Veröffentlicht inPanorama

Eltern suchen vermisste Tochter per Internet

Eltern suchen vermisste Tochter per Internet

___ Imported per Email (2010-06-24--543x199.jpg

Hamburg. 

Die 25-jährige Anne Hondelmann ist seit Sonntag spurlos verschwunden. In ihrer Verzweiflung hat die Familie eine beispiellose Suchaktion übers Internet angestoßen. Die Polizei fühlt sich überfahren.

Stunde um Stunde wächst die Sorge um Anne Hondelmann. Seit Sonntagabend wird die 25-Jährige aus dem schleswig-holsteinischen Bargteheide vermisst. In ihrer Verzweiflung hat die Familie der jungen Frau auf eigene Faust eine bislang beispiellose Suchaktion gestartet – über eine eigene Internet-Seite und die sozialen Netzwerke Twitter, Facebook, Xing und StudiVZ.

Das Echo der Internetgemeinde ist riesig. Seit Dienstag, als die Webseite „suche-anne.de“ online ging, wurde sie bereits weit über 300.000 Mal aufgerufen. Im sozialen Netzwerk Facebook haben über 25.000 Menschen den Hilferuf der Familie gelesen. Viele versprechen, die Augen nach der Frau offen zu halten. Andere wünschen der Familie viel Glück. Der Initiator der Seite, Jan-Hendrik Damerau – ein Kollege von Annes Mutter – ist überwältigt: „Ich hab nicht mit so vielen Reaktionen gerechnet“, sagte er gegenüber DerWesten. Alle Hinweise, die über die Seite abgegeben werden, landen per SMS auf dem Handy von Annes Mutter. Ein entscheidender soll laut Polizei jedoch noch nicht dabei gewesen sein.

Spur verliert sich Sonntag, 14 Uhr

Am Sonntagnachmittag, 14 Uhr, verliert sich nach Angaben der Polizei die Spur von Anne. Die Arzthelferin war in Schwerin gewesen, um sich von ihrem Freund zu trennen. Es soll eine „normale Trennung“ gewesen sein, so die Polizei. Mit der Bahn fuhr sie zurück bis Hamburg und stieg in den Zug nach Bargteheide. In Ahrensburg hatte sie das letzte Mal SMS-Kontakt zu ihrem Ex-Freund. Seither ist sie verschwunden. Die Polizei hat momentan keine Indizien für eine Straftat, geht von einem Vermisstenfall aus. Nur in einem Punkt räumt selbst die Polizei Merkwürdigkeiten ein: Anne Hondelmann meldete sich auch nicht bei ihrem Arbeitgeber, einer Hamburger Klinik, ab, obwohl sie den Job erst Anfang Mai angetreten hatte.

Die Familie startete ihre eigene Suchaktion offenbar, weil sie sich von der Polizei im Stich gelassen fühlte. Das schwingt zumindest in den Worten von Polizeisprecherin Sonja Kurz mit. Sie verteidigt die Zurückhaltung der Polizei: „Bei allem Verständnis für die Eltern – Anne Hondelmann ist ein mündiger erwachsener Mensch von 25 Jahren. Es lässt sich aus allem, was wir bisher wissen, keine Gefahrenlage erkennen.“ Die Polizei wollte deshalb auch keine Pressemitteilung zu dem Vermisstenfall herausgeben, und schürte so im Netz zunächst Zweifel an der Echtheit der Suchaktion.

Polizei genervt

Die Reaktionen von Internetnutzern und Medien auf die Suchaktion haben deshalb nicht nur die Familie überrannt – auch die Polizei. Am Mittwoch brach die Telefonanlage in Ahrensburg zusammen. Viele User wollten wissen, ob die Suche nach Anne Hondelmann echt ist oder ein übler Scherz. Die Polizei ist genervt: „Wir hätten uns gewünscht, dass man die Aktion mit uns abstimmt“, sagte Sonja Kurz.

Die Zweifel an der Suchaktion verstummen jedoch nicht. Benjamin Dressen von der Vermissten-Suche.com, hält sie gar für inszeniert. „Hier geht etwas nicht mit rechten Dingen zu“, behauptet er, der auch schon in anderen Vermisstenfällen aktiv war. Seiner Meinung nach sind die Fotos, die über Anne Hondelmann im Internet verbreitet werden, viel zu professionell. Auch die Website war seiner Ansicht nach merkwürdig schnell auf dem Markt. Dressen behauptet, schon am Montag die Homepage gesehen zu haben. Der Macher der Seite, Damerau, hatte gegenüber DerWesten erklärt, die Seite sei am Dienstag online gegangen. Dressen versucht, bislang vergeblich, Kontakt zur Familie zu bekommen. Er wollte Hilfe anbieten. Seine These nun: „Das ist alles PR für diese Frau“.

Der Fall Hondelmann erinnert an die Suche nach Tanja Gräff, die vor drei Jahren nach einem Sommerfest an der Fachhochschule Trier spurlos verschwand und bis heute als vermisst gilt. Auch damals gab es eine Suchaktion übers Internet und soziale Netzwerke.