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Star der Generation Langspielplatte – Udo Jürgens wird 80

Star der Generation Langspielplatte – Udo Jürgens wird 80

Udo Jürgens
Udo Jürgens Foto: Imago
Der Sänger, Komponist, Pianist und Entertainer feiert am Dienstag seinen achtzigsten Geburtstag. Man sieht ihm das Alter nicht an. Der Mann ist fit wie nie. Und seine Lieder sind unvergessen. Die Generation Langspielplatte feiert ihn nun schon fast seit einem halben Jahrhundert.

Essen. 

Es ist nicht nur diese beneidenswerte Lässigkeit, diese saloppe Eleganz seiner Erscheinung. Was vor allem in Erinnerung bleibt nach einer Begegnung mit Udo Jürgens, sind die Augen, in denen noch so viel Platz ist für die Lust aufs Leben. Am Dienstag wird der Mann, der so unnachahmlich klagen, säuseln, schmachten kann, achtzig Jahre alt. Und seine Stimme klingt noch ganz genau wie damals. Merci, Chérie.

Achtzig, das ist gefühlte sechzig, sagt man heute ja so gerne – und kommt dann doch nicht aus dem Sessel hoch. Nicht Udo Jürgens, er kennt keine Arthrose und keine Zipperlein. Das Haar, erstaunlich dunkel mit nur wenig grauen Fäden, lässt noch immer keine Lücken, das Hemd spannt nicht überm Bund. Wie er das macht? „Ich trinke jeden Tag viel kaltes Wasser“, sagt er. Er geht spazieren, auch bei Regen. Er schwimmt in seinem Pool am Schweizer Zürichsee, „einmal vormittags und einmal nachts“. Und jetzt, ja jetzt geht er wieder auf Tournee.

Sein Leben ist die Bühne

Über sechzig Jahre schon steht der Sänger, Pianist, Komponist, Entertainer und für manchen sogar der beste deutschsprachige Chansonnier auf der Bühne. Als er vor zwei Jahren in Oberhausen zu Gast war, um für sein Musical „Ich war noch niemals in New York“ zu werben, konnte man sehen, wie sehr ihm das Scheinwerferlicht gut tut: Stundenlange ließ er sich von den Fotografen hin- und herschicken.

Es strengte ihn nicht an, immer wieder für die Kameras zu lachen zu lächeln. „Ich kann auch ohne Applaus leben, aber nicht auf der Bühne.“ Ob das stimmt? Aber sein Leben ist ja die Bühne. Er liebt die Selbstinszenierung am gläsernen Klavier, das ihm sogar mal auf eine Almspitze transportiert wurde.

Der Star der Generation Langspielplatte

Ob in China, Brasilien, in Deutschland oder in den USA – die Generation Langspielplatte feiert ihn wundersamerweise schon über ein halbes Jahrhundert. Seine Lieder von Abschiedsschmerz und Liebesgram, dieser oft rührselige Mix, der vor allem die Frauen anzog, war in den Siebzigern die Alternative zu Michael Holm oder Chris Roberts. Mit Udo war man gesellschaftsfähig. Selbst ein Beatles-Fan durfte Udo hören. Udo am Klavier im weißen Anzug. Dann zum Schluss im weißen Bademantel. „Griechischer Wein“ – diese Melodie ist zu einer Chiffre der Sehnsucht geworden, die stärker war als Nana Mouskouris „Weiße Rosen“.

Udo Jürgens, als Udo Jürgen Bockelmann in Klagenfurt geboren, wollte aber mehr: Er glaubte fest an die soziale Sprengkraft seines „Ehrenwerten Hauses“. Nicht nur „Mathilda“ oder „Es wird Nacht, Senorita!“, sondern: „Lieb Vaterland, wofür soll ich dir danken? Für Versicherungspaläste oder Banken? Für Krankenhäuser fehlen dir Millionen, doch das Geschäft mit Schwarzgeld scheint zu lohnen.“

Er liebte die Frauen

Udo Jürgens liebt heute seine Rolle als Gewissen der Nation. Doch das war er nicht immer. Bevor ihm 1966 mit „Merci Chérie“ der „Grand Prix“-Sieg gelang, lagen ihm die Mädchen am Herzen. Er war der Poet, der Melancholiker, der auch privat nicht gefeit war vor der düsteren Stimmung. Es hat ihn grausam gequält, dass er bis zu seinem Grand-Prix-Erfolg über zehn Jahre lang nur Hohles trällern musste: „Swing am Morgen, Swing am Abend“. Keiner nahm ihn ernst. Das hat ihn verletzt – und geprägt. Genau wie der Umstand, dass er ein kränklicher Junge war, der im Schoß seiner gut bürgerlichen österreichischen Eltern verhätschelt wurde. Heute kennt er selbst nur eine Schwäche – und die liegt da, wo er sich musikalisch so gut auskennt: in der Lie-hi-be.

Udo liebte die Frauen, und die Frauen liebten ihn. Treue sei eben eine Frage der Gelegenheiten. Kein Mann fürs Leben. Seine Ehe mit Fotomodell Panja ging in die Brüche. Zwei Kinder, John und Jenny, zweite Ehe, zwei nichteheliche Töchter. „Ich kann es verstehen, dass die Frauen nicht mehr mit mir zusammen sein konnten“, sagt er. Aber das Wichtige sei, dass es keinen Hass gibt. „Ich verstehe mich mit allen gut. Mit meinen Ex-Frauen und mit meinen Kindern.“ Lange war er überzeugter Single, ist heute aber wieder liiert.

Er ist Verfechter der Sterbehilfe

In Interviews redet er jetzt oft über das Alter. Er gibt sich nachdenklich. Er ist Verfechter der Sterbehilfe, hat seine Patientenverfügung gemacht. Freiheit sei nur dann Freiheit, „wenn wir selbst entscheiden können, was wir wollen.“

Aber was redet er da? Sein Album heißt „Mitten im Leben“! Ja, er fühlt sich doch höchstens wie vierzig. Ja, er kann sich doch noch die Kehle aus dem Hals singen. Und das Publikum dankt ihm dafür: Merci, für die Stunden, Chérie.