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Trauer um Joe Cocker – der Mann mit der Jahrhundertstimme ist tot

Trauer um Joe Cocker, den Mann mit der Jahrhundertstimme

Joe Cocker
Zeltfestival in Bochum Foto: Ingo Otto
Sein Urschrei ging unter die Haut, der von Soul und Blues getränkte Vortrag wird Millionen Fans fehlen. Joe Cocker ist tot. Ein Nachruf.

Crawford. 

Das Bewundernswerte gerade am späten Joe Cocker war der eher dezente Auftritt. Wenn der britische Sänger mit seiner (stets erlesen besetzten) Band auf die Bühnen weltweit kam, gab es drumherum wenig Firlefanz und Effekthascherei und Lichtermeer.

Ein Cocker-Konzert war vielmehr rund anderthalb Stunden pure Konzen­tration auf die Musik, auf den Song. Und das wahre Spektakel so eines Konzertabends war die Reibeisenstimme des Meisters aus Sheffield, seine eigenartige Körpersprache, die er fast jedem Ton hinterherschickte, Und natürlich der Urschrei, am umwerfendsten bei „With A Little Help From My Friends“, das bei keinem Cocker-Konzert fehlen durfte.

Seine Fans werden diesen unter die Haut gehenden Schrei, dieses markante Zucken und Zappeln seiner Glieder, diesen umwerfenden, von Soul und Blues getränkten Vortrag nie mehr live erleben und bejubeln können. Trotz auch im hohen Alter unbändiger Tourfreude, trotz großer Pläne für ein neues Album hat der Lungenkrebs diesen Riesen am Mikrofon schließlich doch besiegt.

Joe Cocker war fast 50 Jahre im Geschäft

Joe Cocker starb auf seiner geliebten, abgelegenen „Mad Dog Ranch“ in Crawford, US-Bundesstaat Colorado. Er wurde 70 Jahre alt, und die Welt verneigt sich vor einer Jahrhundert-Stimme der Rockmusik, wie es sie vermutlich nicht mehr geben wird.

Fast 50 Jahre war der gelernte Klempner im Geschäft. In Sheffield, seiner nordenglischen Geburtsstadt, spielte er anfangs in der Region auf. Es folgte das Übliche für die späteren Helden dieser Zeit: Plattenvertrag, kleine Erfolge, der nationale Durchbruch mit „With A Little Help From My Friends“. Im fernen Woodstock stand Cocker 1969 damit plötzlich weltweit im Rampenlicht. Es war seine ganz eigene Interpretation des Beatles-Hits, die ihm den Weg zur internationalen Karriere ebnete.

„Drogen gab es überall“

In den Jahren danach aber lebte Cocker ein Leben am Abgrund, er ließ vermutlich keine Droge seiner Zeit aus, soff wie ein Loch, er lag mehrfach am Boden, doch er stand immer wieder auf. „Drogen gab es überall, und ich stürzte mich darauf. Und wenn du erst mal in dieser Abwärtsspirale bist, dann ist es schwierig, da wieder rauszukommen. Ich brauchte Jahre, das zu schaffen“, sagte er einst. Erst seine zweite Frau Pam Baker habe ihm geholfen, sein Leben zu ändern: „Sie machte mir klar, dass die Leute mich immer noch singen hören wollten.“

Nach seinem Comeback in den Achtzigerjahren mit dem Album „Sheffield Steel“ gelangen ihm Hits wie „When the Night Comes“, „N’Oubliez jamais“ und das Duett „Up Where We Belong“ mit Jennifer Warnes, für das er 1983 einen Grammy Award bekam.

40 Alben veröffentlicht

Fluch und Segen für Cocker war zeitlebens, dass er immer nur als Interpret antrat, nie als Komponist. Man schrieb ihm Songs auf den Leib, 40 Alben standen schließlich auf seiner Veröffentlichungsliste. Und diese Songs musste er natürlich dann auch vor seinem Publikum live singen, um über die Runden zu kommen – die Tantiemen bekamen ja die Songschreiber. Auch das einer der Gründe, warum man Cocker jahraus, jahrein auf Tour erleben konnte.

Doch seine Kehle verlor über all die Jahre weder Faszination noch Kraft. „Er war ohne Zweifel die größte Rock- und Soulstimme, die Großbritannien je hervorbrachte“, schrieb sein Agent Barrie Marschall in einer Würdigung zum Tod des Musikers am Montagabend.

Und damit hat er kein bisschen übertrieben.