommunalwahlen

Das Landesverfassungsgericht hatte die damalige Fünf-Prozent-Hürde bei Kommunalwahlen 1998 in NRW untersagt und kleinen Parteien eine stärkere politische Mitwirkung eingeräumt. Mit der Ausnahme, dass beim Nachweis einer Störung der Funktionsfähigkeit der Räte eine Hürde erlaubt sei.

Nach vier Kommunalwahlen ohne Sperrklausel hat Professor Bogumil nun die Bürgermeister und Landräte in NRW nach ihren Erfahrungen befragt. Das Ergebnis fiel eindeutig aus: Durch die Miniparteien werde es deutlich erschwert, Mehrheiten und Koalitionen zu bilden. In 36 Prozent der Kommunen gibt es keine oder wechselnde Mehrheiten und in 28 Prozent der Fälle Mehrheiten, die sich nur auf mündliche Vereinbarungen stützen. Das blockiert nicht nur Personalentscheidungen im Rat.

Keine politischen Impulse

Fast 90 Prozent der Bürgermeister streiten sogar ab, dass Kleinstfraktionen mit eigenen Anträgen wichtige Impulse für die Ratsarbeit gegeben haben. In der Regel seien Ratsanträge folgenlos geblieben. Auch aus Sicht der meisten Landräte sind Kleinstfraktionen meist inhaltlich überfordert und nur selten koalitionsfähig. Die Initiative „Mehr Demokratie“ kritisiert das „Gefälligkeitsgutachten“ als politisch unfair. „Die SPD hat die Frösche befragen lassen, ob ihr Teich trockengelegt werden soll. Welche Antworten man dabei bekommt, war von vornherein klar“, klagt Landesgeschäftsführer Alexander Trennheuser.

Professor Bogumil rechnet aber vor, dass etwa in Dortmund bereits 1221 Stimmen für ein Ratsmandat reichen – das seien gerade mal 0,6 Prozent. In Dortmund sitzen elf Parteien im Rat – durchschnittlich sind es in jedem NRW-Stadtrat 9,3 Parteien. 1999 waren es noch 5,6 Parteien. Auch aus Sicht der NRW-Grünen sind Stadträte mit zehn oder mehr Fraktionen, Kleinstgruppierungen und Einzelvertretern kaum noch arbeitsfähig. In den Räten der Städte, Gemeinden und Kreise agieren heute über 200 Wählergruppen mit maximal zwei Mandaten. Allerdings verfügen zumindest die meisten Landräte über eine eigene Mehrheit im Kreistag.

„Bei Mauschelei gestört“

Linkspartei und Piraten warnen vor einer neuen Politikverdrossenheit der Wähler, wenn kleine demokratische Parteien erst mit drei Prozent Zustimmung in die Räte ziehen dürfen. Etablierte Parteien fühlten sich durch die Winzlinge bei der Mauschelei gestört, zieht Linken-Landeschef Ralf Michalowsky kräftig vom Leder.

Prof. Bogumil hält eine Drei-Prozent-Sperre aber für „zwingend notwendig“, weil Räte mit mehr als 20 Mitgliedern dann entscheidungsfähiger würden. Laut SPD hätte die Drei-Prozent-Hürde den Vorteil, dass kleinere Kommunen unter 25.000 Einwohnern praktisch kaum betroffen wären. Dort müssen die Parteien schon jetzt im Durchschnitt 2,8 Prozent der Stimmen für ein Mandat holen.