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Was die katholische Kirche von ihren Religionslehrern verlangt

Was die katholische Kirche von ihren Religionslehrern verlangt

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Foto: WR

Dortmund. Bei katholischen Religionslehrern bestimmt der Beruf über das Privatleben. Die Kirche verlangt, dass sie nur verheiratet mit einem Partner zusammenleben dürfen und Kinder katholisch taufen lassen müssen. Katrin H. muss sich nun entscheiden – für ihre Partnerschaft oder für ihren Beruf.

Endlich haben sie den Schlüssel für ihre erste gemeinsame Wohnung in Dortmund. Katrin H. und Michael S.* sehnen das Ende ihres Studiums herbei, um das erste Mal richtig Geld zu verdienen. Und zwar soviel, dass sie nicht mehr knapsen müssen und auch ein bisschen fürs Alter zurücklegen können. Denn für den Möbelkauf mussten sie an ihr Erspartes ran, für eine Hochzeit in absehbarer Zeit ist kein Geld da. Außerdem wollen Katrin und Michael sowieso erst einmal ausprobieren, ob sie sich auch dann noch gut verstehen, wenn sie sich täglich sehen.

Was für viele junge Pärchen selbstverständlich ist, kann für Katrin H. gefährlich werden. Denn die 26-Jährige will katholische Religionslehrerin werden. Und die fünf Bistümer in Nordrhein-Westfalen sehen es gar nicht gerne, wenn ein Pärchen unverheiratet zusammenlebt. „Ein eheähnliches Zusammenleben ohne kirchliche Trauung ist mit den Grundsätzen der Lehre der Kirche nicht vereinbar“, heißt es im Amtsdeutsch. Dabei will Katrin H. nicht einmal an einer katholischen Schule unterrichten. Sie wird Mathematik- und Religionslehrerin an einer staatlichen Schule.

„Ich kann das überhaupt nicht verstehen“, sagt Katrin H. „Alle Welt will, dass sich die Kirche aus der Schule heraushält. Zudem haben die Kinder Anspruch auf einen Religionsunterricht, in dem Toleranz gegenüber anderen Konfessionen und Religionen gelehrt wird – und in dem auch Kritik an der katholischen Kirche ihren festen Platz erhält.“ Wenn Katrin H. allerdings katholischen Religionsunterricht erteilen will, braucht sie den Segen der Kirche – in Gestalt der „Missio canonica“ nach dem 2. Staatsexamen. Und die gibt es unter anderem nur, wenn sie „in der persönlichen Lebensführung die Grundsätze der Lehre der katholischen Kirche“ beachtet. Mit der Kirchlichen Unterrichtserlaubnis für das Referendariat hatte Katrin H. noch keine Probleme, schließlich war sie zu dem Zeitpunkt Single.

Warum soviel Kontrolle von der Kirche?

Vor wenigen Wochen rief die Dortmunderin beim nordrhein-westfälischen Schulministerium an. Warum sie denn als staatlich geprüfte Religionslehrerin so unter den Fittichen der Kirche stehe, wollte sie wissen, und was denn passiere, wenn ihr die Kirche die „Missio canonica“ nicht gebe oder irgendwann einmal entziehe. Schließlich habe sie nur zwei Fächer studiert, ohne Religion könne sie nicht weiter unterrichten. Das sei richtig, sagte ein Mitarbeiter des Ministeriums, aber er habe keine Handhabe: „Im Grundgesetz steht in Artikel 7, dass ‚der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt wird’.“ Und in Artikel 14 der Landesverfassung sei festgelegt, dass der Lehrer für die religiöse Unterweisung ‚der Bevollmächtigung durch die Kirche oder durch die Religionsgemeinschaft bedarf’.

Diese Bevollmächtigung bekommt der Religionslehrer nur, wenn er folgende Grundsätze beachtet: Er ist Mitglied der katholischen Kirche und nimmt am Leben der kirchlichen Glaubensgemeinschaft, insbesondere am Sonntagsgottesdienst, teil. Für verheiratete Religionslehrer reicht eine standesamtlich geschlossene Ehe nicht aus, sie brauchen zwingend den kirchlichen Segen. Kinder müssen katholisch getauft und erzogen werden. Eine „wilde Ehe“, also ein Zusammenleben ohne Trauschein, sieht die katholische Kirche nicht vor – und stellt Katrin H. damit vor ein großes Problem.

„Ich kann mein Leben doch auch nach christlichen Grundsätzen gestalten, wenn ich eine respektvolle Beziehung führe, aber nicht verheiratet bin“, sagt die 26-Jährige und erhält die Unterstützung der Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“. Zwar dürfe die Kirche an ihre beauftragten Religionslehrer bestimmte Anforderungen stellen, aber diese müssten an das zeitgemäße Leben angepasst werden, sagt Magnus Lux vom Bundesteam „Wir sind Kirche“. Hätte er das Sagen, würde er eine andere Frage an angehende Religionslehrer stellen: „Wie bist Du fähig, Deinen Glauben weiter zu geben?“ Und genauso, wie die Kirche ihre Grundsätze aufstellt, nimmt Lux sie wieder auseinander.

