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Antonia Rados ist bei RTL die neugierige Betrachterin mit Distanz

Antonia Rados ist die neugierige Betrachterin mit Distanz

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Antonia Rados mit der Salafistin Rita Foto: Rita
Antonia Rados (60) ist das journalistische Aushängeschild von RTL. Ihre Reportagen zeichnen sich aus, weil sie es versteht, das Politische mit dem Privaten zu verknüpfen. Etwa „Meine Schwester, meine Feindin“: Das Porträt über Bauchtänzerin Dina und ihre salafistische Schwester Rita aus Ägypten wird Sonntag ausgesgestrahlt.

Köln. 

Antonia Rados ist das journalistische Aushängeschild von RTL. Die 60-jährige Auslandsreporterin ist die Antwort des Privatfernsehens auf den öffentlich-rechtlichen Peter Scholl-Latour. Was ihre Reportagen so ungewöhnlich macht, ist ihr Talent, das Politische mit dem Privaten zu verknüpfen. So lernte die gebürtige Österreicherin in Ägypten zwei Schwestern kennen, die die Zerrissenheit des ganzen Landes in ihrer Familie spiegeln: Dina ist in dem arabischen Land die Starbauchtänzerin schlechthin, Rita indes entsagte dem Glamour und wurde Salafistin. Das ist in der Familie eine explosive Mischung – und für die Reporterin eine Herausforderung.

Antonia Rados ist das Thema ein Herzensanliegen. Spannend bei der Recherche war für sie nicht in erster Linie der überdrehte Superstar Dina, sondern ihre Schwester, die die westliche Lebensart komplett ablehnt.

Wie ist es, ein Gespräch mit einer verschleierten Frau zu führen? Sie sei „schon ein wenig irritiert“ gewesen, entgegnet Antonia Rados mit einer Stimme, die freundliche Wärme und feine Zurückhaltung ausbalanciert. „Sie ist eine strenggläubige Salafistin, die sich auf die Frau des Propheten beruft, von der es heißt, sie habe ihr Gesicht verdeckt. Journalistisch ist das eine Herausforderung, weil ihre Emotionen schwer zugänglich sind. Ich hatte immer die Hoffnung, dass sie bereit ist, den Schleier mal abzulegen.“ Tatsächlich kam es in einer einzigen Situation dazu.

Wie entsteht eine ultrakonservative Haltung?

„Wir waren alleine, sie, ich und nur eine einzige Freundin von ihr, die Kinder waren weg, und plötzlich hat sie den Schleier völlig unerwartet aufgehoben, sie sah mich an und fragte: Wie sehe ich aus?“ Was sprach aus dem Gesicht? „Weiblichkeit, eine Mischung aus Neugierde, Eitelkeit und Komplexen.“ Antonia Rados fügt hinzu: „Sie hatte den Schleier relativ schnell wieder heruntergezogen, und dann kam ein irritierendes Statement: Der Schleier sei so gut, weil dann die Haut weiß bleibe.“

Die Reporterin wollte aber auch wissen, wie Rita vom westlichen Lebensstil zu einer äußerst konservativen Haltung kam. Da kommt die Rede auf eine Lebenskrise des ehemaligen Show-Girls, das erleben musste, wie ein Schwager jung an Krebs starb. „Sie war auf der Sinnsuche“, weiß Antonia Rados,

Rita zog aus eigenem Antrieb Konsequenzen. Sie entsagte, dem christlichen Armutsgelübde nicht unähnlich, dem Weltlichen. Keine Zigaretten mehr, kein Gesang, kein Tanz. Stattdessen zog das ehemalige Glamour-Girl in einen ärmlichen Stadtteil der äygptischen Hauptstadt und führt seither ein salafistisch-kärgliches Leben.

Heißt streng islamisch auch militant? „Es gibt Salafisten, die sehr militant sind, es gibt aber auch Salafistinnen, die sich wie Nonnen zurückziehen und nur noch für ihren Glauben leben.“ Für Rita hieß das aber auch, keinem Dreh zuzustimmen, „ohne vorher ihren salafistischen Prediger zu befragen“. Mehr noch: „Sie sah es als völlig selbstverständlich an, dass Frauen keine Rechte haben.“

Immer noch betroffen von all dem Elend, das sie sieht

Rita gegenüber saß eine Korrespondentin, die ihre westliche Herkunft nicht verbarg. Antonia Rados: „Ich trage kein Kopftuch. Ich passe mich diskret an, aber man muss sich immer klar darüber sein, wer man ist.“ Kairo sieht die Korrespondentin, einem längeren Aufenthalt zum Trotz, keineswegs als ihre Wahlheimat an. Sie sieht sich als neugierige Betrachterin, die Distanz bewahrt. Obwohl Antonia Rados seit Jahrzehnten in Krisengebieten unterwegs ist, betont sie, nicht abgestumpft zu sein. „Ich bin immer noch so betroffen von Elend wie am ersten Tag. Ich kann das so nicht abschütteln. Den Mantel des Zynismus, den man sich umlegen könnte, finde ich völlig unangebracht. Ich finde, man ist den Leuten schuldig, dass man sie ernst nimmt.“

  • Antonia Rados’ Porträt über Bauchtänzerin Dina und Salafistin Rita aus Kairo, Ägypten, heißt „Meine Schwester, meine Feindin“ und läuft am Sonntag, 23. März, 23.20 Uhr bei RTL. Die Korrespondentin traf die beiden Frauen ein Jahr lang immer wieder zum Gespräch. Eine Bekannte hatte sie auf das ungleiche Schwesternpaar aufmerksam gemacht.