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Grimme-Gala mit viel Emotion

Grimme-Gala setzt Emotionen frei

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Foto: WAZ FotoPool
Alle Jahre wieder werden in Marl die Grimme-Preise für bestes Fernsehen verliehen. Für viele ist es der einzig ehrliche Preis, weil keine Interessengruppen Zugriff auf die Jury nehmen können. Höhepunkt in diesem Jahr: der Preis an Hannelore Hoger für ihr Lebenswerk

Marl. 

Was schafft Spannung? Das pure Nichts. „Sportstudio“-Moderator Michael Stein­brecher hat das Publikum aufgewärmt, es folgt Musik, und dann passiert – nichts. Die Spannung entlädt sich am Freitagabend um Punkt 19 Uhr mit donnerndem Applaus. Die Dramaturgie der Grimme-Gala in Marls Stadt-Theater bedient sich bei dem Medium, das es auszeichnet: dem Fernsehen.

Nachmittags, 14 Uhr. Während sich die Preisträger noch im Recklinghäuser Hotel „Engelsburg“ entspannen, bereitet sich Steinbrecher im Grimme-Institut auf seine Moderation vor, mal schreibt, mal spricht er, um die Wirkung seiner Texte zu testen.

Preisvergabe mit rieslingtrockenem Witz

Abends im Theater. Gleich die erste Preisvergabe an „Tatortreiniger“ Bjarne Mädel und seine Spaßgesellen Arne Feldhusen und Benjamin Ikes un­terhält bestens. Sie bedanken sich mit rieslingtrockenem Witz. So fragt Steinbrecher, wann denn die nächsten Folgen des schrägen Comedy-Formates laufen sollen. Darauf Bjarne Mädel: „Heißt ja ,Tatortreiniger’, na dann am besten nach dem ,Tatort’.“ Das Anzug-Publikum reagiert johlend wie beim Pop-Konzert.

Dann gibt’s Trophäen für Richtiges, Wichtiges aus dem Bereich Information und Kultur. Preise für die Fußball-Doku „The Other Chelsea“ über den ukrainischen Club Schachtjor Donezk, das Porträt der Star-Fotografin Sibylle Bergemann, Rosa von Praunheims „Jungs vom Bahnhof Zoo“, den Missbrauch an der Odenwaldschule, Stuttgart 21 nicht zu vergessen.

Auch die Pubertätsdoku „Ich bin kein Werwolf“ mit Ki.Ka-Star Ralph Caspers war der Jury einen Preis wert. Moderator Steinbrecher spielt dabei all seine Qualitäten aus. Schon zu Beginn spricht er Preisträger persönlich an. Steinbrecher erspart dem Publikum nervige Dank-Litaneien, indem er die Preisträger ins Gespräch bringt, meist witzig, spritzig, auch eher dröge Künstler wie Devid Striesow („Ein guter Sommer“) und Regisseur Dominik Graf, der sich den zehnten Grimme abholt.

Grimme macht Spaß selbst bei ernsten Themen. Die Trailer nehmen alle vorhandenen humoristischen Momente mit.

Das Damen-Quartett „Salut Salon“ übrigens auch: drei Streicher, ein Piano und jede Menge Spielwitz. Ihre zuweilen artistischen Auftritte kon-trastieren schwere Themen wie bei dem Preis für das Mobbing-Drama „Homevideo“ mit den jungen Talenten Sophia Boehme und Jonas Nay.

Oder den Preis für „Die Hebamme“ mit Brigitte Hobmeier, die sich mit Bedauern abmeldet; sie ist am Theater in München unersetzlich.

Dafür sind alle Stars des ZDF-Films „Liebesjahre“ da: Regisseur Matti Geschonneck sowie die Darsteller Axel Milberg, Iris Berben, Peter Simonitschek und Nina Kunzendorf. La Berben schwärmt, als Sprecherin des vorzüglichen Ensembles, von den Dreharbeiten und dem Preis: „Ist das nicht toll?“ Und dann hüpft die 61-Jährige im weißen Hosenanzug wie ein junges Mädchen.

Bella Hoger gefeiert

Wie gewohnt kommt der Preis fürs Lebenswerk am Schluss der gelungenen, weithin brillanten Gala. Mit lang anhaltendem Applaus und stehenden Ovationen feiert das Publikum Hannelore Hoger. Sie verneigt sich gerührt, wirft einen Handkuss in den Saal, und ihrer Stimme ist anzumerken, was „Bella Block“ zu verbergen sucht: große Gefühle. Klugerweise hat die große Schauspielerin eine Rede vorbereitet, persönliche Worte, kluge Worte. Schließlich wird die starke Frau von ihren Emotionen übermannt. Ihre Rührung berührt.

Zugleich nutzt die Preisträgerin ihr Podium für ein Anliegen: „Wir haben tolle Schauspieler – wir sollten sie nicht unterfordern.“ Und diese Filme, fügt sie hinzu, sollten auch das passende Forum haben: die beste Sendezeit.