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Ganz legal – Versicherungen drängen Ältere in teure Verträge

Ganz legal – Versicherungen drängen Ältere in teure Verträge

Versicherungen kündigen günstige Policen und bieten Anschlussverträge an, die deutlich mehr kosten. Abzocke? Wir sagen, worauf man achten sollte.

Essen/Berlin. 

Versicherungskonzerne machen es Senioren immer schwerer, sich vor den Risiken des Alltags abzusichern. So würden bei privaten Unfallversicherungen Ältere massiv zum Abschluss teurerer Neuverträgen gedrängt oder mit der Kündigung bedroht, berichten Verbraucherschützer. Auch bei Kfz-Policen wird der Schutz mit zunehmendem Alter erheblich teurer.

„Leider ist es bei manchen Versicherern so, dass sie nur jene Risiken versichern wollen, die sich für das Unternehmen auch rechnen“, sagte Kerstin Becker-Eiselen, Juristin der Verbraucherzentrale Hamburg, dieser Redaktion. „Doch wird es etwa bei älteren Kunden teuer, werden diese Personen ausgeschlossen.“ Laut der Verbraucherschützerin ist es inzwischen gängige Praxis, dass Versicherungen ein Höchstalter für ihre Kunden festlegten. Werde dies erreicht, werde der Vertrag gekündigt, auch wenn der Versicherte jahrelang Beiträge gezahlt habe.

Der Gesamtverband der Versicherer verweist darauf, dass das Schadengeschehen mit steigendem Alter deutlich zunehme. Ein Sprecher bestätigte, dass Versicherer ihren Kunden bei Erreichen festgelegter Altersgrenzen häufig „modifizierte Konditionen“ anbieten. So könne Kunden auch im höheren Alter noch „angemessener Unfallversicherungsschutz für erschwingliche Beiträge“ ermöglicht werden. Rund fünf Millionen Menschen im Alter ab 65 Jahren seien privat unfallversichert.

Die stattdessen angebotenen speziellen Senioren-Versicherungen seien jedoch erheblich teurer und kompliziert, entgegnet Becker-Eiselen. Versicherer köderten Ältere, indem sie zum Beispiel in Werbespots gezielt mit der Angst spielten und Unfallfolgen wie etwa einen Oberschenkelhalsbruch ins Spiel brächten. „Das ist ein unredliches Geschäft mit der Angst“, so die Juristin.

Millionen Senioren müssen nach einem Vertragswechsel, etwa nach dem Kauf eines neuen Autos, deutlich höhere Beiträge in Kauf nehmen. In einem von unserer Redaktion berechneten Musterbeispiel zahlt ein 85-Jähriger bei ansonsten gleichen Voraussetzungen über die Hälfte mehr als ein 65-Jähriger für seinen VW Golf. „Senioren sind den Beitragserhöhungen ausgeliefert“, sagt Bianca Boss vom Bund der Versicherten. Nach Unfällen, die von Senioren verursacht wurden, machen einzelne Versicherungsunternehmen von ihrem Sonderkündigungsrecht Gebrauch.

Beispiel Unfallversicherung: Was Georg G. mit der Axa erlebte

Viele Jahre lang hatte Georg G. eine günstige Unfallversicherung. Bis weit ins Rentenalter hinein änderte sich daran nichts. Dann schickte die Axa, bei der der Gelsenkirchener versichert ist, einen überraschenden Brief. Die Beiträge zu seiner Police sollten sich verdoppeln oder der Leistungsanspruch halbieren. „Die Beitragskalkulation wurde vorwiegend für die Zeit im Erwerbsleben kalkuliert“, schreibt das Unternehmen als Begründung. Nun müsse die Unfallversicherung zu veränderten Bedingungen und Beiträgen fortgeführt werden. „Dabei bin ich schon seit 15 Jahren Rentner“, wundert sich der Leser und fragt sich, ob dieses Vorgehen rechtens ist. Sollte er mit dem Ansinnen der Axa nicht einverstanden sein, droht das Unternehmen mit einer Kündigung des Versicherungsschutzes.

Späte Neukunden haben es schwer

Georg G. ist offenbar kein Einzelfall. Viele Kunden erhalten ähnliche Angebote von ihrer Versicherung, berichten Verbraucherschützer. Ob das rechtens ist, hängt vom jeweiligen Vertrag ab. „Es gibt Tarife, die enden mit 65“, weiß Elke Weidenbach von der Verbraucherzentrale NRW. Seit gut einem Jahrzehnt beobachtet die Juristin eine immer weiter gehende Untergliederung der Tarife für Unfallversicherungen. Und ebenso wie der Kunde einen Vertrag kündigen könne, stehe dies auch den Anbietern zu.

Der Leser hat also schlechte Karten. Wenn er den Unfallschutz aufrecht erhalten will, muss er in den sauren Apfel beißen und mehr dafür bezahlen.

Der Wechsel zu einem anderen Unternehmen bietet sich Weidenbach zufolge auch nicht an. „Er wird Schwierigkeiten haben, bei einer anderen Versicherung unterzukommen“, vermutet die Juristin. Die Anbieter versichern Kunden ab einem gewissen Alter gar nicht mehr. Meist liegt dieses Höchsteintrittsalter bei 75 Jahren oder 85 Jahren. Die für späte Neukunden angebotenen Tarife sind in der Regel teuer oder weisen Einschränkungen bei den Leistungen aus.

Kleine Unfälle, großes Problem

Die Unfallversicherung zählen Verbraucherschützer nicht zu den wichtigsten Policen. Das sind weiterhin die Haftpflichtversicherung und der Schutz gegen Berufsunfähigkeit. Dennoch kann auch der Schutz vor den finanziellen Folgen eines Unfalls sinnvoll sein. Für Senioren können zum Beispiel schon kleinere Unfälle zu einem großen Problem werden, insbesondere, wenn sie alleine wohnen. Denn wenn etwas geschieht, ist die Beweglichkeit bei älteren Menschen schneller und länger eingeschränkt als bei jungen. In diesem Fall wird Hilfe für die alltäglichen Verrichtungen notwendig und das kostet womöglich viel Geld.

Doch nicht alle Policen decken auch alle Unfallfolgen ab. Die Stiftung Warentest hat daher einen kleinen Katalog von Tipps für Interessenten zusammengestellt. Senioren sollten darauf achten, dass sie nicht nur eine Invaliditätsabsicherung erhalten, sondern auch Hilfeleistungen rund um den Haushalt im Tarif enthalten sind. „Nehmen Sie nur eine Versicherung, deren Anbieter für Sie die Hilfe im Haushalt und bei der Pflege auch organisiert und bezahlt“, raten die Experten.

Wichtig ist auch ein Blick auf die Ausschlusskriterien einer Unfallversicherung. Je nach Angebot werden zum Beispiel Stürze, die infolge einer anderen Krankheit des Versicherten entstehen, nicht als Unfall gewertet. Auch sollten Kunden darauf achten, dass die Leistungen wenigstens sechs Monate lang gewährt werden. Das ist laut Stiftung wichtig, weil es bei solch vorübergehenden Problemen Lücken bei den gesetzlichen Sozialversicherungen gibt. Der letzte Test der Verbraucherschützer liegt zwei Jahre zurück. Doch konnten die Warentester immer fünf gute Angebote für Senioren empfehlen. Schon für weniger als 100 Euro im Jahr konnten sich Senioren gegen Unfallfolgen wappnen. Aktuelle Konditionen und Details der komplizierten Vertragsangebote bietet das Verbraucherportal auf der Internetseite www.finanztip.de an.