Nicht nur Sakramente als Zeichen nehmen

„Die Kirche macht äußerliche Zeichen wie die kirchlich geschlossene Ehe oder die katholische Kindstaufe zum alleinigen Maßstab“, kritisiert Lux. Dabei müsse, wer sich in wilder Ehe befinde, überhaupt nicht unkatholisch leben. Außerdem sollte man einem jungen Paar die Möglichkeit geben, sich auch im Zusammenleben kennenzulernen – und zwar ohne sich sofort bis zum Lebensende zu binden.

Als ein noch viel schwerwiegenderes Problem sieht Lux allerdings die Forderung nach der katholischen Kindstaufe. „Katholische Religionslehrer werden gezwungen, ihr Kind innerhalb des ersten Jahres katholisch taufen zu lassen“, sagt der Vertreter von „Wir sind Kirche“. „Und der nicht-katholische Partner hat da überhaupt keine Einspruchsmöglichkeit. Er ist immer zweiter Sieger.“ Anderenfalls würde er wie Michael S. zur Gefahr für die schulische Laufbahn seiner Freundin. „Alle anderen Katholiken sollen ihr Kind zwar auch möglichst katholisch taufen, aber sie dürfen es auch evangelisch taufen lassen“, sagt Lux. „Warum gilt das nicht für katholische Religionslehrer?“

Was Katrin H. nun machen will, weiß sie noch nicht. Ist sie risikofreudig und verschweigt die häusliche Gemeinschaft mit ihrem Freund? Oder überredet sie ihn zur baldigen Heirat? Oder studiert sie noch ein drittes Fach? „Die Kirche verhält sich wie eine Krake, überall will sie sich einmischen“, sagt Katrin H. Besonders ärgert sie, dass ihr Freund, ein evangelischer Maschinenbau-Ingenieur, unter ihrer Fächerwahl leiden muss. „Er wird ja quasi entmündigt. Denn er muss heiraten und unsere Kinder katholisch taufen lassen, wenn er mit mir zusammenbleiben und ich weiter als Lehrerin arbeiten will“, schimpft Katrin H. – und fügt trotzig hinzu: „Dann gibt es eben keine Kinder. Punkt.“

In den Bistümern Essen und Paderborn versteht man die Aufregung nicht. „Wir als Kirche müssen sicherstellen, dass der katholische Religionsunterricht glaubwürdig erteilt wird“, sagt Harald Gesing aus dem Bistum Essen. „Für die Frage der Glaubwürdigkeit bleiben aber nur äußere Zeichen wie der Empfang der Sakramente Ehe und Taufe. Wir können und wollen schließlich nicht in Kopf und Herz gucken.“ Außerdem seien Religionslehrer verkündigend tätig und oft die einzigen Kirchenvertreter, mit denen Schüler in Kontakt kämen, ergänzt Roland Gottwald aus dem Bistum Paderborn. „Sakramente dann schlichtweg abzulehnen, geht einfach nicht.“

Keine „Bettenschnüffelei“ oder Überprüfung beim Einwohnermeldeamt

Zu der Frage, ob denn die Anforderungen zeitgemäß sind, äußern sich die Bistumsvertreter nicht. Angehende Religionslehrer wie Katrin H. wollen sie aber beruhigen. In beiden Bistümern würden kaum Anträge auf die „Missio Canonica“ abgelehnt oder später entzogen. Kritiker glauben, dass der Mangel an Religionslehrern für diese großzügige Praxis verantwortlich ist. Harald Gesing und Roland Gottwald führen das eher darauf zurück, dass die Bistümer die Theologie-Studenten schon in den Anfangssemestern über die persönlichen Voraussetzungen informieren. „Außerdem betreiben wir keine kirchliche Bettenschnüffelei“, sagt Roland Gottwald aus dem Bistum Paderborn. „Bei allen, die ankreuzen, dass sie nicht verheiratet sind, fragen wir auch nicht weiter nach“, ergänzt Harald Gesing aus dem Bistum Essen. „Wir überprüfen die Angaben nicht beim Einwohnermeldeamt.“

Für Katrin H. ist das nur ein geringer Trost. Selbst wenn die Kirche nicht das Fernglas auf sie richtet, können das immer noch Eltern und Schüler tun – und sie bei der Kirche für ihre nicht-eheliche Lebensgemeinschaft anschwärzen. „Ich mache mich doch voll erpressbar. Eine Fünf in Religion und die Beschwerde ist beim Bistum“, sagt Katrin H. Außerdem machten sie schon allein das Klingelschild mit zwei Namen oder der Anrufbeantworter-Spruch verdächtig. „Ich kann meinen Freund aber auch nicht mein Berufsleben lang totschweigen.“

* Namen von der Redaktion geändert